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Als wenn du also
eine in zwei ungleiche Abschnitte geteilte Linie hättest, teile
wiederum jeden der beiden Abschnitten, sowohl den des sichtbaren
als auch des erkennbaren Bereiches, wieder nach demselben Verhältnis,
und du wirst zunächst nach Deutlichkeit und Undeutlichkeit
zueinander an dem einen Teilabschnitte Bilder haben. (510a) Ich
meine aber mit Bildern erstlich die Schatten, dann Spiegelungen
im Wasser und in allem, was dicht, glatt und reflektierend ist,
und in allem derartigen, wenn du es begreifst?
Wärst du denn nun auch bereit, fuhr ich fort,
einzuräumen, dass er auch nach Wahrheit und Unwahrheit zweigeteilt
ist, dass sich nämlich das Meinbare zu dem Erkennbaren so verhält
wie die Kopie zum Original?
(b) Ἔγωγ', ἔφη, καὶ
μάλα.
O ja, sagte er, sehr gerne.
Σκόπει δὴ αὖ καὶ τὴν τοῦ νοητοῦ τομήν, ᾗ τμητέον.
So prüfe denn auch, wie das Erkennbare zu
unterteilen ist!
Indem die Seele gezwungen wird, im einen Abschnitt
sich des damals Nachgeahmten als Bilder zu bedienen und von Voraussetzungen
aus nicht zum Prinzip weiterzugehen, sondern zu einem vorläufigen
Ende, im anderen Abschnitt aber - dem zum voraussetzungslosen
Prinzip - von einer Voraussetzung auszugehen und ohne diesbezügliche
Bilder nur mit Hilfe der Ideen selbst durch sie ihren methodischen
Weg zu nehmen.
Ταῦτ', ἔφη, ἃ λέγεις, οὐχ ἱκανῶς
ἔμαθον.
Was du damit meinst, habe ich
nicht recht verstanden.
Also noch einmal, erwiderte ich; du wirst es nach
folgener Vorklärung leichter verstehen: Du weißt ja wohl,
dass die, die sich mit Geometrie und Arithmetik und dergleichen
abgeben, den Begriff von Gerade und Ungerade, von Figuren und den
drei Arten von Winkeln und sonst dergleichen bei jedem Beweisverfahren
voraussetzen, als hätten sie über diese Begriffe ein Wissen,
während sie diese doch nur als Voraussetzungen aufstellen und
glauben, weder sich noch anderen davon Rechenschaft schuldig zu
sein, als seien sie allen klar. Von diesen Annahmen gehen sie aus,
führen dann das Weitere durch und kommen so endlich folgerrichtig
zu dem Ziel, auf dessen Erforschung sie ausgegangen waren.
Nicht wahr, auch dass sie sich der sichtbaren Dinge
bedienen und ihretwegen Untersuchungen anstellen, während sie
doch nicht über diese nachdenken, sondern über das, dem
diese gleichen? Nur dem Viereck selbst und seiner Diagonale selst
gilt ihre Untersuchung, nicht denen, die sie aufzeichnen, und so
in allem sonst. Selbst das, was sie bilden und zeichnen, wovon es
auch Schatten und Bilder im Wasser gibt, auch das gebrauchen sie
weiter nur als Bild und suchen dadurch zur Schau dessen zu gelangen,
(511a) was man nur mit dem Verstand schauen kann.
Das also meinte ich vorhin mit 'denkbarem Bereich'
und dass die Seele bei seiner Erforschung gezwungen sei, von Voraussetzungen
auszugehen, indem sie nicht zum Prinzip zurückgeht, weil sie
über ihre Voraussetzungen nicht hinausgehen kann, sondern dass
sie dabei die Bilder verwende, die von Dingen darunter abgebildet
werden und von ihnen im Vergleich zu jenen als deutlich bewertet
und geschätzt werden.
So begreife also auch, dass ich unter dem anderen
Abschnitt des Denkbaren das verstehe, was die Vernunft durch die
Macht der Dialektik erfasst, wobei sie ihre Voraussetzungen nicht
als Prinzipien ausgibt, sondern als wirkliche Voraussetzungen, gleichsam
nur als Eintritts- und Anlaufpunkte, damit sie zu dem voraussetzungslosen
Prinzip des Ganzen gelangt, und wenn sie es erfasst hat, an alles
sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, zum Ende herabsteige,
ohne das sinnlich Wahrnehmbare dabei zu verwenden, sondern nur die
Ideen selbst durch und für sich und mit Ideen auch abschließe.
Ganz verstehe ich das nicht,
sagte er, denn du scheinst da eine gewaltige Aufgabe vorzutragen.
Aber soviel verstehe ich doch, du willst feststellen, dass die Sicht
der auf das Seiende und Gedachte gerichtete Wissenschaft der Dialektik
sicherer und deutlicher ist als die der sogenannten Einzelwissenschaften,
für die die Voraussetzungen zugleich Prinzip sind und deren
Vertreter ihren Gegenstand zwar mit dem Verstand betrachten müssen,
aber nicht mit den Sinnen; weil sie aber nicht vom Prinzip her forschen,
sondern von Voraussetzungen aus, scheinen sie dir dabei keine Vernunft
zu haben, obwohl auch dies vom Prinzip her einsehbar wäre.
Verstandes- aber, und nicht Vernunftätigkeit scheinst du mir
das Verfahren der Geometrie und der ihr verwandten Wissenschaften
zu nennen, da du sie für etwas Mittleres hältst zwischen
bloßer Meinung und Vernunft.
Das hast du durchaus richtig
aufgefasst, sprach ich. Und so lass denn jenen vier Abschnitten
auch vier Seelenzustände entsprechen, Vernunfttätigkeit
dem obersten, Verstandestätigkeit dem zweiten, dem dritten
aber weise den Glauben und dem vierten die bildliche Erkenntnis
zu, und ordne sie nach dem Verhältnis, dass du ihnen denjenigen
Grad von Deutlichkeit beimisst, der dem Anteil entspricht, den ihre
Objekte an der Wahrheit haben.
Μανθάνω, ἔφη, καὶ συγχωρῶ καὶ τάττω, ὡς λέγεις.
Ich verstehe, sagte er, und räume es ein und
ordne sie wie du sagst.
Es wird empfohlen, mit doppelsprachigem Text oder Übersetzung
zu arbeiten.
Das Liniengleichnis versucht, in rationaler Begrifflichkeit zu
fassen, was im Sonnengleichnis in bildhafter Analogie sichtbar wurde.
Die Anschauung ist auf die Linie reduziert, die Proportion ist nicht
Bild, sondern wesenhafte Struktur im Bereich des Seins und Erkennens.
Daher die hohe Anforderung des Textes.
Die Zuordnung der einzelnen Linienabschnitte wird in Anlehnung
an das Sonnengleichnis gelingen. Schwieriger ist die Beschreibung
der Methoden zu verstehen, die im noetischen Bereich unterschieden
werden und jeweils zwei Bereiche übergreifen:
Die Methode der Fachwissenschaften: Sie gehen induktiv vom Erfahrungsbereich
(τὰ ὁρώμενα εἴδη, 510d5) aus. Die allgemeinen Aussagen und Gesetzmäßigkeiten
aber, die sie über die Wirklichkeit aufstellen, beanspruchen
ideale Gültigkeit, gelten also für das Ding an sich.
Den konkreten Dingen kommt dabei in ihrer Vielzahl und Beliebigkeit
nur mehr die Bedeutung annähernder Beispiele, von Abbildungen
des einen idealen Gegenstandes zu. Der Verweis auf den Unterschied
zwischen dem jeweils gezeichneten und dem einen nur in Gedanken
existierenden Viereck leuchtet ein. Wir erinnern uns auch an das
Verhältnis von Real- und Idealstaat.
Bei dieser Forschungsweise unterziehen nun die Fachwissenschaftler
ihre vorausgesetzten Grundlagen (ὑποθέσεις) keiner weiteren Prüfung
mehr; bei diesen unmittelbar einleuchtenden (evidenten) Axiomen
(Beispiele werden 510c4 genannt) endet die Aufgabe der Einzelwissenschaften
(τελευτή, 510b6); sie dringen nicht zu einem voraussetzungslosen
Anfang (ἀρχή, 510b7 u.ö.) vor.
Gerade dies ist die Aufgabe der Philosophie (als Wissenschaftstheorie)
und ihrer dialektischen Methode (ἡ τοῦ διαλέγεσθαι δύναμις, 511b4).
Sie steigt von den ὑποθέσεις als wirklichem Ausgangspunkt auf
und gelangt auf rein begrifflichem Weg (Dihairesis des inneren
Zusammenhangs der Ideen?), also ohne empirische Beobachtungen
zur Erkenntnis einer letzten, ihrerseits voraussetzungslosen Ur-Sache
(ἡ τοῦ παντὸς ἀρχή, 511b7), die wir im Sonnengleichnis bereits
als Idee des Guten kennen lernten.
Die Umkehrung der Methode, also die Anwendung der höchsten
Einsicht auf das Denken insgesamt, ist dabei ebenso erforderlich
wie die Anwendung mathematischer Sätze oder überhaupt
wissenschaftlicher Ergebnisse auf die Wirklichkeit des Alltagslebens.
Anmerkungen:
Ursprünglich veröffentlicht in: Beiträge zum Griechischunterricht 4,
Bad Kreuznach (ALK) 1983, S. 74f.