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Homer

Odyssee

4. Gesang - deutsch

Telemachos in Sparta

 

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Menelaos, der seine Kinder ausstattet, bewirtet die Fremdlinge, und äußert mit Helena teilnehmende Liebe für Odysseus. Telemachos wird erkannt. Aufheiterndes Mittel der Helena, und Erzählungen von Odysseus. Am Morgen fragt Telemachos nach dem Vater. Menelaos erzählt, was ihm der ägyptische Proteus von der Rückkehr der Achaier, und dem Aufenthalt des Odysseus bei der Kalypso, geweissagt. Die Freier beschließen den heimkehrenden Telemachos zwischen Ithaka und Samos zu ermorden. Medon entdeckt's der Penelopeia. Sie fleht zur Athene, und wird durch ein Traumbild getröstet.
Und sie erreichten im Tale die große Stadt Lakedaimon,
Lenkten darauf zur Burg Menelaos' des Ehregekrönten.
Und Menelaos feirte mit vielen Freunden die Hochzeit
Seines Sohnes im Hause, und seiner lieblichen Tochter.
Diese sandt' er dem Sohne des Scharentrenners Achilleus.
Denn er gelobte sie ihm vordem im troischen Lande;
Und die himmlischen Götter vollendeten ihre Vermählung.
Jetzo sandt' er sie hin, mit Rossen und Wagen begleitet,
Zu der berühmten Stadt des Myrmidonenbeherrschers.
Aber dem Sohne gab er aus Sparta die Tochter Alektors,
Megapenthes dem Starken, den ihm in späterem Alter
Eine Sklavin gebar. Denn Helenen schenkten die Götter
Keine Frucht, nachdem sie die liebliche Tochter geboren,
Hermione, ein Bild der goldenen Aphrodite.
Aber die Rosse hielten am Tore des hohen Palastes,
Und Telemachos harrte mit Nestors glänzendem Sohne.
Siehe da kam Eteoneus hervor, und sahe die Fremden,
Dieser geschäftige Diener des herrlichen Menelaos.
Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Könige Botschaft,
Also feierten dort im hochgewölbeten Saale
Alle Nachbarn und Freunde des herrlichen Menelaos
Fröhlich am Mahle das Fest. Es sang ein göttlicher Sänger
In die Harfe sein Lied. Und zwei nachahmende Tänzer
Stimmten an den Gesang, und dreheten sich in der Mitte.
Stellte sich nahe vor ihn, und sprach die geflügelten Worte:
Fremde Männer sind draußen, o göttlicher Held Menelaos,
Zwei an der Zahl, von Gestalt wie Söhne des großen Kronions!
Sage mir, sollen wir gleich abspannen die hurtigen Rosse;
Oder sie weiter senden, damit sie ein andrer bewirte?
Voll Unwillens begann Menelaos der Bräunlichgelockte:
Ehmals warst du kein Tor, Boethos' Sohn Eteoneus;
Aber du plauderst jetzt, wie ein Knabe, so törichte Worte!
Wahrlich wir haben ja beid' in Häusern anderer Menschen
So viel Gutes genossen, bis wir heimkehrten! Uns wolle
Zeus auch künftig vor Not bewahren! Drum spanne die Rosse
Hurtig ab, und führe die Männer zu unserem Gastmahl!
Also sprach er; und schnell durcheilete jener die Wohnung,
Rief die geschäftigen Diener zusammen, dass sie ihm folgten.
Und nun spanneten sie vom Joche die schäumenden Rosse,
Führten sie dann in den Stall, und banden sie fest an die Krippen,
Schütteten Hafer hinein, mit gelblicher Gerste gemenget,
Stellten darauf den Wagen an eine der schimmernden Wände,
Führten endlich die Männer hinein in die göttliche Wohnung.
Staunend sahn sie die Burg des göttergesegneten Königs.
Gleich dem Strahle der Sonn', und gleich dem Schimmer des Mondes
Blinkte die hohe Burg Menelaos' des Ehregekrönten.
Und nachdem sie ihr Herz mit bewunderndem Blicke gesättigt,
Stiegen sie beide zum Bad' in schöngeglättete Wannen.
Als sie die Mägde gebadet, und drauf mit Öle gesalbet,
Und mit wolligem Mantel und Leibrock hatten bekleidet;
Setzten sie sich auf Throne bei Atreus' Sohn Menelaos.
Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne
Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum Waschen
Ihnen die Händ', und stellte vor sie die geglättete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.
Hierauf kam der Zerleger, und bracht' in erhobenen Schüsseln
Allerlei Fleisch, und setzte vor sie die goldenen Becher.
Beiden reichte die Hände der Held Menelaos, und sagte:
Langt nun zu, und esst mit Wohlgefallen, ihr Freunde!
Habt ihr euch dann mit Speise gestärkt, dann wollen wir fragen,
Wer ihr seid. Denn wahrlich aus keinem versunknen Geschlechte
Stammt ihr, sondern ihr stammt von edlen zeptergeschmückten
Königen her; denn gewiss Unedle zeugen nicht solche!
Also sprach er, und reichte den fetten gebratenen Rückgrat
Von dem Rinde den Gästen, der ihm zur Ehre bestimmt war.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Neigte Telemachos sein Haupt zum Sohne des Nestor,
Und sprach leise zu ihm, damit es die andern nicht hörten:
Schaue doch, Nestoride, du meines Herzens Geliebter,
Schaue den Glanz des Erzes umher in der hallenden Wohnung,
Und des Goldes und Ambras und Elfenbeines und Silbers!
Also glänzt wohl von innen der Hof des olympischen Gottes!
Welch ein unendlicher Schatz! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick!
Seine Rede vernahm Menelaos der Bräunlichgelockte,
Wandte sich gegen die Fremden, und sprach die geflügelten Worte:
Liebe Söhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner;
Ewig besteht des Unendlichen Burg und alles, was sein ist!
Doch von den Menschen mag einer mit mir sich messen an Reichtum,
Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren
Bracht' ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat;
Ward nach Kypros vorher, nach Phoinike gestürmt und Aigyptos,
Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember,
Libya selbst, wo schon den Lämmern Hörner entkeimen.
Denn es gebären dreimal im Laufe des Jahres die Schafe.
Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten,
Weder an Käse noch Fleisch noch süßer Milch von der Herde,
Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht.
Also durchirrt' ich die Länder, und sammelte großes Vermögen.
Aber indessen erschlug mir meinen Bruder ein andrer
Heimlich, mit Meuchelmord, durch die List des heillosen Weibes:
Dass ich gewiss nicht froh dies große Vermögen beherrsche!
Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vätern gehöret,
Wer sie auch sein. Denn viel, sehr vieles hab' ich erlitten,
Und mein prächtiges Haus voll köstlicher Güter zerrüttet!
Könnt' ich nur jetzo darin mit dem dritten Teile der Güter
Wohnen, und lebten die Männer, die im Gefilde vor Troia
Hingesunken sind, fern von der rossenährenden Argos!
Aber dennoch, wie sehr ich sie alle klag' und beweine;
(Oftmal hab' ich hier so in meinem Hause gesessen,
Und mir jetzo mit Tränen das Herz erleichtert, und jetzo
Wieder geruht; denn bald ermüdet der starrende Kummer!)
Dennoch, wie sehr ich traure, bewein' ich alle nicht so sehr,
Als den einen, der mir den Schlaf und die Speise verleidet,
Denk' ich seiner! Denn das hat kein Achaier erduldet,
Was Odysseus erduldet' und trug! Ihm selber war Unglück
Von dem Schicksal bestimmt, und mir unendlicher Jammer,
Seinethalben des Langabwesenden, weil wir nicht wissen,
Ob er leb' oder tot sei. Vielleicht beweinen ihn jetzo
Schon Laertes der Greis, und die keusche Penelopeia,
Und Telemachos, den er als Kind im Hause zurückließ!
Also sprach er, und rührte Telemachos herzlich zu weinen.
Seinen Wimpern entstürzte die Träne, als er vorn Vater
Hörte; da hüllt' er sich schnell vor die Augen den purpurnen Mantel,
Fassend mit beiden Händen; und Menelaos erkannt' ihn.
Dieser dachte darauf umher in zweifelnder Seele:
Ob er ihn ruhig ließe an seinen Vater gedenken;
Oder ob er zuerst ihn fragt', und alles erforschte.
Als er solche Gedanken in zweifelnder Seele bewegte;
Wallte Helena her aus der hohen duftenden Kammer,
Artemis gleich an Gestalt, der Göttin mit goldener Spindel.
Dieser setzte sofort Adraste den zierlichen Sessel;
Und Alkippe brachte den weichen wolligen Teppich.
Phylo brachte den silbernen Korb, den ehmals Alkandre
Ihr verehrte, die Gattin des Polybos, welcher in Thebai
Wohnte, Aigyptos Stadt voll schätzereicher Paläste.
Dieser gab Menelaos zwei Badewannen von Silber,
Zwei dreifüßige Kessel, und zehn Talente des Goldes.
Aber Helenen gab Alkandre schöne Geschenke,
Eine goldene Spindel im länglichgeründeten Korbe,
Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geschmückt war.
Diesen setzte vor sie die fleißige Dienerin Phylo,
Angefüllt mit geknäueltem Garn, und über dem Garne
Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle.
Helena saß auf dem Sessel; ein Schemel stützte die Füße.
Und sie fragte sogleich den Gemahl nach allem, und sagte:
Wissen wir schon, Menelaos du Göttlicher, welches Geschlechtes
Diese Männer sich rühmen, die unsere Wohnung besuchen?
Irr' ich, oder ahnet mir wahr? Ich kann es nicht bergen!
Niemals erschien mir ein Mensch mit solcher ähnlichen Bildung,
Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfüllt mich der Anblick!)
Als der Jüngling dort des edelgesinnten Odysseus'
Sohne Telemachos gleicht, den er als Säugling daheimließ,
Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergessne zu rächen,
Hin gen Ilion schifftet, mit Tod und Verderben gerüstet!
Ihr antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte:
Ebenso denke auch ich, o Frau, wie du jetzo vermutest.
Denn so waren die Händ', und so die Füße des Helden,
So die Blicke der Augen, das Haupt und die lockigen Haare.
Auch gedacht' ich jetzo des edelgesinnten Odysseus,
Und erzählte, wie jener für mich so mancherlei Elend
Duldete; siehe da drang aus seinen Augen die Träne,
Und er verhüllete schnell mit dem Purpurmantel sein Antlitz.
Und der Nestoride Peisistratos sagte dagegen:
Atreus' Sohn, Menelaos, du göttlicher Führer des Volkes,
Dieser ist wirklich der Sohn Odysseus', wie du vermutest.
Aber er ist bescheiden, und hält es für unanständig,
Gleich, nachdem er gekommen, so dreist entgegen zu schwatzt
Deiner Rede, die uns, wie eines Gottes, erfreuet.
Und mich sandte mein Vater, der Rossebändiger Nestor,
Diesen hierher zu geleiten, der dich zu sehen begehrte,
Dass du ihm Rat erteiltest zu Worten oder zu Taten.
Denn viel leidet ein Sohn des langabwesenden Vaters,
Wenn er, im Hause verlassen, von keinem Freunde beschützt wird:
Wie Telemachos jetzt! Sein Vater ist ferne, und niemand
Regt sich im ganzen Volke, von ihm die Plage zu wenden!
Ihm antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte:
Götter, so ist ja mein Gast der Sohn des geliebtesten Freundes,
Welcher um meinetwillen so viele Gefahren erduldet!
Und ich hoffte, dem Kommenden einst vor allen Argeiern
Wohlzutun, hätt' uns der Olympier Zeus Kronion
Glückliche Wiederkehr in den schnellen Schiffen gewähret!
Eine Stadt und ein Haus in Argos wollt' ich ihm schenken,
Und ihn aus Ithaka führen mit seinem ganzen Vermögen.
Seinem Sohn und dem Volk, und räumen eine der Städte,
Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen.
Oft besuchten wir dann als Nachbarn einer den andern,
Und nichts trennt' uns beid' in unserer seligen Eintracht,
Bis uns die schwarze Wolke des Todes endlich umhüllte!
Aber ein solches Glück missgönnte mir einer der Götter,
Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr!
Also sprach er, und rührte sie alle zu herzlichen Tränen.
Argos' Helena weinte, die Tochter des großen Kronions,
Und Telemachos weinte, und Atreus' Sohn Menelaos.
Auch Peisistratos konnte sich nicht der Tränen enthalten;
Denn ihm trat vor die Seele des edlen Antilochos' Bildnis,
Welchen der glänzende Sohn der Morgenröte getötet.
Dessen gedacht' er jetzo, und sprach die geflügelten Worte:
Atreus' Sohn Menelaos, vor allen Menschen verständig,
Rühmte dich Nestor der Greis, so oft wir deiner gedachten
In des Vaters Palast, und uns miteinander besprachen.
Darum, ist es dir möglich, gehorche mir jetzo. Ich finde
Kein Vergnügen an Tränen beim Abendessen; auch morgen
Dämmert ein Tag für uns. Ich tadele freilich mitnichten,
Dass man den Toten beweine, der sein Verhängnis erfüllt hat.
Ist doch dieses allein der armen Sterblichen Ehre,
Dass man schere sein Haar, und die Wange mit Tränen benetze.
Auch mein Bruder verlor sein Leben, nicht der geringste
Im argeiischen Heer! Du wirst ihn kennen; ich selber
Hab' ihn nimmer gesehen: doch rühmen Antilochos alle,
Dass er an Schnelle des Laufs und in Kriegsmut andre besieget.
Ihm antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte:
Lieber, du redest so, wie ein Mann von reifem Verstande
Reden und handeln muss, und wär' er auch höheres Alters.
Denn du redest als Sohn von einem verständigen Vater.
Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion
schmückte mit himmlischem Segen bei seiner Geburt und Vermählung.
Also krönet er nun auch Nestors Tage mit Wohlfahrt;
Denn er freut sich im Hause des stillen behaglichen Alters,
Und verständiger Söhne, geübt die Lanze zu schwingen.
Lasst uns also des Grams und unserer Tränen vergessen,
Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße
Unsere Hände mit Wasser! Auch morgen wird Zeit zu Gesprächen
Mit Telemachos sein, uns beiden das Herz zu erleichtern!
Sprach's, und eilend begoss Asphalion ihnen die Hände,
Dieser geschäftige Diener des herrlichen Menelaos.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Aber ein Neues ersann die liebliche Tochter Kronions:
Siehe sie warf in den Wein, wovon sie tranken, ein Mittel
Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedächtnis.
Kostet einer des Weins, mit dieser Würze gemischet;
Dann benetzet den Tag ihm keine Träne die Wangen,
Wär' ihm auch sein Vater und seine Mutter gestorben,
Würde vor ihm sein Bruder, und sein geliebtester Sohn auch
Mit dem Schwerte getötet, dass seine Augen es sähen.
Siehe so heilsam war die künstlichbereitete Würze,
Welche Helenen einst die Gemahlin Thons Polydamna
In Aigyptos geschenkt. Dort bringt die fruchtbare Erde
Mancherlei Säfte hervor, zu guter und schädlicher Mischung;
Dort ist jeder ein Arzt, und übertrifft an Erfahrung
Alle Menschen; denn wahrlich sie sind vom Geschlechte Paieons.
Als sie die Würze vermischt, und einzuschenken befohlen,
Da begann sie von neuem, und sprach mit freundlicher Stimme:
Atreus' göttlicher Sohn Menelaos, und ihr geliebten
Söhne tapferer Männer; es sendet im ewigen Wechsel
Zeus bald Gutes bald Böses herab, denn er herrschet mit Allmacht.
Auf, genießet denn jetzo in unserem Hause des Mahles,
Euch mit Gesprächen erfreuend! Ich will euch was Frohes erzählen.
Alles kann ich euch zwar nicht nennen oder beschreiben,
Alle mutigen Taten des leidengeübten Odysseus;
Sondern nur eine Gefahr, die der tapfere Krieger bestanden
In dein troischen Lande, wo Not euch Achaier umdrängte.
Seht, er hatte sich selbst unwürdige Striemen gegeißelt,
Und nachdem er die Schultern mit schlechten Lumpen umhüllet,
Ging er in Sklavengestalt zur Stadt der feindlichen Männer.
Ganz ein anderer Mann, ein Bettler schien er von Ansehn,
So wie er wahrlich nicht im achaiischen Lager einherging.
Also kam er zur Stadt der Troer; und sie verkannten
Alle den Helden; nur ich entdeckt' ihn unter der Hülle,
Und befragt' ihn: doch er fand immer listige Ausflucht.
Aber als ich ihn jetzo gebadet, mit Öle gesalbet,
Und mit Kleidern geschmückt, und drauf bei den Göttern geschworen,
Dass ich Odysseus den Troern nicht eher wollte verraten,
Bis er die schnellen Schiff' und Zelte wieder erreichet;
Da verkündet' er mir den ganzen Entwurf der Achaier.
Als er nun viele der Troer mit langem Erze getötet,
Kehrt' er zu den Argeiern, mit großer Kunde bereichert.
Laut wehklageten jetzo die andern Weiber in Troia;
Aber mein Herz frohlockte; denn herzlich wünscht' ich die Heimkehr,
Und beweinte den Jammer, den Aphrodite gestiftet,
Als sie mich dorthin, fern vorn Vaterlande geführet,
Und von der Tochter getrennt, dem Eh'bett und dem Gemahle,
Dem kein Adel gebricht des Geistes oder der Bildung!
Ihr antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte:
Dieses alles ist wahr, o Helena, was du erzähltest.
Denn ich habe schon mancher Gesinnung und Tugend gelernet,
Hochberühmter Helden, und hab' viel Länder durchwandert;
Aber ein solcher Mann kam mir noch nimmer vor Augen,
Gleich an erhabener Seele dem leidengeübten Odysseus!
Also bestand er auch jene Gefahr, mit Kühnheit und Gleichmut,
In dem gezimmerten Rosse, worin wir Fürsten der Griechen
Alle saßen, und Tod und Verderben gen Ilion brachten.
Dorthin kamest auch du, gewiss von einem der Götter
Hingeführt, der etwa die Troer zu ehren gedachte;
Und der göttergleiche Deiphobos war dein Begleiter.
Dreimal umwandeltest du das feindliche Männergehäuse,
Rings betastend, und riefst der tapfersten Helden Achaias
Namen, indem du die Stimme von aller Gemahlinnen annahmst.
Aber ich und Tydeus' Sohn und der edle Odysseus
Saßen dort in der Mitte, und höreten, wie du uns riefest.
Plötzlich fuhren wir auf, wir beiden andern, entschlossen,
Auszusteigen, oder von innen uns hören zu lassen.
Aber Odysseus hielt uns zurück von dem raschen Entschlusse.
Jetzo saßen wir still, und alle Söhne der Griechen.
Nur Antiklos wollte dir Antwort geben; doch eilend
Sprang Odysseus hinzu, und drückte mit nervigen Händen
Fest den Mund ihm zusammen, und rettete alle Achaier;
Eher ließ er ihn nicht, bis Athene von dannen dich führte.
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Atreus' Sohn Menelaos, du göttlicher Führer des Volkes,
Desto betrübter! Denn alles entriss ihn dem traurigen Tode
Nicht, und hätt' er im Busen ein Herz von Eisen getragen!
Aber lasset uns nun zu Bette gehen, damit uns
Jetzo auch die Ruhe des süßen Schlafes erquicke.
Als er dieses gesagt, rief Helena eilend den Mägden,
Unter die Halle ein Bett zu setzen, unten von Purpur
Prächtige Polster zu legen, und Teppiche drüber zu breiten,
Hierauf wenige Mäntel zur Oberdecke zu legen.
Und sie enteilten dem Saal, in den Händen die leuchtende Fackel,
Und bereiteten schnell das Lager. Aber ein Herold
Führte Telemachos hin, samt Nestors glänzendem Sohne.
Also ruhten sie dort in der Halle vor dem Palaste.
Und der Atreide schlief im Innern des hohen Palastes;
Helena ruhte bei ihm, die schönste unter den Weibern.
Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Sprang er vom Lager empor, der Rufer im Streit Menelaos,
Legte die Kleider an, und hing das Schwert um die Schulter,
Band die schönen Sohlen sich unter die zierlichen Füße,
Trat aus der Kammer hervor, geschmückt mit göttlicher Hoheit,
Ging und setzte sich neben Telemachos nieder, und sagte:
Welches Geschäft, o edler Telemachos, führte dich hierher,
Über das weite Meer, zur göttlichen Stadt Lakedaimon?
Deines, oder des Volks? Verkünde mir lautere Wahrheit!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Atreus' Sohn Menelaos, du göttlicher Führer des Volkes,
Darum kam ich zu dir, um Kunde vom Vater zu hören.
Ausgezehrt wird mein Haus, und Hof und Äcker verwüstet;
Denn feindselige Männer erfüllen die Wohnung und schlachten
Meine Ziegen und Schaf' und mein schwerwandelndes Hornvieh,
Freier meiner Mutter, voll übermütiges Trotzes.
Darum fleh ich dir jetzo, die Knie' umfassend, du wollest
Seinen traurigen Tod mir verkündigen; ob du ihn selber
Ansahst, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer
Ihn erfuhrst: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter!
Aber schmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid;
Sondern erzähle mir treulich, was deine Augen gesehen.
Flehend beschwör' ich dich, hat je mein Vater Odysseus
Einen Wunsch dir gewährt mit Worten oder mit Taten,
In dem troischen Lande, wo Not euch Achaier umdrängte:
Dass du, dessen gedenkend, mir jetzo Wahrheit verkündest!
Voll Unwillens begann Menelaos der Bräunlichgelockte:
O ihr Götter, ins Lager des übergewaltigen Mannes
Wollten jene sich legen, die feigen verworfenen Menschen!
Aber wie wenn in den Dickicht des starken Löwen die Hirschkuh
Ihre saugenden Jungen, die neugeborenen, hinlegt,
Dann auf den Bergen umher und kräuterbewachsenen Tälern
Weide sucht; und jener darauf in sein Lager zurückkehrt,
Und den Zwillingen beiden ein schreckliches Ende bereitet:
So wird jenen Odysseus ein schreckliches Ende bereiten!
Wenn er, o Vater Zeus, Athene und Phoibos Apollon!
Doch in jener Gestalt, wie er einst in der fruchtbaren Lesbos
Sich mit Philomeleides zum Wetteringen emporhob,
Und auf den Boden ihn warf, dass alle Achaier sich freuten;
Wenn doch in jener Gestalt Odysseus den Freiern erschiene!
Bald wär' ihr Leben gekürzt, und ihnen die Heirat verbittert!
Aber warum du mich fragst und bittest, das will ich geradaus
Ohn' Umschweife dir sagen, und nicht durch Lügen dich täuschen;
Sondern was mir der wahrhafte Greis des Meeres geweissagt,
Davon will ich kein Wort dir bergen oder verhehlen.
Noch in Aigyptos hielten, wie sehr ich nach Hause verlangte,
Mich die Unsterblichen auf, denn ich versäumte die Opfer;
Und wir sollen nimmer der Götter Gebote vergessen.
Eine der Inseln liegt im wogenstürmenden Meere
Vor des Aigyptos Strome; die Menschen nennen sie Pharos:
Von dem Strome so weit, als wohlgerüstete Schiffe
Tages fahren, wenn rauschend der Wind die Segel erfüllet.
Dort ist ein sicherer Hafen, allwo die Schiffer gewöhnlich
Frisches Wasser sich schöpfen, und weiter die Wogen durchsegeln.
Allda hielten die Götter mich zwanzig Tage; denn niemals
Wehten günstige Wind' in die See hinüber, die Schiffe
Über den breiten Rücken des Meeres hinzugeleiten,
Und bald wäre die Speis' und der Mut der Männer geschwunden,
Hätte mich nicht erbarmend der Himmlischen eine gerettet.
Aber Eidothea, des grauen Wogenbeherrschers
Proteus' Tochter bemerkt' es, und fühlte herzliches Mitleid.
Diese begegnete mir, da ich fern von den Freunden umherging;
Denn sie streiften beständig, vom nagenden Hunger gefoltert,
Durch die Insel, um Fische mit krummer Angel zu fangen.
Und sie nahte sich mir, und sprach mit freundlicher Stimme:
Fremdling, bist du so gar einfältig, oder so träge?
Oder zauderst du gern, und findest Vergnügen am Elend:
Dass du so lang auf der Insel verweilst? Ist nirgends ein Ausweg
Aus dem Jammer zu sehn, da das Herz den Genossen entschwindet?
Also sprach sie; und ich antwortete wieder und sagte:
Ich verkündige dir, o Göttin, wie du auch heißest,
Dass ich mitnichten gerne verweile; sondern gesündigt
Hab' ich vielleicht an den Göttern, des weiten Himmels Bewohnern.
Aber sage mir doch, die Götter wissen ja alles!
Wer der Unsterblichen hält mich hier auf, und hindert die Reise?
Und wie gelang' ich heim auf dem fischdurchwimmelten Meere?
Also sprach ich; mir gab die hohe Göttin zur Antwort:
Gerne will ich, o Fremdling, dir lautere Wahrheit verkünden.
Hier am Gestade schaltet ein grauer Bewohner des Meeres,
Proteus, der wahrhafte Gott aus Aigyptos, welcher des Meeres
Dunkle Tiefen kennt, ein treuer Diener Poseidons.
Dieser ist, wie man sagt, mein Vater, der mich gezeuget.
Wüsstest du diesen nur durch heimliche List zu erhaschen;
Er weissagte dir wohl den Weg und die Mittel der Reise,
Und wie du heimgelangst auf dem fischdurchwimmelten Meere.
Auch verkündigt' er dir, Zeus' Liebling, wenn du es wolltest,
Was dir Böses und Gutes in deinem Hause geschehn sei,
Weil du ferne warst auf der weiten gefährlichen Reise.
Also sprach sie; und ich antwortete wieder, und sagte:
Nun verkünde mir selber, wie fang' ich den göttlichen Meergreis,
Dass er mir nicht entfliehe, mich sehend oder auch ahnend?
Wahrlich, schwer wird ein Gott vom sterblichen Manne bezwungen!
Also sprach ich; mir gab die hohe Göttin zur Antwort:
Gerne will ich, o Fremdling, dir lautere Wahrheit verkünden.
Wann die Mittagssonne den hohen Himmel besteiget,
Siehe dann kommt aus der Flut der graue untrügliche Meergott,
Unter dem Wehn des Westes, umhüllt vom schwarzen Gekräusel,
Legt sich hin zum Schlummer in überhangende Grotten,
Und flossfüßige Robben der lieblichen Halosydne
Ruhn in Scharen um ihn, dem grauen Gewässer entstiegen,
Und verbreiten umher des Meeres herbe Gerüche.
Dorthin will ich dich führen, sobald der Morgen sich rötet,
Und in die Reihe dich legen. Du aber wähle mit Vorsicht
Drei von den kühnsten Genossen der schöngebordeten Schiffe.
Alle furchtbaren Künste des Greises will ich dir nennen
Erstlich geht er umher, und zählt die liegenden Robben;
Und nachdem er sie alle bei Fünfen gezählt und betrachtet,
Legt er sich mitten hinein, wie ein Schäfer zwischen die Herde.
Aber sobald ihr seht, dass er zum Schlummer sich hinlegt;
Dann erhebet euch mutig, und übet Gewalt und Stärke,
Haltet den Sträubenden fest, wie sehr er auch ringt zu entfliehen!
Denn der Zauberer wird sich in alle Dinge verwandeln,
Was auf der Erde lebt, in Wasser und loderndes Feuer.
Aber greift unerschrocken ihn an, und haltet noch fester!
Wenn er nun endlich selbst euch anzureden beginnet,
In der Gestalt, worin ihr ihn saht zum Schlummer sich legen;
Dann lass ab von deiner Gewalt, und löse den Meergreis,
Edler Held, und frag' ihn, wer unter den Göttern dir zürne,
Und wie du heimgelangst auf dem fischdurchwimmelten Meere.
Also sprach sie, und sprang in die hochaufwallende Woge.
Aber ich ging zu den Schiffen, wo sie im Sande des Ufers
Standen; und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele.
Als ich jetzo mein Schiff und des Meeres Ufer erreichte,
Da bereiteten wir das Mahl. Die ambrosische Nacht kam;
Und wir lagerten uns am rauschenden Ufer des Meeres.
Als die heilige Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Ging ich längst dem Gestade des weithinflutenden Meeres
Fort, und betete viel zu den Himmlischen. Von den Genossen
Folgten mir drei, bewährt vor allen an Kühnheit und Stärke.
Aber indessen fuhr Eidothea tief in des Meeres
Weiten Busen, und trug vier Robbenfelle von dannen,
Welche sie frisch abzog; und entwarf die Täuschung des Vaters.
Jedem höhlete sie ein Lager im Sande des Meeres,
Saß und erwartete uns. Sobald wir die Göttin erreichten,
Legte sie uns nach der Reih', und hüllte jedem ein Fell um.
Wahrlich die Lauer bekam uns fürchterlich! Bis zum Ersticken
Quält' uns der tranige Dunst der meergemästeten Robben!
Denn wer ruhte wohl gerne bei Ungeheuern des Meeres?
Aber die Göttin ersann zu unserer Rettung ein Labsal:
Denn sie strich uns allen Ambrosia unter die Nasen,
Dessen lieblicher Duft des Tranes Gerüche vertilgte.
Also lauerten wir den ganzen Morgen geduldig.
Scharweis kamen die Robben nun aus dem Wasser, und legten
Nach der Reihe sich hin am rauschenden Ufer des Meeres.
Aber am Mittag kam der göttliche Greis aus dem Wasser,
Ging bei den feisten Robben umher, und zählte sie alle.
Also zählt' er auch uns für Ungeheuer, und dachte
Gar an keinen Betrug; dann legt' er sich selber zu ihnen.
Plötzlich fuhren wir auf mit Geschrei, und schlangen die Hände
Schnell um den Greis; doch dieser vergaß der betrüglichen Kunst nicht.
Erstlich ward er ein Leu mit fürchterlich wallender Mähne,
Drauf ein Pardel, ein bläulicher Drach', und ein zürnender Eber,
Floss dann als Wasser dahin, und rauscht' als Baum in den Wolken.
Aber wir hielten ihn fest mit unerschrockener Seele.
Als nun der zaubernde Greis ermüdete sich zu verwandeln,
Da begann er selber mich anzureden, und fragte:
Welcher unter den Göttern, Atreide, gab dir den Anschlag,
Dass du mit Hinterlist mich Fliehenden fängst? Was bedarfst du?
Also sprach er; und ich antwortete wieder, und sagte:
Alter, du weißt es, (warum verstellst du dich, dieses zu fragen?)
Dass ich so lang' auf dieser Insel verweil', und nirgends ein Ausweg
Aus dem Jammer sich zeigt, da das Herz den Genossen entschwindet!
Drum verkündige mir, die Götter wissen ja alles!
Wer der Unsterblichen hält mich hier auf, und hindert die Reise?
Und wie gelang ich heim auf dem fischdurchwimmelten Meere?
Also sprach ich; der Greis antwortete wieder, und sagte:
Aber du solltest auch Zeus und den andern unsterblichen Göttern
Opfern, als du die Schiffe bestiegst, damit du geschwinder
Deine Heimat erreichtest, die dunkle Woge durchsteuernd!
Denn dir versagt das Schicksal, die Deinigen wieder zu sehen
Und dein prächtiges Haus und deiner Väter Gefilde,
Bis du wieder zurück zu des himmelernährten Aigyptos
Wassern segelst, und dort mit heiligen Hekatomben
Sühnst der Unsterblichen Zorn, die den weiten Himmel bewohnen:
Dann verleihn dir die Götter die Heimfahrt, welche du wünschest.
Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis,
Weil er mir wieder befahl, auf dem dunkelwogenden Meere
Nach dem Aigyptos zu schiffen, die weite gefährliche Reise.
Aber ich fasste mich doch, und gab ihm dieses zur Antwort:
Göttlicher Greis, ich will ausrichten, was du befiehlest,
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit:
Sind die Danaer all' unbeschädigt wiedergekehret,
Welche Nestor und ich beim Scheiden in Troia verließen?
Oder ward einer im Schiffe vom bittern Verderben ereilet,
Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg vollendet?
Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte:
Warum fragst du mich das, Sohn Atreus'? Du musst nicht alles
Wissen, noch meine Gedanken erforschen! Du möchtest nicht lange
Dich der Tränen enthalten, wenn du das alles erführest!
Siehe, gefallen sind viele davon, und viele noch übrig;
Aber nur zwei Heerführer der erzgepanzerten Griechen
Raffte die Heimfahrt hin; in der Feldschlacht warest du selber.
Einer der Lebenden wird im weiten Meere gehalten.
Aias versank in die See mit den langberuderten Schiffen.
Anfangs rettete zwar den Scheiternden Poseidaon
Aus den Fluten des Meers an die großen gyraiischen Felsen.
Dort wär' Athenens Feind dem verderbenden Schicksal entronnen,
Hätte der Lästerer nicht voll Übermutes geprahlet,
Dass er den Göttern zum Trotz den stürmenden Wogen entflöhe.
Aber Poseidon vernahm die stolzen Worte des Prahlers,
Und ergriff mit der nervigen Faust den gewaltigen Dreizack,
Schlug den gyraiischen Fels; und er spaltete schnell voneinander.
Eine der Trümmern blieb, die andre stürzt' in die Fluten,
Wo der Achaier saß, und die Gotteslästerung ausstieß;
Und er versank ins unendliche hochaufwogende Weltmeer.
So fand Aias den Tod, ersäuft von der salzigen Welle.
Zwar dein Bruder entfloh der schrecklichen Rache der Göttin
Samt den gebogenen Schiffen; ihn schützte die mächtige Here.
Aber als er sich jetzo dem Vorgebirge Maleia
Näherte, rafft' ihn der wirbelnde Sturm und schleuderte plötzlich
Ihn, den Jammernden, weit in das fischdurchwimmelte Weltmeer,
An die äußerste Küste, allwo vor Zeiten Thyestes
Hatte gewohnt, und jetzo Thyestes' Sohn Aigisthos.
Aber ihm schien auch hier die Heimfahrt glücklich zu enden;
Denn die Götter wandten den Sturm, und trieben ihn heimwärts.
Freudig sprang er vom Schiff ans vaterländische Ufer,
Küsst' und umarmte sein Land, und heiße Tränen entstürzten
Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu sehen.
Ihn erblickte der Wächter auf einer erhabenen Warte,
Von Aigisthos bestellt, der zwei Talente des Goldes
Ihm zum Lohne versprach. Ein Jahr lang hielt er schon Wache,
Dass er nicht heimlich käm', und stürmende Tapferkeit übte.
Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Könige Botschaft;
Und Aigisthos gedachte sogleich des schlauen Betruges.
Zwanzig tapfere Männer erlas er im Volk, und verbarg sie;
Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten.
Jetzo ging er, und lud Agamemnon, den Hirten der Völker,
Prangend mit Rossen und Wagen, sein Herz voll arger Entwürfe;
Führte den nichts argwöhnenden Mann ins Haus, und erschlug ihn
Unter den Freuden des Mahls: so erschlägt man den Stier an der Krippe!
Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamemnons,
Und von Aigisthos keiner; sie stürzten im blutigen Saale.
Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis:
Weinend saß ich im Sande des Meers, und wünschte nicht länger
Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu schauen.
Aber als ich mein Herz durch Weinen und Wälzen erleichtert,
Da erhob er die Stimme, der graue untrügliche Meergott:
Weine nicht immerdar, Sohn Atreus', hemme die Tränen;
Denn wir können damit nichts bessern! Aber versuche
Jetzt, aufs eiligste wieder dein Vaterland zu erreichen.
Jenen findest du noch lebendig, oder Orestes
Tötet ihn schon vor dir: dann kommst du vielleicht zum Begräbnis.
Also sprach er, und stärkte mein edles Herz in dem Busen,
So bekümmert ich war, durch seine frohe Verheißung.
Und ich redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:
Dieser Schicksal weiß ich nunmehr. Doch nenne den Dritten,
Welchen man noch lebendig im weiten Meere zurückhält,
Oder auch tot. Verschweige mir nicht die traurige Botschaft!
Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte:
Das ist der Sohn Laertes, der Ithakas Fluren bewohnet.
Ihn sah ich auf der Insel die bittersten Tränen vergießen,
In dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn
Hält; und er sehnt sich umsonst nach seiner heimischen Insel;
Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern,
Über den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.
Aber dir bestimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos,
Nicht das Schicksal den Tod in der rossenährenden Argos;
Sondern die Götter führen dich einst an die Enden der Erde,
In die elysische Flur, wo der bräunliche Held Radamanthys
Wohnt, und ruhiges Leben die Menschen immer beseligt:
(Dort ist kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen;
Ewig wehn die Gesäusel des leiseatmenden Westes,
Welche der Ozean sendet, die Menschen sanft zu kühlen:)
Weil du Helena hast, und Zeus als Eidam dich ehret.
Also sprach er, und sprang in des Meeres hochwallende Woge.
Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genossen,
Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele.
Als wir jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Da bereiteten wir das Mahl. Die ambrosische Nacht kam;
Und wir lagerten uns ans rauschenden Ufer des Meeres.
Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Zogen wir erst die Schiffe hinab in die heilige Meersflut,
Stellten die Masten empor, und spannten die schwellenden Segel,
Traten dann selber ins Schiff, und setzten uns hin auf die Bänke,
Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern.
Und ich fuhr zum Strome des himmelgenährten Aigyptos,
Landete dort, und brachte den Göttern heilige Opfer.
Und nachdem ich den Zorn der unsterblichen Götter gesühnet,
Häuft' ich ein Grabmal auf, Agamemnon zum ewigen Nachruhm.
Als ich dieses vollbracht, entschifften wir. Günstige Winde
Sandten mir jetzo die Götter, und führten mich schnell zu der Heimat.
Aber ich bitte dich, Lieber, verweil in meinem Palaste,
Bis der elfte der Tage vorbei ist, oder der zwölfte.
Alsdann send' ich dich heim, und schenke dir köstliche Gaben:
Drei der mutigsten Rosse, und einen prächtigen Wagen;
Auch ein schönes Gefäß, damit du den ewigen Göttern
Opfer gießest, und dich beständig meiner erinnerst.
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Atreus' Sohn, berede mich nicht, hier länger zu bleiben.
Denn ich säße mit Freuden bei dir ein ganzes Jahr lang,
Ohne mich jemals heim nach meinen Eltern zu sehnen:
Siehe mit solchem Entzücken erfüllt mich deine Erzählung
Und dein Gespräch! Allein unwillig harren die Freunde
In der göttlichen Pylos; und du verweilst mich noch länger.
Hast du mir ein Geschenk bestimmt, so sei es ein Kleinod.
Rosse nützen mir nicht in Ithaka; darum behalte
Selber diese zur Pracht: du beherrschest flache Gefilde,
Überwachsen mit Klee und würzeduftendem Galgan,
Und mit Weizen und Spelt und weißer fruchtbarer Gerste.
Aber in Ithaka fehlt es an weiten Ebnen und Wiesen;
Ziegen nährt sie: doch lieb' ich sie nicht, als irgend ein Rossland.
Keine der Inseln im Meer' ist mutigen Rossen zur Laufbahn
Oder zur Weide bequem, und Ithaka minder als alle.
Lächelnd hörte den Jüngling der Rufer im Streit Menelaos,
Fasste Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher Stimme:
Edles Geblütes bist du, mein Sohn; das zeuget die Rede!
Gerne will ich dir denn die Geschenke verändern; ich kann's ja!
Von den Schätzen, soviel ich in meinem Hause bewahre,
Geb' ich dir zum Geschenk das schönste und köstlichste Kleinod:
Gebe dir einen Kelch von künstlicherhobener Arbeit,
Aus geläutertem Silber, gefasst mit goldenem Rande;
Und ein Werk von Hephaistos! Ihn gab der Sidonier König
Phaidimos mir, der Held, der einst in seinem Palaste
Mich Heimkehrenden pflegte. Den will ich jetzo dir schenken.
Also besprachen diese sich jetzo untereinander.
Aber die Köche gingen ins Haus des göttlichen Königs,
Führeten Ziegen und Schaf', und trugen stärkende Weine.
Ihre Weiber, geschmückt mit Schleiern, brachten Gebacknes.
Also bereiteten sie im hohen Saale die Mahlzeit.
Aber vor dem Palast Odysseus' schwärmten die Freier,
Und belustigten sich, die Scheib' und die Lanze zu werfen,
Auf dem geebneten Platz, wo sie sonst Mutwillen verübten.
Nur Antinoos saß und Eurymachos, göttlich von Ansehn,
Beide Häupter der Freier, und ihre tapfersten Helden.
Aber Phronios' Sohn Noemon nahte sich ihnen,
Redet' Antinoos an, den Sohn Eupeithes, und fragte:
Ist es uns etwa bekannt, Antinoos, oder verborgen,
Ob Telemachos bald aus der sandigen Pylos zurückkehrt?
Mir gehöret das Schiff, und jetzo brauch' ich es selber,
Nach den Auen von Ailis hinüber zu fahren. Es weiden
Dort zwölf Stuten für mich, mit jungen lastbaren Mäulern:
Davon möcht' ich mir eins abholen, und zähmen zur Arbeit.
Sprach's; da erstaunten die Freier, dass er die Reise vollendet
Zur neleischen Pylos: sie glaubten, er wär' auf dem Lande,
Wo ihn die weidende Herd' erfreute, oder der Sauhirt.
Und Eupeithes' Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:
Sage mir ohne Falsch: Wann reist' er? Welche Genossen
Folgten aus Ithaka ihm; Freiwillige oder Gedungne,
Und leibeigene Knechte? Wie konnt' er doch dieses vollenden!
Dann erzähle mir auch aufrichtig, damit ich es wisse:
Brauchte der Jüngling Gewalt, dir das schwarze Schiff zu entreißen;
Oder gabst du es ihm gutwillig, als er dich ansprach?
Aber Phronios' Sohn Noemon sagte dagegen:
Selber gab ich es ihm! Wie würd' ein anderer handeln,
Wenn ihn ein solcher Mann, mit so bekümmertem Herzen,
Bäte? Es wäre ja schwer, ihm seine Bitte zu weigern!
Aber die Jünglinge waren die Tapfersten unseres Volkes,
Die ihm folgten; es ging mit diesen, als Führer des Schiffes,
Mentor, oder ein Gott, der jenem gleich an Gestalt war.
Aber das wundert mich: ich sah den trefflichen Mentor
Gestern Morgen noch hier, und damals fuhr er gen Pylos!
Also sprach Noemon, und ging zum Hause des Vaters.
Aber den beiden wühlte der Schmerz in der stolzen Seele.
Und die Freier verließen ihr Spiel, und setzten sich nieder.
Aber Eupeithes' Sohn Antinoos sprach zur Versammlung,
Glühend vor Zorn; ihm schwoll von schwarzer strömender Galle
Hoch die Brust, und den Augen entfunkelte strahlendes Feuer:
Wahrlich ein großes Werk hat Telemachos kühnlich vollendet!
Diese Reise! Wir dachten, er würde sie nimmer vollenden;
Und trotz allen entwischt er, der junge Knabe, wie spielend,
Rüstet ein Schiff, und wählt sich die tapfersten Männer im Volke!
Der verspricht uns hinfort erst Unheil! Aber ihm tilge
Zeus die mutige Kraft, bevor er uns Schaden bereitet!
Auf! und gebt mir ein rüstiges Schiff und zwanzig Gefährten,
Dass ich dem Reisenden selbst auflaure, wann er zurückkehrt,
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergige Samos;
Dass die Fahrt nach dem Vater ein jämmerlich Ende gewinne!
Also sprach er; sie lobten ihn all', und reizten ihn stärker,
Standen dann auf, und gingen ins Haus des edlen Odysseus.
Penelopeia blieb nicht lang' unkundig des Rates,
Welchen die Freier jetzt in tückischer Seele beschlossen.
Denn ihr verkündete Medon, der Herold, welcher den Ratschluss
Außer dem Hause belauscht, als jene sich drinnen besprachen.
Schnell durcheilt' er die Burg, und brachte der Königin Botschaft.
Als er die Schwelle betrat, da fragt' ihn Penelopeia:
Herold, sage, warum dich die stolzen Freier gesendet!
Etwa dass du den Mägden des hohen Odysseus befehlest,
Von der Arbeit zu ruhn, und ihnen das Mahl zu bereiten?
Möchten die trotzigen Freier sich niemals wieder versammeln,
Sondern ihr letztes Mahl, ihr letztes! heute genießen!
Die ihr hier täglich in Scharen das große Vermögen hinabschlingt,
Alle Güter des klugen Telemachos! Habt ihr denn niemals,
Als ihr noch Kinder war't, von euren Vätern gehöret,
Wie sich gegen sein Volk Odysseus immer betragen,
Wie er keinem sein Recht durch Taten oder durch Worte
Jemals gekränkt? da sonst der mächtigen Könige Brauch ist,
Dass sie einige Menschen verfolgen, und andre hervorziehn?
Aber nie hat Odysseus nach blindem Dünkel gerichtet;
Und ihr zeiget euch ganz in eurer bösen Gesinnung,
Da ihr mit Undank nun so viel Wohltaten vergeltet!
Ihr antwortete drauf der gute verständige Medon:
Königin, wäre doch dieses von allen das äußerste Übel!
Aber ein größeres noch und weit furchtbareres Unglück
Hegen die Freier im Sinne, das Zeus Kronion verhüte!
Deinen Telemachos trachten sie jetzt mit dem Schwerte zu töten,
Wenn er zur Heimat kehrt. Er forscht nach Kunde vom Vater
In der heiligen Pylos, und Lakedaimon der großen.
Sprach's; und Penelopeien erzitterten Herz und Kniee.
Lange vermochte sie nicht, ein Wort zu reden; die Augen
Wurden mit Tränen erfüllt, und atmend stockte die Stimme.
Endlich erholte sie sich, und gab ihm dieses zur Antwort:
Sage mir, Herold, warum mein Sohn denn reiset! Was zwingt ihn
Sich auf die hurtigen Schiffe zu setzen, auf welchen die Männer,
Wie mit Rossen des Meers, das große Wasser durcheilen?
Will er, dass auch sein Name vertilgt sei unter den Menschen?
Ihr antwortete drauf der gute verständige Medon:
Fürstin, ich weiß es nicht, ob ihn ein Himmlischer antrieb,
Oder sein eigenes Herz, nach Pylos zu schiffen, um Kundschaft
Von dem Vater zu suchen, der Heimkehr oder des Todes.
Als er dieses gesagt, durcheilt' er die Wohnung Odysseus.
Seelenangst umströmte die Königin: ach! sie vermochte
Nicht auf den Stühlen zu ruhn, so viel in der Kammer auch waren,
Sondern sank auf die Schwelle des schimmerreichen Gemaches
Lautwehklagend dahin; und um sie jammerten alle
Mägde, jung und alt, so viel im Hause nur waren.
Und mit heftigem Schluchzen begann jetzt Penelopeia:
O Geliebte, mich wählten vor allen Weibern der Erde,
Welche mit mir erwachsen, die Götter zum Ziele des Jammers!
Erst verlor ich den tapfern Gemahl, den Löwenbeherzten,
Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geschmückt war,
Tapfer und weitberühmt von Hellas bis mitten in Argos!
Und nun raubten mir meinen geliebten Sohn die Orkane
Unberühmt aus dem Haus, und ich hörte nichts von der Abfahrt!
Unglückselige Mädchen, wie konntet ihr alle so hart sein,
Dass ihr nicht aus dem Bette mich wecktet, da ihr es wusstet,
Als er von hinnen fuhr im schwarzen gebogenen Schiffe!
Hätt' ich es nur gemerkt, dass er die Reise beschlossen;
Wahrlich er wäre geblieben, wie sehr auch sein Herz ihn dahintrieb.
Oder er hätte mich tot in diesem Hause verlassen!
Aber man rufe geschwinde mir meinen Diener, den alten
Dolios, welchen mein Vater mir mitgab, als ich hierher zog,
Und der jetzo die Bäume des Gartens hütet; damit er,
Hin zu Laertes eilend, ihm dieses alles verkünde!
Jener möchte vielleicht sich eines Rates besinnen,
Und wehklagend zum Volke hinausgehn, welches nun trachtet,
Sein und des göttlichen Helden Odysseus Geschlecht zu vertilgen!
Ihr antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:
Liebe Tochter, töte mich gleich mit dem grausamen Erze,
Oder lass mich im Haus; ich kann es nicht länger verschweigen!
Alles hab' ich gewusst! Ich gab ihm, was er verlangte,
Speise und süßen Wein. Doch musst' ich ihm heilig geloben,
Dir nichts eher zu sagen, bevor zwölf Tage vergangen,
Oder du ihn vermisstest, und hörtest von seiner Entfernung:
Dass du nicht durch Tränen dein schönes Antlitz entstelltest.
Aber bade dich jetzo, und leg' ein reines Gewand an,
Geh hinauf in den Söller mit deinen Mägden, und flehe
Pallas Athenen, der Tochter des wetterleuchtenden Gottes.
Diese wird ihn gewiss, auch selbst aus dem Tode, erretten!
Aber den Greis, den betrübten, betrübe nicht mehr! Unmöglich
Ist den seligen Göttern der Same des Arkeisiaden
Ganz verhasst; ihm bleibt noch jemand, welcher beherrsche
Diesen hohen Palast und rings die fetten Gefilde!
Also sprach sie, und stillte der Königin weinenden Jammer.
Und sie badete sich, und legt' ein reines Gewand an,
Ging hinauf in den Söller, von ihren Mägden begleitet,
Trug die heilige Gerst' im Korb', und flehte Athenen:
Unbezwungene Tochter des wetterleuchtenden Gottes,
Höre mein Flehn: wo dir im Palaste der weise Odysseus
Je von Rindern und Schafen die fetten Lenden verbrannt hat,
Dass du, dessen gedenkend, den lieben Sohn mir errettest,
Und zerstreuest die Freier voll übermütiger Bosheit!
Also flehte sie jammernd; ihr Flehn erhörte die Göttin.
Aber nun lärmten die Freier umher in dem schattigen Saale.
Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling:
Sicher bereitet sich jetzo die schöne Fürstin zur Hochzeit,
Und denkt nicht an den Tod, der ihrem Sohne bevorsteht!
Also sprachen die Freier, und wussten nicht, was geschehn war.
Aber Eupeithes' Sohn Antinoos sprach zur Versammlung:
Unglückselige, meidet die übermütigen Reden
Allzumal, damit uns im Hause keiner verrate!
Lasst uns jetzo vielmehr so still aufstehen, den Ratschluss
Auszuführen, den eben die ganze Versammlung gebilligt!
Also sprach er, und wählte sich zwanzig tapfere Männer.
Und sie eilten zum rüstigen Schiff am Strande des Meeres:
Zogen zuerst das Schiff hinab ins tiefe Gewässer,
Trugen den Mast hinein und die Segel des schwärzlichen Schiffes;
Hängten darauf die Ruder in ihre ledernen Wirbel,
Alles wie sich's gebührt, und spannten die schimmernden Segel,
Ihre Rüstungen brachten die übermütigen Diener.
Und sie stellten das Schiff im hohen Wasser des Hafens,
Stiegen hinein, und nahmen das Mahl, und harrten der Dämmrung.
Aber Penelopeia im oberen Söller des Hauses
Legte sich hin, nicht Trank noch Speise kostend, bekümmert:
Ob ihr trefflicher Sohn entflöhe dem Todesverhängnis,
Oder ob ihn die Schar der trotzigen Freier besiegte.
Wie im Getümmel der Männer die zweifelnde Löwin umherblickt,
Voller Furcht, denn rings umgeben sie laurende Jäger:
Also sann sie voll Angst. Doch sanft umfing sie der Schlummer,
Und sie einschlief hinsinkend, es lösten sich alle Gelenke.
Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:
Siehe, ein Luftgebild erschuf sie in weiblicher Schönheit,
Gleich Iphthimen, des großgesinnten Ikarios' Tochter,
Deren Gemahl Eumelos die Flur um Pherai beherrschte.
Diese sandte die Göttin zum Hause des edlen Odysseus,
Dass sie Penelopeia, die Jammernde, Herzlichbetrübte,
Ruhen ließe vom Weinen, und ihrer zagenden Schwermut.
Und sie schwebt' in die Kammer hinein beim Riemen des Schlosses,
Neigte sich über das Haupt der ruhenden Fürstin, und sagte:
Schläfst du, Penelopeia, du arme Herzlichbetrübte?
Wahrlich sie wollen es nicht, die seligen Götter des Himmels,
Dass du weinst und traurest! Denn wiederkehren zur Heimat
Soll dein Sohn; er hat sich mit nichts an den Göttern versündigt.
Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia,
Aus der süßen Betäubung im stillen Tore der Träume:
Warum kamst du hierher, o Schwester? Du hast mich ja nimmer
Sonst besucht; denn fern ist deine Wohnung von hinnen!
Jetzo ermahnst du mich, zu ruhn von meiner Betrübnis,
Und von der schrecklichen Angst, die meine Seele belastet:
Mich, die den tapfern Gemahl verlor, den Löwenbeherzten,
Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geschmückt war,
Tapfer und weitberühmt von Hellas bis mitten in Argos!
Und nun ging mein Sohn, mein geliebter, im Schiffe von hinnen,
Noch unmündig, und ungeübt in Taten und Worten!
Diesen bejammre ich jetzt noch mehr, als meinen Odysseus!
Diesem erzittert mein Herz, und fürchtet, dass ihn ein Unfall
Treffe, unter dem Volk, wo er hinfährt, oder im Meere!
Denn es lauren auf ihn viel böse Menschen, und trachten
Ihn zu ermorden, bevor er in seine Heimat zurückkehrt!
Und die dunkle Gestalt der Schwester gab ihr zur Antwort:
Sei getrost, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung!
Eine solche Gefährtin begleitet ihn, deren Gesellschaft
Andere Männer gewiss gern wünschten, die mächtige Göttin
Pallas Athene, die sich, o Traurende, deiner erbarmet!
Diese sendet mich jetzo, damit ich dir solches verkünde.
Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Bist du der Göttinnen eine, und hörtest die Stimme der Göttin;
O so erzähle mir auch das Schicksal jenes Verfolgten!
Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch schauend?
Oder ist er schon tot, und in der Schatten Behausung?
Und die dunkle Gestalt der Schwester gab ihr zur Antwort:
Dieses kann ich dir nicht genau verkünden, ob jener
Tot sei, oder noch lebe; und eitles Schwatzen ist unrecht.
Also sprach die Gestalt, und verschwand beim Schlosse der Pforte
In sanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios' Tochter
Schnell aus dem Schlummer empor, und freute sich tief in der Seele,
Dass ihr ein deutender Traum in der Morgendämmrung erschienen.
Aber die Freier im Schiffe befuhren die flüssigen Pfade,
Um den grausamen Mord Telemachos' auszuführen.
Mitten im Meere liegt ein kleines felsiges Eiland,
In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergige Samos,
Asteris wird es genannt, wo ein sicherer Hafen die Schiffe
Mit zwei Armen empfängt. Hier laurten auf ihn die Achaier.
   
  Übersetzung nach J.H.Voß bearbeitet von E.Gottwein

 

 

 

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