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Cicero: Tusculanae Disputationes

Cicero: Gespräche in Tusculum

Cic.Tusc.5,15-17

Reicht die Tugend zur Glückseligkeit aus?

 
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Zum Thema:M.Pohlenz, Die Stoa, S.121: "Auch die Eudämonie ist ein Gut, das der Mensch sich durch sittliche Leistung ... erarbeitet. ... sowenig kann die Eudämonie durch widrige äußere Lebensumstände beeinträchtigt werden. Das Sittlichgute ist nicht nur das höchste, sondern das einzige Gut. Dann muss es auch imstande sein, allein die Eudämonie zu sichern. Die Tugend ist 'autark'"

Cicero: Tusculanae Disputationes

Cic.Tusc.5,15-17

Reicht die Tugend zur Glückseligkeit aus?

 

Cicero: Gespräche in Tusculum

Cic.Tusc.5,15-17

Reicht die Tugend zur Glückseligkeit aus?

15,1
- Facile patior te isto modo agere, etsi iniquum est praescribere mihi te, quem ad modum a me disputari velis. Sed quaero, utrum aliquid actum superioribus diebus an nihil arbitremur. - Actum vero, et aliquantum quidem.M. Meinetwegen magst du so verfahren, obgleich es unbillig ist, mir den Gang der Unterredung vorschreiben zu wollen. Aber ich frage, dürfen wir annehmen, in den vorangegangenen Tagen etwas ausgerichtet zu haben oder nicht? A. Ja, und zwar nicht weniges.
15,2
- Atqui, si ita est, profligata iam haec et paene ad exitum adducta quaestio est. - Quo tandem modo?M. Nun, wenn es so ist, so ist der aufgestellte Satz schon niedergeschlagen, und die Frage beinahe ganz entschieden. A. Wieso das?
15,3
- Quia motus turbulenti iactationesque animorum incitatae et impetu inconsiderato elatae rationem omnem repellentes vitae beatae nullam partem relinquunt.M. Weil wirre Gemütsregungen und das durch Triebe aufgereizte, ungestüme Umherwerfen der Seele, wobei keine Überlegung stattfindet, da sie alle Vernunft zurückstoßen, dem seligen Leben keinen Spielraum lassen.
15,4
Quis enim potest mortem aut dolorem metuens, quorum alterum saepe adest, alterum semper impendet, esse non miser?Denn wie kann man, wenn man Tod oder Schmerz fürchtet, wovon das eine oft da ist, dass andere immer hereinzubrechen droht, nicht unglücklich sein?
15,5
Quid, si idem, quod plerumque fit paupertatem ignominiam infamiam timet, si debilitatem caecitatem, si denique, quod non modo singulis homininibus, sed potentibus populis saepe contigit, servitutem? potest ea timens esse quisquam beatus?Und wenn nun derselbe, wie sehr oft, auch Armut, Beschimpfung, üblen Ruf, körperliche Schwäche, Blindheit fürchtet; wenn schließlich, was nicht nur einzelnen Menschen, sondern mächtigen Völkern oft begegnet, Sklaverei: kann einer mit solcher Furcht glücklich sein?
16,1
Quid, qui non modo ea futura timet, verum etiam fert sustinetque praesentia—adde eodem exilia luctus orbitates: qui rebus his fractus aegritudine eliditur, potest tandem esse non miserrimus?Und wie? Wenn man dies nicht nur für die Zukunft fürchtet, sondern es in der Gegenwart ertragen und dulden muss? Füge Verbannung, Betrübnis, Verlust der Kinder hinzu: wer hierdurch überwältigt von Kummer erdrückt wird, muss der nicht ganz unglücklich sein?
16,2
Quid vero? illum, quem libidinibus inflammatum et furentem videmus, omnia rabide adpetentem cum inexplebili cupiditate, quoque affluentius voluptates undique hauriat, eo gravius ardentiusque sitientem, nonne recte miserrimum dixeris?Ferner der, den wir von Lust entflammt und wie rasend sehen, der alles gierig begehrt mit unersättlichem Trieb und, in je größerer Fülle er die Lust von allen Seiten schöpft, desto heftiger und brennender dürstet, – soll man den nicht mit Recht ganz unglücklich nennen?
16,3
quid? elatus ille levitate inanique laetitia exultans et temere gestiens nonne tanto miserior, quanto sibi videtur beatior?Wie? Wer von Leichtsinn hingerissen ist, vor eitler Freude jauchzt und grundlos herumhampelt, ist der nicht desto unglücklicher, je glückseliger er sich erscheint?
16,4
Ergo ut hi miseri, sic contra illi beati, quos nulli metus terrent, nullae aegritudines exedunt, nullae libidines incitant, nullae futtiles laetitiae exultantes languidis liquefaciunt voluptatibus.Also, wie diese elend, so sind dagegen jene glückselig, die keinerlei Furcht schreckt, kein Kummer zerfrisst, keine Lust aufwühlt, keine eitlen Freuden im üppigen Genuss erschlaffender Lüste hinschmelzen lassen.
16,5
Ut maris igitur tranquillitas intellegitur nulla ne minima quidem aura fluctus commovente, sic animi quietus et placatus status cernitur, cum perturbatio nulla est, qua moveri queat.Wie man nun die Meeresstille daran erkennt, dass kein, auch nicht der geringste, Luftzug die Wellen bewegt, so zeigt sich die ruhige und besänftigte Seele, wenn keine Leidenschaft da ist, durch die sie aufgeregt werden könnte.
17,1
Quodsi est, qui vim fortunae, qui omnia humana, quae cuique accidere possunt, tolerabilia ducat, ex quo nec timor eum nec angor attingat, idemque si nihil concupiscat, nulla ecferatur animi inani voluptate, quid est cur is non beatus sit?Demnach, wer die Macht des Schicksals, wer jedes mögliche menschliche Geschick für erträglich hält, so dass ihn weder Furcht noch Angst erreicht; wer überdies frei von Begierden ist und durch keine eitle Lust hingerissen wird: warum sollte der nicht glückselig sein?
17,2
et si haec virtute efficiuntur, quid est cur virtus ipsa per se non efficiat beatos?Und wenn dies von der Tugend bewirkt wird, warum sollte nicht die Tugend allein durch sich selbst glückselig machen?
17,3
— Atqui alterum dici non potest, quin i, qui nihil metuant, nihil angantur, nihil concupiscant, nulla impotenti laetitia ecferantur, beati sint, itaque id tibi concedo.A. Freilich das eine lässt sich nicht sagen, dass diejenigen, die nichts fürchten, sich über nichts ängstigen, von keiner übermächtigen Fröhlichkeit hingerissen werden, nicht glückselig seien; daher gebe ich dir dies zu.
17,4
Alterum autem iam integrum non est; superioribus enim disputationibus effectum est vacare omni animi perturbatione sapientem.Das andere aber ist nicht mehr unentschieden: denn die früheren Unterredungen zeigten, dass der Weise frei ist von aller Leidenschaft. –
     
Aufgabenvorschläge:
  1. Gegen welche Herausforderung haben sich Tugend und Glückseligkeit (εὐδαιμονία) zu erwehren? Wie ist ihnen im einzelnen zu begegnen?
  2. Zeigen Sie dass es sich bei der "tranquillitas (animi)" um einen zentralen Begriff der Argumentation handelt!
  3. Überprüfen Sie in einem philosophischen Wörterbuch, ob es sich bei dem griechischen Äquivalent γαλήνη (galene) um einen philosophischen Fachbegriff handelt!
  4. Mit welchen einzelnen Schlussfolgerungen nötigt Cicero seinem Zuhörer (A = auditor) das Zugeständnis ab, dass die Tugend autark (αὐτάρκης, αὐτάρκεια) ist, d.h. dass sie ausreicht, jemanden glückselig werden zu lassen?
  5. Leisten dann äußere "Werte" wie Ehre, Reichtum, Erfolg, keinen Beitrag zur Glückseligkeit des Menschen? - Was ist damit gemeint, dass sie für den Stoiker ἀδιάφορα (indifferent) sind?
Übersetzung von F.H.Kern, bearbeitet von E. Gottwein
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Sententiae excerptae:
Lat. zu "Cic" und "Tusc"
91
gloria virtutem tamquam umbra sequitur
der Ruhm folgt der Leistung wie ihr Schatten
Cic.Tusc.1,109

2034
Sitne igitur malum dolere necne, Stoici viderint.
Ob der Schmerz ein Übel ist oder nicht, mögen die Stoiker zusehen.
Cic.Tusc.2,42,3

2035
Appellata est enim ex viro virtus.
"Virtus" kommt nämlich von "vir" (Mann).
Cic.Tusc.2,43,3

2036
Viri autem propria maxime est fortitudo, cuius munera duo sunt maxima, mortis dolorisque contemptio.
Die Haupteigenschaft des Mannes aber ist die Tapferkeit, die beide Hauptrichtungen in sich begreift: Verachtung des Todes und Verachtung des Schmerzes.
Cic.Tusc.2,43,4

2037
Contemno magnitudinem doloris, a qua me brevitas temporis vindicabit ante paene, quam venerit (Epikur).
Ich verachte die Heftigkeit des Schmerzes, von der mich die Kürze der Zeit erretten wird, beinahe noch bevor er gekommen ist.
Cic.Tusc.2,44,3

2038
saepe enim videmus fractos pudore, qui ratione nulla vincerentur.
Denn oft sehen wir durch Scham überwältigt, wer durch keinen Vernunftgrund besiegt werden konnte.
Cic.Tusc.2,48,3

2039
Ferendi doloris consuetudo est non contemnenda magistra.
Im Verachten des Schmerzes ist die Gewöhnung eine nicht zu verachtende Lehrmeisterin.
Cic.Tusc.2,49,4

2023
Omninoque, quae crescentia perniciosa sunt, eadem sunt vitiosa nascentia.
Grundsätzlich ist, was in seinem Wachstum verderblich ist, auch in seiner Entstehung fehlerhaft.
Cic.Tusc.3,41,3

2024
qui vitiis modum apponit, is partem suscipit vitiorum
Wer Fehlern ein Maß setzt, ergreift Partei für die Fehler
Cic.Tusc.4,42,4

2025
iracundiam cotem fortitudinis esse dicunt
Zorn sei der Schleifstein der Tapferkeit, sagen sie
Cic.Tusc.4,43,2

2026
est enim ira ulciscendi libido
Zorn ist Lust, sich zu rächen
Cic.Tusc.4,44,1

2027
ubi quicquid est, quod disci potest, eo veniendum.
wo etwas zu lernen ist, dahin muss man kommen
Cic.Tusc.4,44,5

2028
aegritudo ut taetra et inmanis belua fugienda
den Kummer muss man wie ein hässliches, abscheuliches Ungeheuer fliehen
Cic.Tusc.4,45,1

2029
Impunitas peccatorum data videtur eis, qui ignominiam et infamiam ferunt sine dolore; morderi est melius conscientia.
Die scheinen für ihre Verfehlungen straffrei zu bleiben, die unter Schmach und Entehrung nicht leiden. Besser sind Gewissensbisse.
Cic.Tusc.4,45,2

1436
Clavus clavo eicitur. (ἧλον τῷ ἥλῳ καὶ πάτταλον ἐξέκρουσας πατάλῳ· ἀντὶ τοῦ ἁμαρτήματι τὸ ἁμάρτημα θεραπεύεις, Diog.5,16)
Ein Keil treibt den anderen heraus. (Bös muss Bös vertreiben).
Cic.Tusc.4,75

30
aut bibat aut abeat (ἢ πῖθι ἢ ἄπιθι)
sauf oder lauf!
Cic.Tusc.5,118

1038
Sisyphi saxum versare.
Den Stein des Sisyphos wälzen. (Sich vergeblich abmühen.)
nach Cic.Tusc.1,5,10


Literatur:
zu "Cic" und "Tusc"
4594
Baltes, M.
Die Todesproblematik in der griechischen Philosophie.
in: Gymnasium 95, 2/1988, 97-128

534
Barigazzi, A.
Sulle fonte del libro primo delle Tusculane de Cicerone
in: RFIC 76/1984,181-203

1534
Barigazzi, A.
Sulle fonte del libro primo delle Tusculane de Cicerone
in: RFIC 76/1984,181-203

683
Büchner, K.
Cicero. Bestand und Wandel seiner geistigen Welt
Heidelberg (Winter) 1964

698
Cicero, M.T. / Kasten
An seine Freunde. (Text, Übersetzung) v.H.Kasten
Darmstadt (WBG, Tusc) 1989

699
Cicero, M.T. / Kasten
Atticus-Briefe. (Text, Übersetzung v.H.Kasten)
Darmstadt (WBG, Tusc) 1990

703
Cicero, M.T. / Kühner, R.
Cicero's Tusculanen. Übs. und erklärt von Raphael Kühner.
Stuttgart, Krais & Hoffmann 2/1866

707
Cicero, M.T. / Kühner, R.
Tusculanarum disputationum libri quinque. Ex Orellii recensione edidit et illustravit Raphael Kühner. Editio altera auctior et emendatior.
Jena, Frommann, 1829; 1835

4584
Cicero, M.T. / O. Weissenfels
Auswahl aus Ciceros Philosophischen Schriften, hgg. v. Oskar Weissenfels. 3. Aufl. besorgt v. Paul Wessner
Leipzig, Berlin (Teubner) 1910

496
Gelzer, M.
Cicero. Ein biographischer Versuch
Wiebaden (Steiner) 1969

500
Giebel, M.
Cicero
Reinbek (rm 261) 1989

518
Harder, R.
Proömium von Ciceros Tusculanen (Die Antithese Rom-Griechenland)
in: Kl.Schrft., München (Beck) 1960

4595
Hermann, C.
Affektbeherrschung als Weg zum Glück. Cicero, Tusculanae disputationes V 15/16.
in: AU 37, 6/1994, 64-70.

532
Hommel, H.
Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie, Tusculanen V 5
Heidelberg (Winter) 1968

4596
Hross, K.
Unsterblichkeit der Seele, Lukr.3 – Cic. Tusc.1
in: Anr. 13/1967, 389

4590
Ioannes ab Arnim (Hg.)
Stoicorum veterum fragmenta, collegit Ioannes ab Arnim. Volumen III: Chrysippi fragmenta moralia, fragmenta succcessorum Chrysippi
Stuttgart, Teubner1979

544
Klingner, F.
Cicero
in: Röm.Geisteswelt, München 1965

561
Kurfeß, A.
Adnotationes criticae ad Ciceronis Tusculanas disputationes
in: Gymn 62/1955,50

4589
Long, A.A. / Sedley, D.N.
Die hellenistischen Philosophen, Texte und Kommentare (nur deutsch), übers. v. Karlheinz Hülser
Stuttgart, Weimar (J.B.Metzler) 2000 (Cambridge 1987)

593
Plasberg, O.
Cicero in seinen Werken und Briefen
Darmstadt (WBG) 1962

4593
Pohlenz, M.
M. Ciceronis Tusculanarum disputationum libti quinque (Heft I/II)
Amsterdam (Hakkert) 1965/1957

622
Schmid, W.
Ein Tag und der Aion. ..zu Ciceros Doxologie der Philos.(Tusc.5,5)
in: Maurach: Philos. (WBG, WdF 193) 1976

4597
Schmid, W.
Ein Tag und der Aion... Zu Ciceros Doxologie der Philos. (Tusc.5,5)
in: Maurach. Philos., Darmstadt (WBG, WdF 193) 1976

638
Seel, O.
Cicero. Wort, Staat, Welt
Stuttgart (Klett) 1967

4585
Süss, Wilhelm
Cicero. Eine Einführung in seine philosophischen Schriften (mit Ausschluss der staatsphilosophischen Werke)
Wiesbaden (Franz Steiner) 1966


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