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Platon, Politeia 336a - 340a


Was ist Gerechtigkeit?
Philosophische Dialektik und sophistische Eristik in der Auseinandersetzung (1)

 

 
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Was ist Gerechtigkeit?
Philosophische Dialektik und sophistische  Eristik in der Auseinandersetzung
Der Versuch des Sokrates, den Begriff der Gerechtigkeit im philosophischen Diskurs (These - Gegenthese; Vergewisserung der Zustimmung; Anerkennung des Mitdiskutanten als gleichberechtigten Kommunikationspartners) zu bestimmen, endete, wie so oft, in der Aporie. Zuletzt hatte Sokrates die These vertreten, dass Gerechtigkeit nicht darin bestehen kann, den Freunden zwar zu nützen, den Feinden aber zu schaden. Gerechtigkeit verbiete, überhaupt jemandem zu schaden. Dies bringt den Sophisten Thrasymachos (einer, der "mit harten Bandagen kämpft") auf die Palme. Er bringt sich in einer Weise ins Geschäft, die seinem Namen und seiner Gilde alle Ehre macht: 
(336a) Εἶεν, ἦν δ' ἐγώ· ἐπειδὴ δὲ οὐδὲ τοῦτο ἐφάνη ἡ δικαιοσύνη ὂν οὐδὲ τὸ δίκαιον, τί ἂν ἄλλο τις αὐτὸ φαίη εἶναι;
(336a) "Schön", sagte ich. "Da auch dies offenbar nicht die Gerechtigkeit noch das Gerechte ist, was sonst sollte man darunter verstehen?"
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(b) Καὶ ὁ Θρασύμαχος πολλάκις μὲν καὶ διαλεγομένων ἡμῶν μεταξὺ ὥρμα ἀντιλαμβάνεσθαι τοῦ λόγου, ἔπειτα ὑπὸ τῶν παρακαθημένων διεκωλύετο βουλομένων διακοῦσαι τὸν λόγον· ὡς δὲ διεπαυσάμεθα καὶ ἐγὼ ταῦτ' εἶπον, οὐκέτι ἡσυχίαν ἦγεν, ἀλλὰ συστρέψας ἑαυτὸν ὥσπερ θηρίον ἧκεν ἐφ' ἡμᾶς ὡς διαρπασόμενος.
(b) Thrasymachos hatte schon mehrmals dazu angesetzt, noch während wir mitten im Gespräch waren, das Wort an sich zu reißen, wurde aber damals von denen, die dabeisaßen und das Gespräch zu Ende hören wollten, daran gehindert. Nachdem wir jetzt aber am Ende waren und ich dies gesagt hatte, konnte er nicht mehr an sich halten, sondern duckte sich wie ein wildes Tier und stürzte sich auf uns, als wolle er uns zerreißen.
Καὶ ἐγώ τε καὶ ὁ Πολέμαρχος δείσαντες διεπτοήθημεν· ὁ δ' εἰς τὸ μέσον φθεγξάμενος, Τίς, ἔφη, ὑμᾶς πάλαι ( c) φλυαρία ἔχει, ὦ Σώκρατες; καὶ τί εὐηθίζεσθε πρὸς ἀλλήλους ὑποκατακλινόμενοι ὑμῖν αὐτοῖς; ἀλλ' εἴπερ ὡς ἀληθῶς βούλει εἰδέναι τὸ δίκαιον, ὅτι ἔστι, μὴ μόνον ἐρώτα μηδὲ φιλοτιμοῦ ἐλέγχων, ἐπειδάν τίς τι ἀποκρίνηται, ἐγνωκὼς τοῦτο, ὅτι ῥᾷον ἐρωτᾶν ἢ ἀποκρίνεσθαι, ἀλλὰ καὶ αὐτὸς ἀπόκριναι καὶ εἰπέ, τί φῂς εἶναι τὸ δίκαιον. καὶ ὅπως μοι (d) μὴ ἐρεῖς, ὅτι τὸ δέον ἐστὶν, μηδ' ὅτι τὸ ὠφέλιμον, μηδ' ὅτι τὸ λυσιτελοῦν, μηδ' ὅτι τὸ κερδαλέον, μηδ' ὅτι τὸ συμφέρον, ἀλλὰ σαφῶς μοι καὶ ἀκριβῶς λέγε, ὅτι ἂν λέγῃς· ὡς ἐγὼ οὐκ ἀποδέξομαι, ἐὰν ὕθλους τοιούτους λέγῃς.
Polemarchos und ich bekamen es mit der Angst und stoben entsetzt auseinander. Der aber platzte laut tönend mitten hinein: Was für ein Geschwätz von Anfang an! Und dieses einfältige Hin und Her! So nicht! Wenn du wirklich wissen willst, was Gerechtigkeit ist, dann frage nicht nur, um dann, was einer antwortet, mit allem Ehrgeiz zu zerpflücken, weil du genau weißt, dass es leichter ist zu fragen als zu antworten, sondern antworte auch selbst und sage, wovon du meinst, dass es das Gerechte ist. Und sage mir ja nicht, dass es das Pflichtgemäße sei, oder das Förderliche, oder das Nützliche, oder das Einträgliche, oder das Zuträgliche, sondern sage mir deutlich und genau, was du meinst! Ich werde es dir nämlich nicht abnehmen, wenn du derartiges Gewäsch redest.
Καὶ ἐγὼ ἀκούσας ἐξεπλάγην καὶ προσβλέπων αὐτὸν ἐφοβούμην, καί μοι δοκῶ, εἰ μὴ πρότερος ἑωράκη αὐτὸν ἢ ἐκεῖνος ἐμέ, ἄφωνος ἂν γενέσθαι. νῦν δὲ, ἡνίκα ὑπὸ τοῦ λόγου ἤρχετο ἐξαγριαίνεσθαι, προσέβλεψα (e) αὐτὸν πρότερος, ὥστε αὐτῷ οἷός τ' ἐγενόμην ἀποκρίνασθαι, καὶ εἶπον ὑποτρέμων· Ὦ Θρασύμαχε, μὴ χαλεπὸς ἡμῖν ἴσθι· εἰ γάρ τι ἐξαμαρτάνομεν ἐν τῇ τῶν λόγων σκέψει ἐγώ τε καὶ ὅδε, εὖ ἴσθι, ὅτι ἄκοντες ἁμαρτάνομεν. μὴ γὰρ δὴ οἴου, εἰ μὲν χρυσίον ἐζητοῦμεν, οὐκ ἄν ποτε ἡμᾶς ἑκόντας εἶναι ὑποκατακλίνεσθαι ἀλλήλοις ἐν τῇ ζητήσει καὶ διαφθείρειν τὴν εὕρεσιν αὐτοῦ, δικαιοσύνην δὲ ζητοῦντας, πρᾶγμα πολλῶν χρυσίων τιμιώτερον, ἔπειθ' οὕτως ἀνοήτως ὑπείκειν ἀλλήλοις καὶ οὐ σπουδάζειν, ὅτι μάλιστα φανῆναι αὐτό. οἴου γε σύ, ὦ φίλε. ἀλλ' οἶμαι οὐ δυνάμεθα· ἐλεεῖσθαι οὖν ἡμᾶς πολὺ μᾶλλον εἰκός ἐστίν (337a) που ὑπὸ ὑμῶν τῶν δεινῶν ἢ χαλεπαίνεσθαι.
Ich hörte es, erschrak und sah ihn unentwegt voller Furcht an. Ich glaube, wenn ich ihn nicht früher angesehen hätte als er mich, hätte es mir die Sprache verschlagen. So aber hatte ich ihn, als er unter dem Eindruck unseres Gesprächs wild zu werden begann, früher angesehen und schaffte es, ihm zu antworten; und ich sagte mit leichtem Zittern in der Stimme: "O Thrasymachos, sei uns nicht böse! Denn wenn wir bei der Prüfung unserer Standpunkte etwas falsch machen, so wisse, wir machen es unabsichtlich falsch. Denn glaube ja nicht, dass wir uns bei der Suche nach Gold nicht absichtlich voreinander verbeugten und so bei der Suche die Möglichkeit, etwas zu finden, verspielten, aber bei der Suche nach Gerechtigkeit, etwas, das vielfach wertvoller ist als Gold, so unvernünftig einander das Feld überließen und nicht alles dafür täten, dass es sich ganz deutlich zeige. Das kannst du mir glauben, mein Freund! Nein, ich glaube, wir vermögen es nicht! Ihr Fachleute müsst also viel eher Mitleid mit uns haben als auf uns böse sein.
336b ἀντιλαμβάνομαί τινος - ergreife etw. | συστρέφω ἑμαυτόν - ziehe mich zusammen, ducke mich | ἧκεν - Aor. zu ἵημι <ἑαυτόν> (ἑαυτόν steht apo koinou) | διαπτοέω - scheuche auseinander, verjage, schüchtere ein | (c) εὐηθίζομαι - benehme mich einfältig | ὑποκατακλίνομαί τινι - lagere mich unter jdm., verbeuge mich vor jdm., füge mich, gebe nach | φιλοτιμέομαι (+Part.) - setze meinen Ehrgeiz in etw., bemühe mich ehrgeizig etw. zu tun | ἐλέγχω - widerlege | τὸ δέον - das Notwendige, die Pflicht |  ὁ ὕθλος - leeres Geschwätz, Possen (von ὕει) | ἐξαγριαίνομαι - werde wild |  ὑποτρέμω - zittere heimlich, zittere ein wenig | ἑκόντας εἶναι - freiwillig, absichtlich (Infin. absol.) |

 

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(337a) Καὶ ὃς ἀκούσας ἀνεκάγχασέ τε μάλα σαρδάνιον καὶ εἶπεν· Ὦ Ἡράκλεις, ἔφη, αὕτη 'κείνη ἡ εἰωθυῖα εἰρωνεία Σωκράτους, καὶ ταῦτ' ἐγὼ ᾔδη τε καὶ τούτοις προύλεγον, ὅτι σὺ ἀποκρίνασθαι μὲν οὐκ ἐθελήσοις, εἰρωνεύσοιο δὲ καὶ πάντα μᾶλλον ποιήσοις ἢ ἀποκρινοῖο, εἴ τίς τί σε ἐρωτᾷ.
(337a) Der lachte auf diese Worte hin lauthals und recht höhnisch heraus und sagte: "Bei Herakles, da ist sie, jene für Sokrates typische Ironie; ich wusste es ja und hatte es denen da gleich gesagt, dass du nicht antworten wolltest, sondern ironisch würdest und alles andere eher machtest als zu antworten, wenn dich einer etwas fragt."
Σοφὸς γὰρ εἶ, ἦν δ' ἐγώ, ὦ Θρασύμαχε· εὖ οὖν ᾔδησθα, ὅτι, εἴ τινα ἔροιο, ὁπόσα ἐστὶν τὰ δώδεκα, καὶ ἐρόμενος (b) προείποις αὐτῷ - "Ὅπως μοι, ὦ ἄνθρωπε, μὴ ἐρεῖς, ὅτι ἔστιν τὰ δώδεκα δὶς ἓξ, μηδ' ὅτι τρὶς τέτταρα, μηδ' ὅτι ἑξάκις δύο, μηδ' ὅτι τετράκις τρία· ὡς οὐκ ἀποδέξομαί σου, ἐὰν τοιαῦτα φλυαρῇς" - δῆλον οἶμαί σοι ἦν, ὅτι οὐδεὶς ἀποκρινοῖτο τῷ οὕτως πυνθανομένῳ. ἀλλ' εἴ σοι εἶπεν· "Ὦ Θρασύμαχε, πῶς λέγεις; μὴ ἀποκρίνωμαι, ὧν προεῖπες, μηδέν; πότερον, ὦ θαυμάσιε, μηδ' εἰ τούτων τι τυγχάνει ὄν, ἀλλ' ἕτερον εἴπω τι τοῦ ἀληθοῦς; ἢ πῶς λέγεις;" (c) τί ἂν αὐτῷ εἶπες πρὸς ταῦτα;
"Du bist ja auch weise", sagte ich, "lieber Thrasymachos. Du wusstest also gut, dass jemand, wenn du ihn fragst, was zwölf ist, und im voraus ihm sagst 'Dass du mir, Mensch, ja nicht antwortest, die zwölf sei zweimal sechs, oder dreimal vier, oder sechsmal zwei, oder viermal drei; denn ich nehme dir das nicht ab, wenn du solch dummes Zeug daherredest' - es war dir offenbar klar, dass keiner einem, der so fragt, antworten würde. Aber wenn er dir gesagt hätte: 'Wie meist du das, Thrasymachos, soll ich nichts von dem zur Antwort geben, was du vorweg genannt hast?  Auch dann nicht, du Merkwürdiger, wenn zufällig etwas davon zutrifft? Soll ich etwas anderes als die Wahrheit sagen? Wie meinst du das?' (c) Was würdest du ihm darauf antworten?"
Εἶεν, ἔφη· ὡς δὴ ὅμοιον τοῦτο ἐκείνῳ.
"Nun gut", sagte er, "etwas, was dem ähnlich ist."
Οὐδέν γε κωλύει, ἦν δ' ἐγώ· εἰ δ' οὖν καὶ μὴ ἔστιν ὅμοιον, φαίνεται δὲ τῷ ἐρωτηθέντι τοιοῦτον, ἧττόν τι αὐτὸν οἴει ἀποκρινεῖσθαι τὸ φαινόμενον ἑαυτῷ, ἐάντε ἡμεῖς ἀπαγορεύωμεν ἐάντε μή;
"Das jedenfalls ist erlaubt!" sagte ich. "Wenn es nun nicht wirklich ähnlich ist, sondern dem, der gefragt wird, so erscheint: Wird er deines Erachtens, was ihm scheint, weniger zur Antwort geben, unabhängig davon, ob wir es ihm verbieten oder nicht?"
Ἄλλο τι οὖν, ἔφη, καὶ σὺ οὕτω ποιήσεις· ὧν ἐγὼ ἀπεῖπον, τούτων τι ἀποκρινῇ;
"Nicht wahr?" sagte er, "auch du willst es so machen: etwas von dem antworten, was ich ausgeschlossen habe."
Οὐκ ἂν θαυμάσαιμι, ἦν δ' ἐγώ· εἴ μοι σκεψαμένῳ οὕτω δόξειεν.
"Ich würde mich nicht wundern", sagte ich, "wenn  es mir bei meiner Prüfung so erschiene."
Τί οὖν, ἔφη, ἂν ἐγὼ δείξω ἑτέραν (d) ἀπόκρισιν παρὰ πάσας ταύτας περὶ δικαιοσύνης, βελτίω τούτων; τί ἀξιοῖς παθεῖν;
Wie nun," sagte er, "wenn ich eine Antwort zur Gerechtigkeit aufzeige, die  von allen bisherigen abweicht und ihnen überlegen ist? Wie wird es dir dann wohl ergehen?"
Τί ἄλλο, ἦν δ' ἐγώ, ἢ ὅπερ προσήκει πάσχειν τῷ μὴ εἰδότι; προσήκει δέ που μαθεῖν παρὰ τοῦ εἰδότος· καὶ ἐγὼ οὖν τοῦτο ἀξιῶ παθεῖν.
"Wie sonst," sagte ich, "als es dem Nichtwissenden ergehen muss. Er muss wohl von dem Wissenden lernen. Und so wird es wohl auch mir  ergehen."
Ἡδὺς γὰρ εἶ, ἔφη· ἀλλὰ πρὸς τῷ μαθεῖν καὶ ἀπότεισον ἀργύριον.
"Du bist ja niedlich!" sagte er. "Lernen kostet etwas; zahle also Geld!"
Οὐκοῦν ἐπειδάν μοι γένηται, εἶπον.
"Natürlich, wenn ich welches hätte", sagte ich.
Ἀλλ' ἔστιν, ἔφη ὁ Γλαύκων. ἀλλ' ἕνεκα ἀργυρίου, ὦ Θρασύμαχε, λέγε· πάντες γὰρ ἡμεῖς Σωκράτει εἰσοίσομεν.
"Du hast", sagte Glaukon, "Wenn es ums Geld geht, so rede nur, Thrasymachos! Denn wir alle werden Sokrates beisteuern."
Πάνυ γε οἶμαι, (e) ἦ δ' ὅς· ἵνα Σωκράτης τὸ εἰωθὸς διαπράξηται· αὐτὸς μὲν μὴ ἀποκρίνηται, ἄλλου δ' ἀποκρινομένου λαμβάνῃ λόγον καὶ ἐλέγχῃ.
"Das glaube ich ganz und gar", sagte er: "Damit Sokrates das Übliche tut: selbst nichts antwortet, wenn aber ein anderer etwas antwortet, seine Aussage hernimmt und widerlegt."
Πῶς γὰρ ἄν, ἔφην ἐγώ, ὦ βέλτιστε, τὶς ἀποκρίναιτο πρῶτον μὲν μὴ εἰδὼς μηδὲ φάσκων εἰδέναι, ἔπειτα, εἴ τι καὶ οἴεται, περὶ τούτων ἀπειρημένον αὐτῷ εἴη, ὅπως μηδὲν ἐρεῖ, ὧν ἡγεῖται, ὑπ' ἀνδρὸς οὐ φαύλου; ἀλλὰ σὲ δὴ μᾶλλον εἰκὸς λέγειν· σὺ γὰρ δὴ (338a) φῂς εἰδέναι καὶ ἔχειν εἰπεῖν. μὴ οὖν ἄλλως ποίει, ἀλλὰ ἐμοί τε χαρίζου ἀποκρινόμενος καὶ μὴ φθονήσῃς καὶ Γλαύκωνα τόνδε διδάξαι καὶ τοὺς ἄλλους.
"Wie sollte denn auch, "sagte ich, "mein Bester, jemand antworten, wenn er es zunächst nicht weiß und auch nicht zu wissen behauptet und wenn es ihm dann, selbst wenn er etwas zu wissen glaubt, von einem nicht schlechten Mann verboten ist, etwas von dem zu sagen, was er meint? Nein, dir steht es mehr an zu reden, denn du behauptest ja, etwas zu wissen und sagen zu können. Mache es also nicht anders, sondern tue mir den Gefallen zu antworten und gönne es uns, den Glaukon hier und die übrigen zu belehren!"
ἀνακαγχάζω - lache laut auf | σαρδάνιον - (Adv.) höhnisch, hämisch, bitter | εἰρωνεύομαι - verstelle mich, verspotte | παρὰ πάσας ταύτας - gemessen an allen übrigen; die alle übrigen übertrifft | τί ἀξιοῖς παθεῖν - was würde das für einen Eindruck auf dich machen? | μαθεῖν - Wortspiel mit παθεῖν (erinnert an das aischyleische πάθος - μάθος) |

 

Interpretationsvorschläge:
1. Stellen Sie aus dem Text die Begriffe zusammen, die am besten geeignet sind, die divergierenden Methodenansätze des Philosophen Sokrates und des Sophisten Thrasymachos miteinander zu kontrastieren.
Sokrates
Thrasymachos
  • (336b) διαλεγομένων ἡμῶν (Dialog, Dialektik: ruhiger und dauerhafter Vollzug unter Beteiligung mehrerer partnerschaftlicher Teilnehmer. Ziel: Konsens) 
    • βουλομένων διακοῦσαι
    • ἡσυχίαν ἄγειν
  • (336b) μεταξὺ ὥρμα ἀντιλαμβάνεσθαι τοῦ λόγου (punktueller, überfallartiger Versuch eines Einzelnen, das Ganze gewaltsam an sich zu reißen. Ziel und Folge: Dissens).
    • διεκωλύετο
    • συστρέψας ἑαυτὸν ὥσπερ θηρίον ἧκεν ἐφ' ἡμᾶς ὡς διαρπασόμενος.
    • δείσαντες διεπτοήθημεν
    • εἰς τὸ μέσον φθεγξάμενος
  • (336c) Der philosophische Diskurs erscheint dem Sophisten als φλυαρία, εὐηθίζεσθαι, ὑποκατακλίνεσθαι. (Welche positiven Merkmale des Diskurses werden mit diesen Begriffen kritisiert?)
    • φλυαρία (negativ: kein echtes Wissen; positiv: ἀπορία als Ziel und prinzipielle Offenheit: Verzicht auf abschließende Verifizierung.)
    • ἐλέγχων (negativ: das leichtere Verfahren, alles zu zerpflücken; positiv: ständiges Bemühen um die bessere Lösung: evolutionäre Verringerung des Nichtwissens)
    • ὑποκατακλίνεσθαι (negativ: Feigheit; positiv: Gegenseitige Anerkennung als gleichberechtigter Kommunikationspartner. Jede These hat Anspruch darauf, in die Prüfung einbezogen zu werden.)
  • (336c) Der philosophische Diskurs erscheint dem Sophisten als φλυαρία, εὐηθίζεσθαι, ὑποκατακλίνεσθαι. (Was vermeintlich Positives setzt der Sophist an die Stelle dieser Merkmale?)
    • εἴπερ ὡς ἀληθῶς βούλει εἰδέναι (Versprechen echten Wissens; Anspruch einer abschließende Verifizierung.)
    • ἐλέγχων (Ausgefeilter, abschließend ausgearbeiteter  Lehrvortrag, der deswegen nicht mehr auf verbessernde Kritik angewiesen ist, sondern nur beeindruckende Wirkung erstrebt (337d: τί ἀξιοῖς παθεῖν;)
    • ὑποκατακλίνεσθαι ("Niederschmettern" [καταβάλλειν] des Gegners statt Anerkennung und Toleranz)
  • Der Philosoph ist Lernender: διαλέγεσθαι ist eine Form zwischenmenschlicher Begegnung, in der der Mensch seine wesensgemäße Existenz verwirklicht. Das angemessene χάριν ἐκτίνειν  besteht allein im ἐπαινεῖν (338b): 
    • (337d Sokr. über sich) προσήκει δέ που μαθεῖν παρὰ τοῦ εἰδότος
    • (338b Thr. über Sokr.) αὐτὸν μὲν μὴ ἐθέλειν διδάσκειν, παρὰ δὲ τῶν ἄλλων περιιόντα μανθάνειν
    • (338b Sokr. über sich) μανθάνω παρὰ τῶν ἄλλων
  • Der Sophist ist Lehrender
    • (337d Thr. zu Sokr.) πρὸς τῷ μαθεῖν καὶ ἀπότεισον ἀργύριον (Lehren in Form des sophistischen Lehrvortrags (λέγειν, λόγος) ist eine berufsmäßige, also kostenpflichtige Dienstleistung)
  • 336d) καὶ ὅπως μοι μὴ ἐρεῖς ὅτι...:  Prinzipielle Offenheit des Diskurses für alle denkbaren Thesen mit Sachbezug (Gesprächstoleranz). Die Unhaltbarkeit einer These muss erst im Vollzug der ἔλεγξις erwiesen werden.  
  • (336d) καὶ ὅπως μοι μὴ ἐρεῖς ὅτι...:  Apriorische Ausgrenzung unliebsamer Antworten als bloßem "Gewäsch" (ἐὰν ὕθλους τοιούτους λέγῃς)
  • (336d) Absicht: Auffinden eines Ergebnisses, das auch die Zustimmung des Gesprächspartners findet:
    • (οὐκ) ἀποδέξομαι (336d; 337b)
    • (e) ἐν τῇ τῶν λόγων σκέψει
    • ζήτησις | εὕρεσις
    • δικαιοσύνην δὲ ζητοῦντας
    • (337c) εἴ μοι σκεψαμένῳ οὕτω δόξειεν.
    • Abstufungen: 
      • 1. Was wird gesagt?  (338c) 
      • 2. Wahrheits- prüfung: τοῦτο σκεπτέον εἰ ἀληθῆ λέγεις (338e; 339a); folgerichtiges Durchdenken:  συμβαίνει τῷ ὀρθῶς λογιζομένῳ (339a); σαφέστατά γε (340a).
      • 3. Zustimmung oder Ablehnung: (οὐκ) ἀποδέξομαι (336d; 337b), καὶ ἐγὼ ὁμολογῶ (339a), ὡμολόγηται, (339d); οἴου... ὡμολογῆσθαι (339e).
  • (336d) Absicht: Überrumpelung, Einschüchterung, höhnisches Verlachen, mundtot machen, belehren. Z.B.:
    • ἐξεπλάγην καὶ ... ἐφοβούμην
    • μοι δοκῶ... ἄφωνος ἂν γενέσθαι.
    • ἤρχετο ἐξαγριαίνεσθαι
    • (e) εἶπον ὑποτρέμων
    • (337a) ἀνεκάγχασέ μάλα σαρδάνιον
    • (338a) μὴ φθονήσῃς καὶ Γλαύκωνα τόνδε διδάξαι καὶ τοὺς ἄλλους
    • (338a) ἡγούμενος ἔχειν ἀπόκρισιν παγκάλην
  • Annäherung an die Wahrheit, Finden einer konsensfähigen These (Synthese):
    • (336e) σπουδάζειν ὅτι μάλιστα φανῆναι αὐτό
  • Ziel ist jedenfalls nicht die Wahrheit, eher der Beifall des Publikums dadurch dass der Redner rhetorischer Glanzlichter setzt und das Überraschende, Verblüffende herausstellt:
    • (337b) ἕτερον εἴπω τι τοῦ ἀληθοῦς; (unterstellt Sokrates dem Sophisten als Ansinnen)
    • δείξω ἑτέραν (337d) ἀπόκρισιν παρὰ πάσας ταύτας (stellt der Sophist selbst in Aussicht)
    • (338a) εἰπεῖν ἵν' εὐδοκιμήσειεν
  • Selbstverständnis und Anspruch: Der Philosoph handelt und spricht aus der Position dessen, der (noch) nicht weiß: Nichtwissen und unermüdliches Suchen
    • (338c) νῦν γὰρ οὔπω οἶδα
    • (336e) σπουδάζειν ὅτι μάλιστα φανῆναι αὐτό
    • (337d) ὅπερ προσήκει πάσχειν τῷ μὴ εἰδότι
    • (337e) μὴ εἰδὼς μηδὲ φάσκων εἰδέναι
    • (338b) Der Sophist abwertend über Sokrates: αὕτη δή, ἔφη, ἡ Σωκράτους σοφία
  • Selbstverständnis und Anspruch: Der Sophist handelt und spricht aus der Position dessen, der weiß: Kompetenz und Wissen:
    • (337a) ὑπὸ ὑμῶν τῶν δεινῶν
    • σοφὸς γὰρ εἶ
    • (337d) μαθεῖν παρὰ τοῦ εἰδότος
    • (337e) σὺ γὰρ δὴ (338α) φῂς εἰδέναι καὶ ἔχειν εἰπεῖν
    • (339a: Sokr. zu Thr.) σὺ... φῂς..., ἐγὼ δὲ ἀγνοῶ
    • (339e: Sokr. ironisch zu Thr.) ὦ σοφώτατε Θρασύμαχε

 

2. Informieren Sie sich über die Grundthesen des von Karl Popper begründeten "Kritischen Rationalismus" und überprüfen Sie, ob und inwiefern sie auf die Sokratische Methode passen!
[Vorgabe der zentralen Grundthese: Die Menschen handeln auf der Basis unvollkommenen Wissens; niemand ist im Besitz einer letzten Wahrheit.]

 

Sententiae excerptae:
Griech. zu "Platon" und "Staat"
Literatur:
zu "Platon" und "Staat"
802
Arends, J.E.M
Einheit der Polis. Eine Studie über Platons Staat
Leiden/New York (Brill) 1988; Mnemos.Suppl.106, Leiden (Brill) 1988
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zvab

1561
Ballauff, T.
Idee der Paideia.. zu Plat.Höhlengleichnis u.Parmenides Lehrged
Bonn 1949
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zvab

1008
Balzert, M.
Das 'Trojanische Pferd der Moral'. Die Gyges-Geschichte bei Platon und Cicero.
in: AU 39, 3/1996, 49-68
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zvab

1017
Demandt, A.
Der Idealstaat. Die politischen Theorien der Antike
Köln 1993
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zvab

2280
Hoffmann, Ernst
Platon
Zürich, Artemis 1950
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zvab

579
Meyerhöfer, H.
Platons Politeia - Ciceros De re publica. Versuch eines Vergleichs
in: Anr 33/4,1987,218
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zvab

4480
Neumann, Peter
Die Rezeption von Platons Atlantis in der 'Utopia' des Thomas Morus
GRIN Verlag , 1,2011
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2332
Pöhlmann, R.v.
Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, I/II; 3. Aufl., durchges. u. um einen Anhang verm. v. Fr. Oertel. I-II
München (Beck) 1912; 3/1925
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2333
Pöhlmann, R.v.
Salin, E. Zenons Politeia. Xenophons Kyrupädie. Theopompos' Meropis
in: Platon u.die griechische Utopie, München 1921
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zvab

4481
Schölderle, Thomas
Utopia und Utopie: Thomas Morus, die Geschichte der Utopie und die Kontroverse um ihren Begriff
Baden-Baden : Nomos, 1,2011
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2642
Unruh, Peter
Sokrates und die Pflicht zum Rechtsgehorsam, eine Analyse von Platons "Kriton"
Baden-Baden: Nomos (Studien zur Rechtsphilosophie und Rechtstheorie 26) 2000
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