Homer, Ilias 3, 139 -165
Helena
und die trojanischen Entscheidungsträger
Kursarbeit
Kontext: Griechen und Trojaner haben
sich darauf verständigt, den Konflikt durch einen Zweikampf zwischen
Menelaos und Paris zu entscheiden: Helena solle dem Sieger zufallen.
Die Göttin Iris eilt in Gestalt der Laodike in das Haus der Helena,
um sie davon in Kenntnis zu setzen. Die folgenden Verse beschreiben
die Wirkung ihrer Worte auf Helena: |
1
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4
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7 |
ὣς εἰποῦσα
θεὰ γλυκὺν ἵμερον
ἔμβαλε θυμῷ
ἀνδρός τε προτέρου
καὶ ἄστεος ἠδὲ
τοκήων·
αὐτίκα
δ' ἀργεννῇσι καλυψαμένη
ὀθόνῃσιν
ὁρμᾶτ'
ἐκ θαλάμοιο τέρεν
κατὰ δάκρυ χέουσα
οὐκ οἴη, ἅμα τῇ
γε καὶ ἀμφίπολοι
δύ' ἕποντο,
Αἴθρη
Πιτθῆος θυγάτηρ,
Κλυμένη τε βοῶπις·
αἶψα δ' ἔπειθ'
ἵκανον, ὅθι Σκαιαὶ
πύλαι ἦσαν. |
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[Auf dem Skäischen Torturm sitzen um Priamos versammelt die Ältesten
der Trojaner]
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17
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21
22 |
οἳ δ' ὡς οὖν
εἴδονθ' ῾Ἑλένην
ἐπὶ πύργον ἰοῦσαν,
ἦκα πρὸς ἀλλήλους
ἔπεα πτερόεντ'
ἀγόρευον·
οὐ
νέμεσις Τρῶας
καὶ ἐϋκνήμιδας
Ἀχαιοὺς
τοιῇδ'
ἀμφὶ γυναικὶ
πολὺν χρόνον
ἄλγεα πάσχειν·
αἰνῶς ἀθανάτῃσι
θεῇς εἰς ὦπα
ἔοικεν·
ἀλλὰ
καὶ ὧς τοίη περ
ἐοῦσ' ἐν νηυσὶ
νεέσθω,
μηδ' ἡμῖν
τεκέεσσί τ' ὀπίσσω
πῆμα λίποιτο. |
[ 23]
ὣς ἄρ' ἔφαν, Πρίαμος
δ' Ἑλένην ἐκαλέσσατο
φωνῇ·
δεῦρο
πάροιθ' ἐλθοῦσα
φίλον τέκος ἵζευ
ἐμεῖο,
ὄφρα
ἴδῃ πρότερόν
τε πόσιν πηούς
τε φίλους τε·
οὔ τί μοι αἰτίη
ἐσσί, θεοί νύ
μοι αἴτιοί εἰσιν
[27] οἵ μοι ἐφώρμησαν
πόλεμον πολύδακρυν
Ἀχαιῶν· |
So sprachen sie also, Priamos aber
rief Helena mit seiner Stimme:
Komm doch, liebes Kind, und setze dich zu mir,
damit du den früheren Gatten, die Schwäger und Freunde erblickst!
keineswegs bist du mir schuldig, die Götter sind mir schuldig,
die mir den tränenreichen Krieg der Achaier geschickt! |
Angaben:
1 ὁ ἵμερος - Sehnsucht / 2 τὸ
ἄστυ - Heimatstadt / τοκῆες:
Ihre "Eltern" sind Tyndareos und Leda / 3 ἀργεννός
- weißglänzend / ἡ ὀθόνη
- Leinentuch, Schleier / 4 τέρην, εινα,
εν - zart (zu δάκρυ) / 4 κατὰ...
χέουσα: Tmesis / 6 Aithra, die Tochter
des Pittheus und der Klymene / βοῶπις,
ιδος - kuhäugig, großäugig / 7 ὅτι
- wo
16 εἴδοντο = εἶδον
/ 17 ἦκα - still, wortlos / πτερόεις
- gefiedert, geflügelt (treffsicher) / 18 οὐ νέμεσις
<ἐστίν> - es gibt kein Verübeln,
dass die Troer; man kann es den Troern nicht verargen, dass sie... / 20
αἰνῶς - sehr / ἡ ὤψ, ὠπός
- Gesicht, Aussehen / 21 περ: beim Partizip: konzessiv
/ νεέσθω - sie soll heimkehren / 22 τεκέεσσι
- Dat. Pl. zu τὸ τέκος = τὸ
τέκνον
Aufgaben:
- Übersetzen Sie den griechischen Text (1-7; 16-22) vollständig!
- Zusätzliche Aufgaben
- Schreiben Sie die Vss. 16 und 17 ab, notieren Sie in der
Zeile darunter jeweils Längen und Kürzen und markieren
Sie die betonten Längen [und Cäsuren]!
- Charakterisieren Sie (unter Einbeziehung des mit
Übersetzung gebotenen Textes) das Verhältnis der
Ältesten und des Priamos zu Helena unter dem Aspekt der
Schuld oder Mitschuld Helenas am Krieg!
- Als Hektor (im 6. Buch) vom Schlachtfeld in die Stadt zurückkehrte,
begegnete er verschiedenen Personen(gruppen):
- Wie wurde Hektor in diesen Begegnungen charakterisiert?
- Welches Verhältnis seiner Mutter Hekabe zu Helena
konnte man erschließen?
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Lösungsangebote |
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Christina zu Aufg. B
2:
Die Meinung der Ältesten unterscheidet sich, was Helena anbetrifft,
von der des Priamos.
Obwohl sie deren Schönheit entsprechend würdigen, können
sie nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass der Krieg nur ihretwegen
geführt wird, und sie somit für all das Leid verantwortlich
gemacht werden kann. Deshalb wäre es ihnen recht, wenn Helena
heimkehrt und der Krieg ein Ende hat.
Priamos hingegen scheint Helena zu lieb gewonnen zu haben, um wie
die Ältesten die Meinung zu vertreten, sie sei schuldig am vergangenen
und zukünftigen Leid (Vs. 22). Er betont, dass die Schuld nicht
ihr, sondern den Göttern zufalle, und spricht sie damit sogar
von einer möglichen Teilschuld frei.
[Zu wenig wurde allgemein
beachtet, dass der Dichter Priamos in seiner Ansprache an Helena
bewusst Worte in den Mund legt, die auf vorausgehende Wendungen
anspielen. Durch ihre Umdeutung, wird sein Verhältnis zu Helena
mitcharakterisiert:
a) γλυκὺν ἵμερον
ἔμβαλε θυμῷ
ἀνδρός τε προτέρου,
2: Die aufkeimende Sehnsucht nach dem früheren Gatten wird
von Priamos umgedeutet in die Reminiszenz eines bloß interessierten,
aber distanzierten Sehens (ὄφρα ἴδῃ
πρότερόν τε
πόσιν, 25).
b) ἀλλὰ καὶ ὧς
τοίη περ ἐοῦσ'
ἐν νηυσὶ νεέσθω,
21. Dem Loslassen der Alten kontrastiert als Gegenbewegung das Herbeiholen
des Priamos, wenn er Helena auffordert, sich "neben ihn"
zu setzen (δεῦρο πάροιθ'
ἐλθοῦσα φίλον
τέκος ἵζευ ἐμεῖο,
24). |
- Miriam zu Aufg. B 3a: Die Mütter und sonstigen Verwandten
seiner Leute kommen ihm hoffnungsvoll entgegen, um zu erfahren,
was mit ihren Angehörigen los ist, und Hektor fordert sie
einfach auf zu beten. Seine Haltung ist nicht sehr einfühlsam,
aber sehr zielstrebig. Er hält sich nicht auf, sondern geht
zum Wesentlichen über.
Als er seiner Mutter begegnet, fügt er sich nicht als Sohn,
indem er z. B. den Wein ablehnt, sondern sagt auch ihr deutlich
als Heerführer, was sie zu tun hat. Er trennt Privat- und
Berufsleben scharf und denkt realistisch. Seine einzige Gefühlsregung
ist, als er sich wünscht, dass sein Bruder Paris tot wäre.
- Henning zu Aufg. B 3b: Aufgrund des Vergleichs mit dem von Paris
aus Sidon mitgebrachten Gewand, das als kostbarstes "zuunterst"
in der Schublade liegt, lässt sich erschließen, dass
Helena sehr wichtig für Hekabe ist. Sie scheint, wie das
Gewand, das letzte zu sein, das Hekabe herausgeben würde;
nur im äußersten Fall. So muss sie sich auch jetzt
dem Willen des Sohnes beugen, und es der Athene opfern; die lehnt
jedoch den billigen Ersatz ab.
Helena bedeutet also König Priamos und Königin Hekabe
sehr viel [...], so dass sie wahrscheinlich jetzt noch gar nicht
daran denken, Helena zurückzugeben, um den Krieg so zu beenden.
- Urs zu Aufg. B 3b: [...] Die Ältesten der Trojaner und
Priamos sehen und behandeln Helena nicht wie ein geraubtes Prunkstück
oder als untertänige Sklavin, sondern sie sehen Helena als
"liebenswürdiges" Kind (φίλον
τέκος, 24), als eine, die geachtet werden
muss. Sie lassen ihr ihre Freiheit und geben ihr Zuwendung (δεῦρο
πάροιθ' ἐλθοῦσα
φίλον τέκος,
24) [...].
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Sententiae excerptae: Griech. zu "Hom.Il"803
ὅς κε θεοῖς ἐπιπείθηται μάλα τ' ἔκλυον αὐτοῦ.
Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder.
Hom.Il.1,218
804
πάντων μὲν κρατέειν ἐθέλει, πάντεσσι δ' ἀνάσσειν
Allen will er gebieten im Heer, und alle beherrschen.
Hom.Il.1,288
897
ἀργαλέος γὰρ Ὀλύμπιος ἀντιφέρεσθαι.
schwer ist es, dem Olympier sich zu widersetzen.
Hom.Il.1,589
805
οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη· εἷς κοίρανος ἔστω.
Niemals frommt Vielherrschaft im Volk; nur einer sei Herrscher.Staatsmann
Hom.Il.2,204
806
ἀλλ’ ἔκ τοι ἐρέω, τὸ δὲ καὶ τετελεσμένον ἔσται.
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet!
Hom.Il.2,257
807
αἴθ' ὄφελες ἄγονός τ' ἔμεναι ἄγαμός τ' ἀπολέσθαι.
Wärest du nie doch geboren, das wünscht' ich dir, oder gestorben!
Hom.Il.3,40
808
οὔ τοι ἀπόβλητ' ἐστὶ θεῶν ἐρικυδέα δῶρα | ὅσσά κεν αὐτοὶ δῶσιν, ἑκὼν δ' οὐκ ἄν τις ἕλοιτο.
Unverwerflich ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben, | Welche sie selber verleihn, und nach Willkür keiner empfänget.
Hom.Il.3,65f.
811
τρεῖν μ' οὐκ ἐᾷ Παλλὰς Ἀθήνη.
Furcht wehret mir Pallas Athene. (Es lässt mich nicht zittern Athene.)
Hom.Il.5,256
812
αἰδομένων ἀνδρῶν πλέονες σόοι ἠὲ πέφανται.
Denn wo sich ehrt ein Volk, stehn mehrere Männer (sind mehr gerettet) als fallen.
Hom.Il.5,531.Hom.Il.15,563.
1
ἀνδρὶ δὲ κεκμηῶτι μένος μέγα οἶνος ἀέξει
dem ermüdeten Mann stählt der Wein die Kraft gar sehr
Hom.Il.6,261
34
νίκη δ' ἐπαμείβεται ἄνδρας
der Sieg wechselt unter den Männern
Hom.Il.6,339
93
Τὸν Κυπρίδος κεστόν
Den Gürtel der Aphrodite (der Schönheit verleiht) (cestum Veneris)
vgl.Hom.Il.14,214ff.
176
αὐτόματοι δ’ ἀγαθοὶ ἀγαθῶν ἐπὶ δαῖτας ἵενται.
von selbst (ohne Einladung) eilen die Tüchtigen zu der Tüchtigen Mahl.
Zenob2,19; Plat.Symp.174b; vgl.Hom.Il.2,438
Literatur: zu "Homer" und "Helena"2696
Lange, Klaus
Euripides und Homer. Untersuchungen zur Homernachwirkung in "Elektra", "Iphigenie im Taurerland", "Helena", "Orestes" und "Kyklops"
Stuttgart, Steiner 2002
3354
Schmitzer, U.
Die Bändigung der schönen Helena in Homers Odyssee
in: Gymn.110/2003, S.23-40
- /Grie/hom/HomIl135.php - Letzte Aktualisierung: 29.12.2020 - 15:40 |