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Lucius Annaeus Seneca

DIVI CLAVDII ΑΠΟΚΟΛΟΚΥΝΤΩΣIΣ
Apocolocyntosis
Die Verkürbissung des göttlichen Claudius

 

 
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Deutsche Übersetzung nach G.H.Moser bearbeitet von E. Gottwein
zu "Seneca" und "Moser"
4620
Seneca / Moser
Lucius Annäus Seneca des Philosophen Werke, 1. Bändchen. Abhandlungen, übersetzt von J. Moser Bändchen I,II: Über den Zorn. Trostschrift an seine Mutter Helvia. Bändchen III: Trostschrift an Polybius. Trostschriftan Marcia. Von cder göttlichen Vorsehung. Bändchen IV: Von der Gemüthsruhe. Von der Unerschütterlichkeit des Weisen. Von der Muße des Weisen. Von der Gnade. Bändchen V,VI,VII,VIII: Von der Kürze des Lebens. Vom seligen Leben. Von den Wohltaten. Epigramme aus der Verbannung. Spottschrift über den Tod des Kaisers Claudius. Bändchen IX,X.XI: Naturbetrachtungen.
Stuttgart (Metzler) 1828
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(1,1) Quid actum sit in caelo ante diem III idus Octobris anno novo, initio saeculi felicissimi, volo memoriae tradere. nihil nec offensae nec gratiae dabitur. haec ita vera. si quis quaesiverit, unde sciam, primum, si noluero, non respondebo. quis coacturus est? ego scio me liberum factum, ex quo suum diem obiit ille, qui verum proverbium fecerat, aut regem aut fatuum nasci oportere. (1,2) si libuerit respondere, dicam, quod mihi in buccam venerit. quis umquam ab historico iuratores exegit? tamen si necesse fuerit auctorem producere, quaerito ab eo, qui Drusillam euntem in caelum vidit: idem Claudium vidisse se dicet iter facientem "non passibus aequis". velit nolit, necesse est illi omnia videre, quae in caelo aguntur: Appiae viae curator est, qua scis et divum Augustum et Tiberium Caesarem ad deos isse. (1,3) hunc si interrogaveris, soli narrabit: coram pluribus numquam verbum faciet. nam ex quo in senatu iuravit se Drusillam vidisse caelum ascendentem et illi pro tam bono nuntio nemo credidit, quod viderit, verbis conceptis affirmavit se non indicaturum etiam si in medio foro hominem occisum vidisset. ab hoc ego, quae tum audivi, certa clara affero, ita illum salvum et felicem habeam.
Was am 13. Oktober (54 n.Chr., unter dem Konsulat des Asinius Marcellus und Acilius Aviola) in dem neuen Kaiserjahr beim Beginn eines höchst glücklichen Zeitalters im Himmel vorgefallen ist, will ich der Nachwelt überliefern. Ich werde dabei weder meine Empfindlichkeit noch meine Dankbarkeit ins Spiel kommen lassen. Fragt man, woher ich denn die Sache so bestimmt weiß, so werde ich fürs erste, wenn mir's nicht beliebt, keine Antwort geben. Wer will mich zwingen? Ich weiß nun einmal, dass ich ein freier Mann geworden bin, seitdem derjenige aus der Welt ist, an dem sich das Sprichwort bewährt hatte: man müsse [wenn einem nämlich alles erlaubt sein soll] entweder als König oder als Narr geboren sein. Beliebt mir's aber, eine Antwort zu geben, so kann ich ja sagen, was mir in den Mund kommt. Wo hätte man je von einem Geschichtsschreiber geschworene Zeugen gefordert? Doch wenn es sein muss, dass ich einen Gewährsmann anführe, so fragt den, der die Drusilla hat in den Himmel fahren sehen. Der selbe wird auch sagen, er habe Claudius diese Reise machen sehen, und zwar mit ungleichen Schritten. - Dieser Mann, er mag wollen oder nicht muss nun eben einmal durchaus alles sehen, was im Himmel vorgeht. Er ist Aufseher über die Appische Straße, und man weiß ja, dass auf derselben auch der vergöttlichte Augustus und der Kaiser Tiberius zu den Göttern gegangen sind. Fragst du nun jenen Mann, so wird er unter vier Augen mit seinen Erzählungen vor dir auskramen; wenn mehrere Personen dabei sind, wird er nie ein Wort hören lassen. Denn seitdem er im Senat geschworen hat, er habe die Drusilla in den Himmel steigen sehen, und ihm zum Dank für die herrliche Nachricht keine Seele glaubte, was er gesehen hatte, hat er's förmlich verflucht: er werde keine Anzeige machen, selbst wenn er sähe, dass man mitten auf dem Forum einen Menschen umbringe. Von ihm also führe ich alles, was ich damals gehört habe, als zuverlässig und offenbar an, so wahr ich ihm Heil und Segen wünsche.
(2,1) iam Phoebus breviore via contraxerat arcum
lucis et obscuri crescebant tempora Somni,
iamque suum victrix augebat Cynthia regnum,
et deformis Hiems gratos carpebat honores
divitis Autumni iussoque senescere Baccho
carpebat raras serus vindemitor uvas.
Schon auf kürzerer Bahn zog Phoebus jetzo des Lichtes
Aufgang; sieh', es wuchsen die Hörner des finsteren Schlafgotts,
Schon vergrößerte Cynthias [Lunas] Reich sich, Siege gewinnend,
Und der hässliche Winter entzog des fruchtbaren Herbstes
Lieblichen Schmuck, und es pflückte beim nahenden Alter des Weingotts
Einzelne Trauben bloß der spät einsammelnde Winzer.
(2,2) puto magis intellegi si dixero: mensis erat October, dies III idus Octobris. horam non possum certam tibi dicere (facilius inter philosophos quam inter horologia conveniet) tamen inter sextam et septimam erat. (2,3) "nimis rustice!", inquies, "cum omnes poetae, non contenti ortus et occasus describere, ut etiam medium diem inquietent, tu sic transibis horam tam bonam?"
Ich denke, man versteht mich besser, wenn ich (einfach) sage: es war Oktober, der 13. Oktober. Die Stunde kann ich dir nicht bestimmt angeben. Eher werden noch die Philosophen übereinstimmen als die Uhren. Doch zwischen sechs und sieben Uhr war es. - "Das ist aber doch zu grob!", wird man mir sagen: "Obwohl alle Dichter sich so wenig damit bescheiden, die Morgen- und Abendzeiten zu schildern, dass sie sich auch noch mit der Mitte der Tageszeit herumplagen, willst du über eine so gesegnete Stunde nur so hinweggehen?"
(2,4) iam medium curru Phoebus diviserat orbem
et propior Nocti fessas quatiebat habenas
obliquo flexam deducens tramite lucem:
Schon war über die Mitte der Kreisbahn Phoebus geschritten,
und schon schüttelt' er, näher der Nacht, die müdere Zügel,
Seitwärts sendend auf schieferem Pfad die gebrochenen Strahlen,
Claudius animam agere coepit nec invenire exitum poterat.
Claudius fühlte soeben Beklemmungen und es wollte mit seinem Atem nicht recht fort.
(3,1) tum Mercurius, qui semper ingenio eius delectatus esset, unam e tribus Parcis seducit et ait: "quid, femina crudelissima, hominem miserum torqueri pateris? nec umquam tam diu cruciatus cesset? annus sexagesimus et quartus est, ex quo cum anima luctatur. (3,2) quid huic et rei publicae invides? patere mathematicos aliquando verum dicere, qui illum, ex quo princeps factus est, omnibus annis omnibus mensibus efferunt. et tamen non est mirum, si errant et horam eius nemo novit: nemo enim umquam illum natum putavit. fac, quod faciendum est:
Da nahm Mercurius, der an des Mannes Talent immer sein Wohlgefallen gehabt hatte, eine von den drei Parzen auf die Seite und sprach: "Wie magst du doch, grausames Weib, den armen Mann so leiden lassen? Nie hätte er so lange geplagt werden sollen! Es sind jetzt schon vier und sechzig Jahre, dass er mit etwas zu kämpfen hat, was doch nur Luft ist. Warum bist du ihm und dem Staat so gram? Lass doch endlich einmal eintreffen, was die Astrologen sagen, die ihn, seitdem er den Thron bestiegen hat, jedes Jahr, jeden Monat zu Grabe tragen. Und doch darf es nicht befremden, wenn sie irren; niemand weiß seine Stunde, denn kein Mensch hat ihn jemals als id="geboren">geboren title="cf. Suet.Claud.3: "Die eigenen Mutter Antonia pflegte ihn eine Missgeburt von einem Menschen zu nennen und vom ihm zu sagen, die Natur habe ihn nur begonnen, nicht vollendet.""> betrachtet. Tu deine Pflicht!
dede neci, melior vacua sine regnet in aula."
Gib ihm den Tod; es nehme den Thron ein besserer Fürst ein!"
(3,3) sed Clotho "ego mehercυles" inquit "pusillum temporis adicere illi volebam, dum hos pauculos, qui supersunt, civitate donaret" (constituerat enim omnes Graecos, Gallos, Hispanos, Britannos togatos videre) "sed quoniam placet aliquos peregrinos in semen relinqui et tu ita iubes fieri, fiat." ( 3,4) aperit tum capsulam et tres fusos profert: unus erat Augurini, alter Babae, tertius Claudii. "hos" inquit "tres uno anno exiguis intervallis temporum divisos mori iubebo, nec illum incomitatum dimittam. non oportet enim eum, qui modo se tot milia hominum sequentia videbat, tot praecedentia, tot circumfusa, subito solum destitui. contentus erit his interim convictoribus."
Aber Clotho sprach: "Fürwahr, ich gedachte ihm noch ein wenig Zeit zuzulegen, bis er die Handvoll Leute, die noch übrig sind, mit dem Bürgerrecht beschenkt hätte." (Er hatte ja beschlossen, alle Griechen, Gallier, Spanier, Britannier in der Toga zu sehen.) "Weil du es aber für gut hältst, dass noch einige Ausländer als Samen übrig bleiben, und du es so haben willst, wohlan!" Sie öffnete hierauf eine Kapsel, und langte drei Spindeln hervor. Die eine war die des Augurinus, die andere die des Babas, die dritte die des Claudius. Diese drei, sprach sie, will ich in einem Jahr bald hintereinander sterben lassen, er soll nicht ohne Gesellschaft dahingehen. Denn es wäre nicht in Ordnung, den auf einmal allein zu lassen, der eben noch erlebte, wie so viele tausend Menschen ihm voranzogen, so viele ihm nachfolgten, so viele sich um ihn drängten. Indessen mag er mit diesen Weggefährten zufrieden sein.
(4,1) haec ait et turpi convolvens stamina fuso
abrupit stolidae regalia tempora vitae.
at Lachesis, redimita comas, ornata capillos,
Pieria crinem lauro frontemque coronans,
candida de niveo subtemina vellere sumit
felici moderanda manu, quae ducta colorem
assumpsere novum. mirantur pensa sorores:
mutatur vilis pretioso lana metallo,
aurea formoso descendunt saecula filo.
nec modus est illis: felicia vellera ducunt
et gaudent implere manus: sunt dulcia pensa.
sponte sua festinat opus nulloque labore
mollia contorto descendunt stamina fuso;
vincunt Tithoni, vincunt et Nestoris annos.
Phoebus adest cantuque iuvat gaudetque futuris
et laetus nunc plectra movet, nunc pensa ministrat:
detinet intentas cantu fallitque laborem.
dumque nimis citharam fraternaque carmina laudant,
plus solito nevere manus humanaque fata
laudatum transcendit opus. "ne demite, Parcae"
Phoebus ait "vincat mortalis tempora vitae
ille mihi similis vultu similisque decore
nec cantu nec voce minor. felicia lassis
saecula praestabit legumque silentia rumpet.
qualis discutiens fugientia Lucifer astra
aut qualis surgit redeuntibus Hesperus astris,
qualis, cum primum tenebris Aurora solutis
induxit rubicunda diem, Sol aspicit orbem
lucidus et primos a carcere concitat axes:
talis Caesar adest, talem iam Roma Neronem
aspiciet. flagrat nitidus fulgore remisso
vultus et adfuso cervix formosa capillo."
Sprach's. Und die Fäden gerollt herab von hässlicher Spindel,
Schneidet sie ab die Frist vom törichten Leben des Königs.
Lachesis aber, mit Kränzen im Haar und zierlichen Locken,
Windend um Haupt und Stirn das Geflecht Pierischen Lorbeers,
Zieht aus blendender Wolle wie Schnee hellglänzende Fäden,
Spinnend mit segnender Hand. Und sieh', dem Rocken entrollet
Ganz ein ander Gespinst: es preisen die Schwestern die Arbeit,
Und in köstlich Metall verwandelt sich ärmliche Wolle,
goldene Zeiten, sie treten treten hervor aus zierlichem Faden,
Endlos spinnen sie fort und ziehn glückseliges Vließ aus;
Freud' ist ihnen, und lieblich Geschäft die geförderte Arbeit.
Siehe, von selber eilet das Werk, und freudig und mühlos
Windet die Hand das zarte Gespinst auf schnurrender Spindel,
Länger spinnen sie fort, als Tithons Jahre und Nestors.
Phöbus ist da, und hilft mit Gesang, sich freuend der Zukunft.
Fröhlich rührt die Zither er jetzt, dann teilt er Geschäft aus,
Fesselt sie, horchend dem Lied, zur Kurzweil singt er die Arbeit.
Hoch erhebend der Zither Spiel und die Lieder des Bruders
Spinnen sie weiter als sonst, und über das menschliche Ziel hin
Geht das gepriesene Werk. "O spinnet weiter, ihr Parzen!"
Phoebus ruft' s ihnen zu; - "die Dauer des sterblichen Lebens
Überschreit' er, mir ähnlich an Blick, mir ähnlich an Schönheit,
Er, nicht schlechter an Stimm und Gesang, glückselige Zeiten
Bringt den Erschöpften er, und bricht das Schweigen des Rechtes.
Gleich wie Lucifers Strahl verjagt die schwinden Sterne,
Oder wie Hesperus steigt, wann Nacht sie wieder zurückführt,
Wie, wenn purpurrot das Dunkel lösend Aurora
Führet herauf den lieblichen Tag, wenn die Sonne den Erdkreis
Strahlend beschaut und das frühe Gespann den Schranken entführet:
Also nahet dein Kaiser, o Rom, so wirst du den Nero
Schauen: es schimmert der strahlende Blick in milderem Feuer,
Unter dem wallenden Haar erhebt sich der zierliche Nacken." -
(4,2) haec Apollo. at Lachesis, quae et ipsa homini formosissimo faveret, fecit illud plena manu et Neroni multos annos de suo donat. Claudium autem iubent omnes
So sprach Apollo. Lachesis aber, die dem allerliebsten Mann auch nicht Feind war, tat es und fing mit voller Hand an und schenkte Nero aus ihrem Bestand noch viele Jahre. Den Claudius aber, befahlen sie, solle alle Welt (nach Eurip.frg.452N)
χαίροντες, εὐφημοῦντες ἐκπέμπειν δόμων.
voll Freude und voll Glück geleiten aus dem Haus.
et ille quidem animam ebulliit, et ex eo desiit vivere videri. expiravit autem, dum comoedos audit, ut scias me non sine causa illos timere.
Dieser aber pumpte die Luftblase seiner Seele heraus und seit dem hat denn sein Scheinleben ein Ende. Er hauchte aber aus, während er Komödianten hörte, - daraus kannst du sehen, dass ich mich nicht grundlos vor ihnen fürchte.
(4,3) ultima vox eius haec inter homines audita est, cum maiorem sonitum emisisset illa parte, qua facilius loquebatur: "vae me, puto, concacavi me." quod an fecerit, nescio; omnia certe concacavit.
Das letzte Wort, das ich unter Menschen von ihm hörte, nachdem er mehr Lärm mit dem Organ gemacht hatte, durch das ihn das Reden leichter ankam, war folgendes: "Weh' mir, ich glaube, ich habe mich beschissen!" - Ob er das gemacht hat, weiß ich nicht; so viel ist gewiss, bechissen hat er alles.
(5,1) quae in terris postea sint acta, supervacuum est referre. scitis enim optime, nec periculum est, ne excidant, quae memoriae gaudium publicum impresserit: nemo felicitatis suae obliviscitur. in caelo quae acta sint, audite: fides penes auctorem erit.
Was auf Erden danach noch weiter passiert ist, brauche ich nicht zu erzählen. Ihr wisst es ja ganz gut, und es hat keine Gefahr, - was der allgemeine Jubel dem Gedächtnis eingeprägt hat, geht nicht verloren. Niemand vergisst, was ihn glücklich macht. Was im Himmel passiert ist, vernehmt; für die Glaubwürdigkeit wird der Gewährsmann bürgen.
(5,2) nuntiatur Iovi venisse quendam bonae staturae, bene canum; nescio quid illum minari, assidue enim caput movere; pedem dextrum trahere. quaesisse se, cuius nationis esset: respondisse nescio quid perturbato sono et voce confusa; non intellegere se linguam eius: nec Graecum esse nec Romanum nec ullius gentis notae.
Jupiter wird gemeldet, es sei da ein Mann angekommen von guter Statur, schon ziemlich grau, er gebe aber - man wisse nicht was für - Drohungen von sich, denn er schüttele in einem fort seinen Kopf und ziehe den rechten Fuß nach; er habe ihn gefragt, wes Volkes er sei. Er habe etwas in undeutlichem Ton und mit verworrenen Worten geantwortet; man verstehe seine Sprache nicht, er sei weder ein Grieche noch ein Römer noch sonst von einer bekannten Nation.
(5,3) tum Iuppiter Herculem, qui totum orbem terrarum pererraverat et nosse videbatur omnes nationes, iubet ire et explorare, quorum hominum esset. tum Hercules primo aspectu sane perturbatus est, ut qui etiam non omnia monstra timuerit. ut vidit novi generis faciem, insolitum incessum, vocem nullius terrestris animalis, sed qualis esse marinis beluis solet, raucam et implicatam, putavit sibi tertium decimum laborem venisse. (5,4) diligentius intuenti visus est quasi homo. accessit itaque et, quod facillimum fuit Graeculo, ait:
Da befahl Iupiter dem Herkules, weil er die ganze Erde durchwandert hatte und man von ihm dachte, er kenne alle Nationen, er solle hingehen und erkunden, von was für Menschen der Mann abstamme. Herkules nun geriet beim ersten Anblick in nicht geringe Bestürzung, als habe er noch nicht alle Ungeheuer gefürchtet. Als er die beispiellose Gestalt und den ungewohnten Gang sah und die Stimme vernahm, wie sie kein Geschöpf des Landes, wie sie nur Seeungeheuer zu haben pflegen, heiser und verworren, da meinte er, es sei ihm seine dreizehnte Arbeit gekommen. Als er aber genauer hinsah, kam es ihm doch vor, es sei so etwa wie ein Mensch. Er ging also auf ihn zu und fragte, was jenem als einem guten Griechen leicht verständlich war ( Hom.Od.1,170):
τίς πόθεν εἶς ἀνδρῶν, πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες;
Wer? woher der Männer? nenne Stadt und Eltern!
Claudius gaudet esse illic philologos homines: sperat futurum aliquem historiis suis locum. itaque et ipse Homerico versu Caesarem se esse significans ait:
Daraufhin war Claudius erfreut, dass es da Philologen gab, und hoffte er könne da mit seinen Geschichtswerken ankommen. Daher gab er gleichfalls in einem homerischen Vers zu verstehen (Hom.Od.9,39):
Ἰλιόθεν με φέρων ἄνεμος Κικόννεσι πέλασσεν.
Her von Ilium führte der Wind mich zu den Kikonen.
(erat autem sequens versus verior, aeque Homericus:
Richtiger aber wäre der folgende, gleichfalls homerische Vers gewesen (Hom.Od.9,40):
ἔνθα δ’ ἑγὼ πόλιν ἔπραθον, ὤλεσα δ’ αὐτούς.
Drauf zerstört' ich ihnen die Stadt und mordete Menschen.
(6,1) et imposuerat Herculi minime vafro, nisi fuisset illic Febris, quae fano suo relicto sola cum illo venerat: ceteros omnes deos Romae reliquerat. "iste" inquit "mera mendacia narrat. ego tibi dico, quae cum illo tot annis vixi: Luguduni natus est, Munati municipem vides. quod tibi narro, ad sextum decimum lapidem natus est a Vienna, Gallus germanus. itaque, quod Gallum facere oportebat, Romam cepit. hunc ego tibi recipio Luguduni natum, ubi Licinus multis annis regnavit. tu autem, qui plura loca calcasti quam ullus mulio perpetuarius Lugudunensis, scire debes multa milia inter Xanthum et Rhodanum interesse."
Und es fehlte nicht viel, so hätte er dem Herkules ein Märchen aufgebunden, - wenn nämlich die Febris (Fieber) nicht dabeigewesen wäre, die ihren Tempel verlassen hatte und ganz allein mit ihm gekommen war. Die anderen Götter hatte er alle in Rom zurückgelassen. - "Es ist alles erlogen", sprach sie, "was der Mann da sagt. Glaube mir, denn ich habe ja so viele Jahre mit ihm gelebt. Er ist zu Lugdunum geboren. Du siehst in ihm einen Municipialbürger des Munatius; wie ich dir sage, er ist sechszehn Meilensteine von Vienne geboren, ein Stockgallier. Deshalb hat er auch, was er als Gallier nicht lassen konnte, Rom eingenommen. Ich liefere dir ihn aus, einen, der in Lugdunum geboren ist, wo Licinius viele Jahre geherrscht hat. Du aber, der du dich an mehr Orten herumgetrieben hast als irgend ein professioneller Maultiertreiber aus Lugdunum, du musst wohl wissen, dass der Xanthus und der Rhodanus viele tausend Meilen voneinander entfernt sind."
(6,2) excandescit hoc loco Claudius et quanto potest murmure irascitur. quid diceret, nemo intellegebat. ille autem Febrim duci iubebat. illo gestu solutae manus, et ad hoc unum satis firmae, quo decollare homines solebat, iusserat illi collum praecidi. putares omnes illius esse libertos: adeo illum nemo curabat.
Da wurde Claudius ganz wütend und brummte seinen Zorn, so gut es gehen mochte, heraus. Was er sagen wollte, verstand niemand. Allein er wollte, man solle die Febris hinrichten. Mit jener bekannten Bewegung seiner allein dazu tauglichen Wackelhand, mit der er gewöhnlich Menschen köpfen ließ, hatte er befohlen, ihr den Hals abzuschneiden. Man hätte glauben können, alle seien seine Freigelassenen: nicht eine Seele kümmerte sich um ihn.
(7,1) tum Hercules "audi me" inquit "tu desine fatuari. venisti huc, ubi mures ferrum rodunt. citius mihi verum, ne tibi alogias excutiam." et quo terribilior esset, tragicus fit et ait:
Darauf sprach Herkules: "Du, höre mich an, und lass ab zu faseln! Du bist an einen Ort gekommen, wo die Mäuse am Eisen nagen. Sag mir auf der Stelle die Wahrheit, dass ich dir die Tollheit nicht hinaustreiben muss." Und um desto schrecklicher zu wirken, machte er den Tragiker und sprach:
(7,2) "exprome propere sede qua genitus cluas,
hoc ne peremptus stipite ad terram accidas:
haec clava reges saepe mactavit feros.
quid nunc profatu vocis incerto sonas?
quae patria, quae gens mobile eduxit caput?
edissere. equidem regna tergemini petens
longinqua regis, unde ab Hesperio mari
Inachiam ad urbem nobile advexi pecus,
vidi duobus imminens fluviis iugum,
quod Phoebus ortu semper obverso videt,
ubi Rhodanus ingens amne praerapido fluit
Ararque, dubitans quo suos cursus agat,
tacitus quietis adluit ripas vadis.
estne illa tellus spiritus altrix tui?"
"Heraus und sprich, wo du dich denn geboren rühmst,
Auf dass du nicht von diesem Pfahl getroffen sinkst.
Die Keule da - manch trotzgen König traf sie schon.
Was raunst du mir für unvernehmlich Wort daher?
Welch Land, welch Volk gebar dies Haupt, das zitternde?
Auf meinem Zug in des dreiköpfgen Königs Reich,
Ins weit entlegne, da ich vom Hesperischen Meer
Zu Inachos' Stadt die hochberühmten Rinder trieb,
Sah ich den Berg, der, ragend ob dem Doppelfluss
Des Phoebus Aufgang immer gegenüber schaut,
Wo mächtig Rhodanus raschen Stroms vorüberrauscht
Und Arar, zweifelnd, zweifelnd, wo er seine Bahn sich wähl,
In ruhger Furt die Ufer stillen Laufs bespült: -
Ist dieses Land denn nicht, sag an, dein Mutterland?"
(7,3) haec satis animose et fortiter, nihilo minus mentis suae non est et timet μωροῦ πληγήν. Claudius, ut vidit virum valentem, oblitus nugarum, intellexit neminem Romae sibi parem fuisse, illic non habere se idem gratiae: gallum in suo sterquilino plurimum posse. ( 7,4) itaque, quantum intellegi potuit, haec visus est dicere: "ego te, fortissime deorum, Hercule, speravi mihi adfuturum apud alios, et si qui a me notorem petisset, te fui nominaturus, qui me optime nosti; nam, si memoria repetis, ego eram, qui tibi ante templum tuum ius dicebam totis diebus mense Iulio et Augusto. ( 7,5) tu scis, quantum illic miseriarum ego contulerim, cum causidicos audirem diem et noctem. in quod si incidisses, valde fortis licet tibi videaris, maluisses cloacas Augeae purgare: multo plus ego stercoris exhausi. sed quoniam volo * * * "
So sprach er ziemlich barsch und kräftig. Dessen ungeachtet fühlt er sich in seiner Haut nicht wohl und scheut des Narren Streich. - Sobald Claudius den gewaltigen Mann anschaut, vergisst er alle Possen und sieht ein, in Rom sei ihm zwar keiner gleich gewesen, aber hier gelte er nicht so viel: der Hahn sei am meisten Herr auf seinem eigenen Misthaufen. - Soviel man vernehmen konnte, schien er daher folgendes zu sagen: "Ich habe gehofft, du, Herkules, tapferster unter den Göttern, solltest dich bei den anderen meiner annehmen. Und wenn man verlangt hätte, ich solle einen angeben, der mich kenne, so hätte ich dich nennen wollen, der du mich am besten kennst. Denn wenn du dich besinnen magst, ich war's, der dir vor deinem Tempel im Monat Juli und August ganze Tage lang das Recht handhabte. Du weißt, wie viel Plage ich da erduldet habe, als ich die Advokaten anhörte, sowohl bei Tag als bei Nacht; und wärest du unter diese geraten, obwohl du dir ein rechter Held zu sein dünkst, - lieber hättest du doch die Ställe des Augias gereinigt. Viel mehr Mist habe ich hinausgeschafft. Aber da ich ja will * * * "
Es fehlt etwa eine Seite der Handschrift: Claudius kann mit irgend welchen Drohungen und Versprechungen Herkules für seine Zwecke gewinnen. Beide dringen gewaltsam in die Ratsversammlung der Götter ein. Herkules stellt als Ratsmitglied den Antrag, Claudius zu vergöttlichen. Claudius begründet den Antrag, anschließend gibt Iupiter den anderen die Möglichkeit, Claudius zu befragen. Es folgt eine tumultartige Beratung. In dem wieder einsetzenden Text wendet sich ein gebildeter und weltläufiger Gott, wahrscheinlich Apollon, an Herkules.
Es fehlt etwa eine Seite der Handschrift: Claudius kann mit irgend welchen Drohungen und Versprechungen Herkules für seine Zwecke gewinnen. Beide dringen gewaltsam in die Ratsversammlung der Götter ein. Herkules stellt als Ratsmitglied den Antrag, Claudius zu vergöttlichen. Claudius begründet den Antrag, anschließend gibt Iupiter den anderen die Möglichkeit, Claudius zu befragen. Es folgt eine tumultartige Beratung. In dem wieder einsetzenden Text wendet sich ein gebildeter und weltläufiger Gott, wahrscheinlich Apollon, an Herkules.
(8,1) " * * * non mirum, quod in curiam impetum fecisti: nihil tibi clausi est. modo dic nobis, qualem deum istum fieri velis. Ἐπικούρειος θεός non potest esse: οὔτε αὐτὸς πρᾶγμα ἔχει οὔτε ἄλλοις παρέχει. Stoicus? quomodo potest "rotundus" esse, ut ait Varro, "sine capite, sine praeputio"? est aliquid in illo Stoici dei, iam video: nec cor nec caput habet. ( 8,2) si mehercules a Saturno petisset hoc beneficium, cuius mensem toto anno celebravit Saturnalicius princeps, non tulisset. nedum ab Iove, quem, quantum quidem in illo fuit, damnavit incesti! Silanum enim generum suum occidit. "oro, per quid?" quod sororem suam, festivissimam omnium puellarum, quam omnes Venerem vocarent, maluit Iunonem vocare. (8,3) "quare" inquit, "quaero enim, sororem suam?" stulte, stude: Athenis dimidium licet, Alexandriae totum. "quia Romae", inquis, "mures molas lingunt", hic nobis curva corriget? quid in cubiculo suo faciant, nescit, et iam "caeli scrutatur plagas"? deus fieri vult? parum est, quod templum in Britannia habet, quod hunc nunc barbari colunt et ut deum orant μωροῦ εὐιλάτου τυχεῖν;
" * * * zu verwundern ist's eben nicht, dass du in den Saal hereinstürmst: vor dir ist Schloss und Riegel nicht sicher, aber sag doch nur, - was für einen Gott willst du aus dem Mann da gemacht wissen? - Einen epikureischen Gott, der weder selbst etwas tut, noch andern etwas zu tun gibt, kann er nicht abgeben. Einen stoischen? Wie könnte er doch - um mit Varro zu reden - rund sein, ohne Kopf, ohne Vorhaut?" Doch etwas - es fällt mir eben auf - etwas von einem stoischen Gott hat er doch: es fehlen ihm Herz und Kopf! Selbst wenn er, beim Herkules, Saturnus um diese Vergünstigung gebeten hätte, dessen Monat der Saturnalienprinz das ganze Jahr hindurch gefeiert hat, so hätte er die Vergöttlichung doch nicht von ihm davongetragen, geschweige denn von Iupiter, dem er ja, so weit es an ihm lag, Blutschande zum Verbrechen gemacht hat; denn er hat seinen Tochtermann Lucius Silanus ums Leben gebracht. - Ei, warum denn? weil er seine Schwester (Calvina), ein allerliebstes Mädchen, die jedermann eine Venus nannte, lieber Iuno nennen wollte. "Warum denn", fragt er, "wird es für Torheit angesehen, wenn einer in seine Schwester verliebt ist?" - Dummkopf, müh' deinen Kopf: In Athen ist's zur Hälfte erlaubt, in Alexandria ganz. - "Weil in Rom," sagst du, "die Mäuse die Mühlen lecken", wird er hier das Krumme richten? Was sie in seinem Schlafzimmer treiben, weiß er nicht und jetzt durchsucht er schon "die Weiten des Himmels"? Ein Gott will er werden? Ist es ihm nicht genug, dass er einen Tempel in Britannien hat, dass ihn Barbaren verehren und als einen Gott anbeten, um des Toren Gnade zu erlangen?
(9,1) tandem Iovi venit in mentem, privatis intra curiam morantibus senatoribus non licere sententiam dicere nec disputare. "ego", inquit, "patres conscripti, interrogare vobis permiseram, vos mera mapalia fecistis. volo, ut servetis disciplinam curiae. hic, qualiscumque est, quid de nobis existimavit?" ( 9,2) illo dimisso primus interrogatur sententiam Ianus pater. is designatus erat in kal. Iulias postmeridianus consul, homo, quantumvis vafer, qui semper videt
Endlich fiel Iupiter ein, es sei den Senatoren eigentlich nicht erlaubt, abzustimmen und zu beraten, während Privatleute im Göttersaal seien: "Ich hatte euch gestattet, versammelte Väter", sprach er, "zu fragen, aber ihr habt den Göttersaal volkommen zu einem Kaffernkral gemacht. Ich verlange, dass ihr die Ordnung der Götterversammlung beachtet. Der Mann da, sei er auch noch so erbärmlich, was wird er von uns denken?" - Man hieß ihn also abtreten; nun wurde zuerst Vater Ianus um seine Meinung befragt. Dieser war auf den 1. Juli nachmittags zum Konsul bestimmt worden, ein äußerst ränkevoller Mann, der immer
ἅμα πρόσσω καὶ ὀπίσσω.
zugleich vorwärts und rückwärts schaut.
is multa diserte, quod in foro vivebat, dixit, quae notarius persequi non potuit et ideo non refero, ne aliis verbis ponam, quae ab illo dicta sunt. (9,3) multa dixit de magnitudine deorum: non debere hunc vulgo dari honorem. "olim" inquit "magna res erat deum fieri: iam Fabam mimum fecisti. itaque ne videar in personam, non in rem dicere sententiam, censeo, ne quis post hunc diem deus fiat ex his, qui
Der hatte nun, wie das so geht, wenn man sein Leben auf dem Forum zubringt, eine sehr geläufige Zunge, so dass der Protokollant ihm nicht nachkommen konnte. Deshalb führe ich auch nichts an, damit ich nicht in andre Worte fasse, was von ihm gesprochen wurde. Er sprach viel über die Erhabenheit der Götter; man dürfe diese Ehre nicht gemein machen: "Ehemals", sagte er, "war es etwasGroßes, vergöttlicht zu werden: doch ihr habt eine Bohnenposse daraus gemacht. Darum beantrage ich, damit ich nicht den Anschein erwecke, gegen eine Person, nicht aber zur Sache zu reden, es soll von diesem Tag an keiner mehr ein Gott werden von denen, die (Hom.Il.6,142)

ἀρoύρης καρπὸv ἔδoυσιν,

aut ex his, quos alit

ζείδωρoς ἄρoυρα.

qui contra hoc senatus consultum deus factus, fictus pictusve erit, eum dedi larvis et proximo munere inter novos auctoratos ferulis vapulare placet."

des Ackerlands Früchte genießen,

oder von denen, welche erhält der (Hom.Il.6,142 u.ö.)

nährende Boden.

Wer nun diesem Senatsbeschluss zuwider zu einem Gott gemacht, gemeißelt oder gemalt wird, der soll den Furien übergeben und bei den nächsten Spielen unter den neurekrutierten Gladiatoren mit Ruten ausgepeitschet werden."

(9,4) proximus interrogatur sententiam Diespiter Vicae Potae filius, et ipse designatus consul, nummulariolus. hoc quaestu se sustinebat: vendere civitatulas solebat. ad hunc belle accessit Hercules et auriculam illi tetigit. censet itaque in haec verba:
Der nächste, der nun seine Stimme abzugeben hatte, war Diespiter, der Sohn der Vica Pota, gleichfalls designierter Konsul, ein Winkelbankier. Von diesem Profit lebte er; er pflegte Bürgerrechte zu verschachern. Ihm nahte mit Artigkeit Herkules und zupfte ihn am Ohrläppchen. Daher formulierte er seinen Antrag mit folgenden Worten:
(9,5) "cum divus Claudius et divum Augustum sanguine contingat nec minus divam Augustam aviam suam, quam ipse deam esse iussit, longeque omnes mortales sapientia antecellat sitque e re publica esse aliquem, qui cum Romulo possit "ferventia rapa vorare", censeo, uti divus Claudius ex hac die deus sit, ita uti ante eum quis optimo iure factus sit, eamque rem ad Metamorphosis Ovidi adiciendam."
Da der göttliche Claudius mit dem vergöttlichten Augustus und nicht minder mit seiner Ahnfrau, der vergöttlichten (Livia) Augusta, die er selbst zur Göttin erhoben hat, in Blutsverwandtschaft steht und alle Sterblichen an Weisheit weit übertrifft, und da es auch das Staatswohl erfordert, dass es Leute gibt, die mit Romulus "die heißen Rüben verzehren", so beantrage ich, dass der göttliche Claudius von dem heutigen Tag an ein Gott werde, so wie irgend einer vor ihm mit Fug und Recht ein Gott wurde, und dass dieser Vorgang noch in Ovids Verwandlungen angemerkt werde."
(9,6) variae erant sententiae, et videbatur Claudius sententiam vincere. Hercules enim, qui videret ferrum suum in igne esse, modo huc modo illuc cursabat et aiebat: "noli mihi invidere, mea res agitur; deinde tu si quid volueris, in vicem faciam: manus manum lavat."
Die Stimmen waren geteilt, und es schien, als setzten sich die Fürsprecher für Claudius durch. Denn Herkules, der wohl sah, dass sein Eisen im Feuer war, lief bald zu dem, bald zu jenem und sagte: "Sei nicht missgünstig auf mich, es geht um meine Sache; wenn ich dir einmal gefällig sein soll, so will ich's auch tun. Eine Hand wäscht die andere."
(10,1) tunc divus Augustus surrexit sententiae suae loco dicendae et summa facundia disseruit: "ego", inquit, "patres conscripti, vos testes habeo, ex quo deus factus sum, nullum me verbum fecisse: semper meum negotium ago. et non possum amplius dissimulare et dolorem, quem graviorem pudor facit, continere. ( 10,2) in hoc terra marique pacem peperi? ideo civilia bella compescui? ideo legibus urbem fundavi, operibus ornavi, ut - quid dicam, patres conscripti, non invenio: omnia infra indignationem verba sunt. confugiendum est itaque ad Messalae Corvini, disertissimi viri, illam sententiam "pudet imperii". (10,3) hic, patres conscripti, qui vobis non posse videtur muscam excitare, tam facile homines occidebat quam canis adsidit. sed quid ego de tot ac talibus viris dicam? non vacat deflere publicas clades intuenti domestica mala. itaque illa omittam, haec referam; nam etiam si soror mea Graece nescit, ego scio: ἔγγιον γόνυ κνήμης.
Danach erhob sich der vergöttlichte Augustus, als die Reihe an ihn kam, seine Stimme abzugeben, und sprach mit anmutigster Beredsamkeit folgendermaßen: "Ich", sagte er, "versammelte Väter, rufe euch zu Zeugen auf, dass ich, seitdem ich vergöttlicht bin, mich niemals mit Reden aufgedrängt habe. Ich habe immer genug mit meinen eigenen Angelegenheiten zu tun. Allein, ich kann nun doch nicht weiter zurückhalten und meinen Verdruss, den mein Ehrgefühl noch steigert, nicht bezähmen. habe ich dazu zu Land und zur See Frieden gestiftet? darum die Bürgerkriege gestillt? darum die Stadt auf Gesetze gegründet und durch Bauwerke verschönert? Ich finde keinen Ausdruck mehr, versammelte Väter, alle Worte sagen zu wenig für meine Entrüstung. Ich muss mich deswegen an jenen berühmten Ausspruch des höchst beredten Messala Corvinus halten: 'Ich schäme mich für das Reich.' Dieser Mann da, versammelte Väter, den wir dafür ansehen, er könne keine Fliege aufscheuchen, hat Menschen getötet, so leicht, als einHund das Bein hebt. Doch was soll ich über so manche Rechtsfälle reden? Man hat nicht Zeit den öffentlichen Jammer zu beweinen, wenn man an die Übel im eigenen Hause denkt. Daher will ich jenen beiseite lassen und nur von diesen reden. Denn auch wenn meine Schwester kein Griechisch versteht, ich weiß: Das Hemd ist mir näher als der Rock
(10,4) iste quem videtis, per tot annos sub meo nomine latens, hanc mihi gratiam retulit, ut duas Iulias proneptes meas occideret, alteram ferro, alteram fame; unum abnepotem L. Silanum: videris, Iuppiter, an in causa mala certe in tua, si aequos futurus es. dic mihi, dive Claudi: quare quemquam ex his, quos quasque occidisti, antequam de causa cognosceres, antequam audires, damnasti? hoc ubi fieri solet? in caelo non fit.
Der, den ihr dort seht und der sich so viele Jahre lang hinter meinem Namen versteckt hat, hat mir den Dank abgestattet, dass er zwei Iulien, Urenkelinnen von mir, tötete, die eine mit dem Schwert, die andere durch Hunger, dazu einen Urenkelsohn, den Lucius Silanus. - Du selbst magst sehen, Iupiter, ob in einer frevelhaften Sache, in einer, die dich angeht, ganz gewiss, wenn du weiterhin gerecht sein willst. Sag mir, du, Gott Claudius, warum hast du jemanden von denen, die du, Männer und Frauen, getötet hast, - warum hast du sie verurteilt, ohne zuvor ihre Sache zu untersuchen, ohne zuvor sie anzuhören? Wo geschieht so etwas alltäglich? Im Himmel kommt das nicht vor.
(11,1) ecce Iuppiter, qui tot annos regnat, uni Volcano crus fregit, quem

ῥῖψε ποδὸς τεταγὼν ἀπὸ βηλοῦ θεσπεσίοιο,

et iratus fuit uxori et suspendit illam: numquid occidit? tu Messalinam, cuius aeque avunculus maior eram quam tuus, occidisti. "nescio" inquis? di tibi malefaciant: adeo istuc turpius est quod nescisti quam quod occidisti. (11,2) C. Caesarem non desiit mortuum persequi. occiderat ille socerum: hic et generum. Gaius Crassi filium vetuit Magnum vocari: hic nomen illi reddidit, caput tulit. occidit in una domo Crassum, Magnum, Scriboniam, assarios quidem, nobiles tamen, Crassum vero tam fatuum, ut etiam regnare posset.
Siehe, Vulcanus ist der einzige, dem Iupiter in seinem vieljährigen Regiment ein Bein gebrochen hat, den er (vgl. Hom.Il.1,591)

Schleudert', am Fuße gefasst, hoch über die Feste des Himmels.

Über seine Gemahlin zürnte er nicht nur, sondern hängte sie auch auf: hat er sie etwa getötet? Du hast Messalina, deren Großonkel ich ebenso war wie der deine, gemordet. "Ich weiß nichts davon", sagst du? Verdammen sollen dich die Götter! Dass du nichts davon weißt, das ist ja gerade noch ärger, als dass du den Mord begangen! Dieser Kerl hat dem Gaius Caesar (Caligula) nach dessen Tod unablässig alles nachgetan. Jener hatte seinen Schwiegervater umgebracht, dieser auch seinen Schwiegersohn. Gaius Caesar verbot, den Sohn des Crassus den Großen zu nennen; dieser gab ihm zwar den Namen zurück, aber den Kopf nahm er ihm. In einer Familie brachte er den Crassus, den Magnus und die Scribonia um, Leute, die zwar keinen Deut wert waren, gleichwohl von Adel; Crassus vollends so albern, dass er wohl einen König hätte abgegeben können.
(11,3) hunc nunc deum facere vultis? videte corpus eius dis iratis natum. ad summam, tria verba cito dicat et servum me ducat. (11,4) hunc deum quis colet? quis credet? dum tales deos facitis, nemo vos deos esse credet. summa rei, patres conscripti, si honeste inter vos gessi, si nulli clarius respondi, vindicate iniurias meas. ego pro sententia mea hoc censeo:" (atque ita ex tabella recitavit:)
Den wollt ihr jetzt zum Gott machen? Seht doch seinen Körper an, den die Götter im Zorn geschaffen haben. Kurz, lasst ihn nur schnell drei Worte sagen, und (wenn er es kann) will ich sein Sklave sein. Wer wird den als einen Gott verehren? Wer an ihn glauben? Am Ende wird, wenn ihr solche Leute zu Göttern macht, von euch selbst niemand mehr glauben, dass ihr Götter seid. Wenn ich mein Amt unter euch, versammelte Väter, mit Ehren bekleidet, wenn ich noch nie einen harten Ausspruch getan habe, so rettet mich vor dieser Schmach. Ich gebe meine Stimme in folgendem Sinn:" (und so las er denn von seinemKonzept vor:).
(11,5) "quandoquidem divus Claudius occidit socerum suum Appium Silanum, generos duos Magnum Pompeium et L. Silanum, socerum filiae suae Crassum Frugi, hominem tam similem sibi quam ovo ovum, Scriboniam socrum filiae suae, uxorem suam Messalinam et ceteros quorum numerus iniri non potuit, placet mihi in eum severe animadverti nec illi rerum iudicandarum vacationem dari eumque quam primum exportari et caelo intra triginta dies excedere, Olympo (11,6) intra diem tertium."
Da ja nun einmal der göttliche Claudius einen Mord begangen hat an seinem Schwiegervater Appius Silanus, an zwei Schwiegersöhnen, dem Pompeius Magnus und Lucius Silanus, an dem Schwiegervater seiner Tochter, dem Crassus Frugi, einem Menschen, der ihm so ähnlich war, wie ein Ei dem andern, an Scribonia, der Schwiegermutter seiner Tochter, an seiner Gemahlin Messalina und an andern, deren Zahl sich nicht ermitteln lässt, so ist meine Meinung, es soll gegen ihn mit Strenge verfahren werden, er soll der Verantworung nicht enthoben und möglichst bald weggeschafft werden; er soll binnen dreißig Tagen den Himmel räumen und binnen drei Tagen den Olymp."
pedibus in hanc sententiam itum est. nec mora, Cyllenius illum collo obtorto trahit ad inferos a caelo
Diesem Spruch traten die anderen bei. Und ohne Verzug packte ihn der Kyllenier an der Kehle und schleppte ihn zur Unterwelt (vgl. Catull 3,12)
<illuc,> unde negant redire quemquam.
Hin, von wo, wie es heißt, nicht einer umkehrt
(12,1) dum descendunt per viam Sacram, interrogat Mercurius, quid sibi velit ille concursus hominum, num Claudii funus esset. et erat omnium formosissimum et impensa cura, plane ut scires deum efferri: tubicinum, cornicinum, omnis generis aenatorum tanta turba, tantus conventus, ut etiam Claudius audire posset. (12,2) omnes laeti, hilares: populus Romanus ambulabat tamquam liber. Agatho et pauci causidici plorabant, sed plane ex animo. iurisconsulti e tenebris procedebant, pallidi, graciles, vix animam habentes, tamquam qui tum maxime reviviscerent. ex his unus, cum vidisset capita conferentes et fortunas suas deplorantes causidicos, accedit et ait: "dicebam vobis: non semper Saturnalia erunt."
Während sie die Heilige Straße hinabgehen, fragt Mercurius, was denn dMenschenauflauf zu bedeuten habe, ob es etwa die Beisetzung des Claudius sei. Und sie war es, aufs allerprächtigste, da war kein Aufwand und keine Aufmerksamkeit ausgelassen, dass man wohl merkte, es sei ein Gott, der da begraben werde. Flötenspieler, Hornbläser, Senatoren jeden Ranges in solcher Zahl, und solch ein Zusammenströmen, dass es sogar Claudius hören konnte. Alles war fröhlich und heiter, das römische Volk wandelte wie befreit daher. Nur Agathon und ein paar Advokaten weinten, jedoch recht von Herzen. Die Rechtsgelehrten traten aus der Finsternis hervor, bleich, hager, kaum noch bei Atem, gleichsam als fingen sie an, jetzt eben wieder aufzuleben. Als einer von diesen sah, wie die Advokaten die Köpfe zusammensteckten und ihr Geschick bejammerten, trat er hinzu und sprach: "Hab ich's euch nicht gesagt, die Saturnalien werden nicht ewig währen."
(12,3) Claudius, ut vidit funus suum, intellexit se mortuum esse. ingenti enim μεγάλῳ χορικῷ nenia cantabatur anapaestis:
Als aber Claudius seine Beisetzung sah, merkte er wohl, dass er tot war. Denn mit riesigem Choraufgebot sang man das anapästische Trauerlied:
"fundite fletus, edite planctus,
resonet tristi clamore forum:
cecidit pulchre cordatus homo,
quo non alius fuit in toto
fortior orbe.
ille citato vincere cursu
poterat celeres, ille rebelles
fundere Parthos levibusque sequi
Persida telis, certaque manu
tendere nervum, qui praecipites
vulnere parvo figeret hostes
pictaque Medi terga fugacis,
ille Britannos ultra noti
litora ponti
et caeruleos scuta Brigantas
dare Romuleis colla catenis
iussit et ipsum nova Romanae
iura securis tremere Oceanum.
deflete virum, quo non alius
potuit citius discere causas,
una tantum parte audita,
saepe neutra. quis nunc iudex
toto lites audiet anno?
tibi iam cedet sede relicta
qui dat populo iura silenti,
Cretaea tenens oppida centum.
caedite maestis pectora palmis
o causidici, venale genus,
vosque poetae lugete novi,
vosque in primis, qui concusso
magna parastis lucra fritillo."
Ihr Tränen, entstömt, ihr Klagen, ertönt;
Von Trauergesang, von Jammer und Weh
Lasst schallen den Markt: denn es sank uns der Mann
Von so herrlichem Geist, der keinem je wich
Auf der ganzen Welt durch tapferen Mut.
Ja, mächtigen Laufs die Behendetsten hat
Er weit überholt; Und den Partherrebell
Er zu schlagen vermocht erreichend den Feind
Mit dem leichten Geschoss; seinen Bogen er spannt
Mit dem sicheren Arm; und den eilenden Feind
Verwundet' er leicht, und er traf so genau
Durch den buntfarben Schild flüchtigen Meders hindurch.
Die Britannen er trieb wohl weit übern Strand
Der befahrenen See.
Das Brigantengeschlecht mit dem dunkelen Schild
Musste schmiegen den Hals Roms fesselndem Band.
Ja der Ozean selbst vor der neuen Gewalt
Eines römischen Beils muss erbeben sogar.
O klagt nur den Mann, der da konnte so rasch,
Wie keiner wohl sonst, guten Rechtsspruch tun;
Nur eine Partei, zu hören er braucht
Oder keine wohl auch. O, wer wird denn nun
Jahr aus und Jahr ein wohl schlichten den Streit?
Sieh', es weichet dir schon verlassend den Stuhl
Der im schweigenden Reich der Schatten nun thront,
Über hundert Städt' einst in Creta ein Fürst.
O schlag an die Brustmit der trauernden Hand
Advokatenbrut, du verkäufliches Volk,
Junde Dichterling auch, O klagt doch, und weint;
Und ihr allzumal, die ihr reichen Gewinn
Bei der Glücksbecher Sturz Von dem Würfelspiel zogt!
(13,1) delectabatur laudibus suis Claudius et cupiebat diutius spectare. inicit illi manum Talthybius deorum [nuntius] et trahit capite obvoluto, ne quis eum possit agnoscere, per campum Martium, et inter Tiberim et viam Tectam descendit ad inferos. (13,2) antecesserat iam compendiaria Narcissus libertus ad patronum excipiendum, et venienti nitidus, ut erat a balineo, occurrit et ait: "quid di ad homines?" - "celerius", inquit Mercurius, "et venire nos nuntia." (13,3) dicto citius Narcissus evolat. omnia proclivia sunt, facile descenditur. itaque, quamvis podagricus esset, momento temporis pervenit ad ianuam Ditis, ubi iacebat Cerberus vel, ut ait Horatius, "belua centiceps". pusillum perturbatur (subalbam canem in deliciis habere adsueverat), ut illum vidit canem nigrum, villosum, sane non, quem velis tibi in tenebris occurrere, et magna voce "Claudius" inquit "veniet."
Ganz selig war Claudius über sein Lob und wünschte noch länger zuzuschauen. Aber es fasste ihn der Talthybios der Götter und schleppte ihn, auf dass ihn niemand erkennen möchte, mit verhülltem Gesicht über das Marsfeld. Zwischen dem Tiber aber und der bedeckten Straße stieg er mit ihm zur Unterwelt hinab. Auf einer Abkürzung war bereits sein Freigelassener Narcissus vorausgegangen, um seinen gnädigen Herrn zu empfangen, und trat dem ankommenden vom Bad her glänzend mit folgenden Worten entgegen: "Wie kommen Götter zu den Menschen?" - "Schneller", sagte Mercurius, "und melde, dass wir kommen!" Schneller als gesat flog Narcissus davon. Es geht überall abwärts, man kommt leicht hinunter. Daher gelangte er, obwohl er unter der Gicht litt, in einem Augenblick zu Plutos Tür, wo Cerberus lag oder, wie Horaz (Hor.c.2,13,34) sagt, die hundertköpfige Bestie. Es brachte ihn doch etwas aus der Fassung, als er den schwarzen, zottigen Hund sah - er war nur sein weißes Schoßhündchen gewohnt, - und freilich, jenem wünscht man nicht im Finstern zu begegnen. Mit mächtiger Stimme aber rief er: "Der Kaiser Claudius kommt!"
(13,4) cum plausu procedunt cantantes

"εὑρήκαμεν συγχαίρωμεν."

hic erat C. Silius consul designatus, Iuncus praetorius, Sex. Traulus, M. Helvius, Trogus, Cotta, Vettius Valens, Fabius, equites R. quos Narcissus duci iusserat. medius erat in hac cantantium turba Mnester pantomimus, quem Claudius decoris causa minorem fecerat. (13,5) Ad Messalinam cito rumor percrebuit Claudium venisse. convolant primi omnium liberti Polybius, Myron, Harpocras, Amphaeus, Pheronactes, quos Claudius omnes, necubi imparatus esset, praemiserat. deinde praefecti duo Iustus Catonius et Rufrius Pollio. deinde amici Saturninus Lusius et Pedo Pompeius et Lupus et Celer Asinius consulares. novissime fratris filia, sororis filia, generi, soceri, socrus, omnes plane consanguinei. et agmine facto Claudio occurrunt. (13,6) quos cum vidisset Claudius, exclamat
Sieh, da trat auf einmal in die Hände klatschend ein Sängerchor auf:

"Er ist gefunden, Freude, Freude!"

Da war der designierte Konsul Gaius Silius, der frühere Praetor Iuncus, Sextus Traulus, Marcus Helvius, Trogus, Cotta, Vettius Valens, Fabius, Römische Ritter, lauter Männer, die auf Narcissus Geheiß zum Tode geführt worden waren. In der Mitte dieses Sängerchors war der Pantomime Mnester, den Claudius seines besseren Aussehens wegens um einen Kopf gekürzt hatte. Auch zu Messalina kam alsbald das Gerücht, Claudius sei angekommen. Zu allererst aber eilten die Freigelassenen Polybius, Myron, Harpocras, Amphaeus und Pheronactes herbei, die er alle um der gehörigen Vorbereitung willen vorausgeschickt hatte. Darauf kamen die beiden Praefekte Iustus Catonius und Rufrius Pollio, alsdann die Vertrauten Saturninus Lusius und Pedo Pompeius, auch die Consularen Cornelius Lupus und Celer Asinius. Zuletzt die Tochter seines Bruders, die Tochter seiner Schwester, seine Schwiegersöhne, Schwiegerväter, Schwiegermutter, kurz alle seine Blutsverwandten. Sie bildeten einen Zug und stellten sich dem Claudius in den Weg. Als er sie erblickte, rief er aus (nach Thales A22):

"πάvτα φίλωv πλήρη!

quomodo huc venistis vos?" tum Pedo Pompeius "quid dicis, homo crudelissime? quaeris quomodo?
quis enim nos alius huc misit quam tu, omnium amicorum interfector? in ius eamus: ego tibi hic sellas ostendam."

"Ah! Alles voll von Freunden!

Wie kommt denn ihr hierher?" - Da ergriff Pedo Pompeius das Wort: "Was sagst du, grausamster Mensch? Du fragst, wie? Wer anders hat uns denn hierher geschickt als du, du Mörder aller Freunde? Wir wollen nun vor Gericht gehen: Ich will dir hier die Richterstühle zeigen."
(14,1) ducit illum ad tribunal Aeaci (is lege Cornelia, quae de sicariis lata est, quaerebat). postulat, nomen eius recipiat; edit subscriptionem: occisos senatores XXXV, equites R. CCCXXI, ceteros
So führt er ihn zum Tribunal des Aeacus; der untersuchte nach dem Cornelischen Gesetz, welches über den Meuchelmord gegeben ist. Er fordert von ihm, die Klage anzunehmen und reicht die Klageschrift ein: getötet worden seien 35 Senatoren, 321 römische Ritter, die übrigen ( Hom.Il.9,385)

ὅσα ψάμαθός τε κόνις τε.

so viel als Meeressand und Staub.

advocatum non invenit. (14,2) tandem procedit P. Petronius, vetus convictor eius, homo Claudiana lingua disertus, et postulat advocationem. non datur. accusat Pedo Pompeius magnis clamoribus. incipit patronus velle respondere. Aeacus, homo iustissimus, vetat et illum, altera tantum parte audita, condemnat et ait:
Einen Verteidiger fand er nicht. Endlich trat Publius Petronius auf, sein alter Weggefährte, ein Mann so beredt wie Claudius und meldete sich als sein gerichtlicher Beistand. Man nimmt ihn nicht an. Pedo Pompeius erhebt seine Anklage unter lautem Geschrei. Petronius macht Miene, darauf zu antworten. Aeacus, ein höchst gerechter Mann, untersagt es ihm. Nachdem er nur die Klägerpartei vernommen hat, verurteilt er ihn und sagt (Hes.frg.174,2 Rz):

αἴκε πάθoις τά τ’ ἔρεξας δίκη τ’ εὐθεῖα γένoιτo.

(14,3) ingens silentium factum est. stupebant omnes novitate rei attoniti, negabant hoc umquam factum. Claudio magis iniquum videbatur quam novum. de genere poenae diu disputatum est, quid illum pati oporteret. erant qui dicerent, Sisyphum diu laturam fecisse, Tantalum siti periturum, nisi illi succurreretur, aliquando Ixionis miseri rotam sufflaminandam. (14,4) non placuit ulli ex veteribus missionem dari, ne vel Claudius umquam simile speraret. placuit novam poenam constitui debere, excogitandum illi laborem irritum et alicuius cupiditatis spem sine effectu. tum Aeacus iubet illum alea ludere pertuso fritillo. et iam coeperat fugientes semper tesseras quaerere et nihil proficere:

Dulde nun das, was du tatest, gerades Recht widerfahr dir!

Da entstand eine tiefe Stille. Alle staunten, von dem unerhörten Vorgang betroffen; das sagten sie, sei noch nie geschehen. Dem Claudius schien es weniger unerhört als unbillig. Über die Art der Bestrafung und das, was er zu büßen habe, stritt man lange. Es erhoben sich einige, die sagten, Sisyphus habe seinen Stein lange genug gewälzt, Tantalus werde zugrunde gehen, wenn man ihm nicht zu Hilfe eile und das Rad des armen Ixion müsse man endlich einmal stoppen. Aber es ging nicht durch, dass man einen der Alten begnadigte. Claudius sollte niemals auf eine ähnliche Erleichterung hoffen dürfen. Es wurde beschlossen, man müsse eine neue Strafe festsetzen, man müsse für ihn eine sinnlose Tätigkeit ausdenken, die ihn auf die Erfüllung einer Leidenschaft hoffen lasse, doch ohne Erfolg. Da ordnete Aeacus an, er müsse aus einem durchlöcherten Becher würfeln. Und schon hatte er angefangen, die immer auseinander fallenden Würfel zusammenzusuchen, ohne es je zum Wurf zu bringen.
(15,1) nam quotiens missurus erat resonante fritillo
utraque subducto fugiebat tessera fundo;
cumque recollectos auderet mittere talos,
lusuro similis semper semperque petenti,
decepere fidem: refugit digitosque per ipsos
fallax adsiduo dilabitur alea furto.
sic cum iam summi tanguntur culmina montis,
inrita Sisyphio volvuntur pondera collo.
Denn so oft er zu werfen gedacht aus tönendem Becher
Fielen die beiden Würfel hindurch, es fehlte der Boden.
Wagt er dann wieder zu werfen die wieder gesammelten Knöchel,
Immer dem Spielenden nur und immer dem Wollenden ähnlich,
Täuschten sie ihn; es entwischte, zerfallend unter den Fingern
Diebisch aufs neue stets ihn höhnend das trügliche Glücksspiel.
So, wenn der Gipfel schon des mächtigen Berges erreicht ist,
Rollet, vergeblich gewälzt, auf Sisyphos Nacken die Steinlast.
(15,2) apparuit subito C. Caesar et petere illum in servitutem coepit. producit testes, qui illum viderant ab illo flagris, ferulis, colaphis vapulantem. adiudicatur. C. Caesari illum Aeacus donat. is Menandro liberto suo tradidit, ut a cognitionibus esset.
Auf einmal erschien Gaius Caesar (Caligula) und fing an, ihn als Sklaven zu fordern. Er führte Zeugen auf, die gesehen hatten, wie er von ihm Geißelhiebe, Rutenschläge und Backenstreiche bekommen habe. Er wird ihm zugesprochen: Aeacus macht ihn Gaius Caesar zum Geschenk. Dieser gab ihn an seinen Freigelassenen Menander weiter, damit er ihm in Rechtssachen an die Hand gehe.

 

Sententiae excerptae:
Lat. zu "Sen" und "apocol"
1372
Aut regem aut fatuum nasci oportet.
Man muss entweder als König oder als Trottel geboren sein.
Sen.apocol.1,1

1376
Non posse videtur muscam excitare.
Er kann scheinbar (anscheinend) keiner Fliege etwas zuleide tun (keine Mücke verjagen).
Sen.apocol.10,3

1378
Tam similem sibi quam ovo ovum.
Sich so ähnlich wie ein Ei einem Ei wie ein Ei dem anderen).
Sen.apocol.11,5

1377
Non semper Saturnalia erunt.
Die Saturnalien werden nicht ewig dauern. Es wird nicht immer Fassnacht sein.
Sen.apocol.12,2

1384
Quid di ad homines?
Warum kommen die Götter zu den Menschen (was wollen die Götter bei den Menschen)?
Sen.apocol.13,2

1385
Altera tantum parte audita condemnare.
Nach dem Anhören nur einer Seite verurteilen.
Sen.apocol.14,2

1386
Alea ludere pertuso fritillo.
Mit einem durchlöcherten Becher Würfel spielen.
Sen.apocol.14,4

1387
Facilius inter philosophos quam inter horologia conveniet.
Eher werden noch die Philosophen übereinstimmen als die Uhren.
Sen.apocol.2,2

1388
Vae me, puto, concacavi me.
Weh' mir, ich glaube, ich habe mich beschissen!
Sen.apocol.4,3

1389
Nemo felicitatis suae obliviscitur.
Niemand vergisst, was ihn glücklich macht.
Sen.apocol.5,1

1390
Iste mera mendacia narrat.
Der da erzählt reine Lügen.
Sen.apocol.6,1

1374
Venisti huc, ubi mures ferrum rodunt.
Du bist an einen Ort gekommen, wo die Mäuse am Eisen nagen. (Du sitzt wie eine Maus in der Falle. Hier gibt es für dich nichts zu holen.)
Sen.apocol.7,1

89
gallus in sterquilino suo plurimum potest.
der Hahn ist auf seinem Misthaufen König. (Schuster bleib bei deinem Leisten!)
Sen.apocol.7,3

1037
Cloacas Augiae purgare.
Die Ställe des Augeias ausmisten (säubern). (Eine Herkulesarbeit verrichten.)
Sen.apocol.7,5

1375
Nec cor nec caput habet.
Er hat weder Herz noch Kopf.
Sen.apocol.8,1

1391
Vos mera mapalia fecistis.
Ihr habt die Versammlung zu einem richtigen Kaffernkral gemacht.
Sen.apocol.9,1

1373
Ferrum meum in igne est.
Mein Eisen ist im Feuer.
Sen.apocol.9,6

1392
Manus manum lavat.
Eine Hand wäscht die andere.
Sen.apocol.9,6; Petron.45,13


Literatur:
zu "Sen" und "apocol"
1684
Bringman, K.,
Senecas "Apocolocyntosis": Ein Forschungsbericht 1959-1982
in: ANRW II.32.2 (1985) 885-914
booklooker
zvab

2933
Seneca, L. Annaeus / Binder, Gerhard
Apokolokyntosis. Lateinisch und deutsch. Hg. und übers. von Gerhard Binder
Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1999
booklooker
zvab

2140
Veit, Georg
Kaiser Claudius : zwischen Macht und Lächerlichkeit ; Texte von Sueton, Tacitus und Seneca mit Erläuterungen ; Arbeitsaufräge, Begleittexte, Lernwortschatz und Stilistik
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1995
booklooker
zvab


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