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Dion Chrysostomos
Euboikos, oder: Das Glück des einfachen Lebens
7,1 - 7,24
(7,1) Ich will euch
erzählen, was ich selbst gesehen, nicht von andern gehört
habe.1) Macht doch nicht bloß das Alter redselig, dass man keine Gelegenheit
zum Erzählen vorübergehen lässt, sondern auch das
Reisen - natürlich, beide lassen vieles erfahren, woran man
sich gern erinnert. Ich will euch erzählen, was für Leute
ich getroffen habe und wie man leben kann, so zu sagen mitten in
Hellas.
(7,2) Ich setzte von
Chios nach der Sommerzeit mit Fischern in einem ganz kleinen Fahrzeug
nach dem Festland über. Unterwegs befiel uns ein heftiger Sturm,
vor dem wir mit genauer Not unter die Höhlungen von Euböa2) kamen, dort ließen sie das Schiff auf die Klippen unter den
Abhängen auflaufen und strandeten und gingen zu Purpurfischern,
die auf der Landzunge ihr Quartier hatten, wo sie für einige
Zeit Arbeit zu finden hofften.
(7,3) So blieb ich
denn allein, und da ich keinen Ort mich zu bergen wusste, ging ich
aufs Geratewohl am Strand fort, ob ich etwa vorüberfahrende
oder vor Anker liegende Schiffe treffen könnte. Lange Zeit
ging ich vorwärts, ohne einen Menschen zu sehen, da stieß
ich auf einen Hirsch, der eben vom Abhang herab auf den Strand gestürzt
war und von den Wogen umspült noch lebte. Bald darauf glaubte
ich auch von oben her Hundegebell undeutlich durch das Meeresgeräusch
zu hören.
(7,4) Nachdem ich
mich mühselig auf eine Anhöhe hinaufgearbeitet hatte,
sah ich denn auch Hunde, die in Verwirrung durcheinander liefen,
und dachte mir, dass das Tier von ihnen verfolgt den Abhang hinuntergesprungen
sei; gleich hernach auch einen Mann, nach Ansehen und Tracht einen
Jäger, mit vollem Bart und langen Locken am Hinterhaupt, die
ihn gut kleideten, so wie Homer die Euböer vor Troia ziehen
lässt - um sie zu verhöhnen, denke ich, dass sie nur halbgelockt
, die übrigen Achäer aber hauptumlockt waren.3)
(7, 5) Der Mann nun
fragte mich, ob ich etwa einen Hirsch auf der Flucht gesehen habe,
worauf ich ihm erwiderte, dass er schon im Meer liege, und ihn zu
der Stelle brachte. Er zog ihn aus dem Wasser, enthäutete ihn
mit seinem Waidmesser, wobei ich half, so gut ich konnte, und schnitt
die Hinterkeulen ab, die er nebst dem Fell mitnahm. Mich lud er
ein mitzugehen und das Fleisch zu verzehren, seine Wohnung sei nicht
weit entfernt.
(7,6) Morgen,
sagte er, wenn du bei uns ausgeschlafen hast, magst du wieder ans
Meer gehen, das jetzt noch nicht schiffbar ist. Du kannst dabei
ganz unbesorgt sein, ich will nur wünschen, dass der Sturm
in fünf Tagen nachlässt; dies ist schwerlich der Fall,
wenn die Höhen Euböas so von Wolken eingehüllt sind
wie gegenwärtig. Darauf fragte er mich, woher ich komme und
wie es weiter hergegangen sei, ob das Schiff nicht gescheitert sei.
Es war ein ganz kleiner Fischerkahn, sagte ich, mit dem ich fuhr,
weil ich Eile hatte, auch der ist beim Landen zerschellt.
(7,7) Das geht nicht
anders, erwiderte er, sieh nur, wie rauh und wild die Meeresküste
ist. Das sind die verrufenen Höhlungen von Euböa; ein
Schiff, welches hineingerät, ist nicht zu erhalten, nur ganz
selten retten sich einige von der Mannschaft, wenn sie nicht etwa
so leicht fahren wie ihr. Aber nun komm mit und sei nur unbesorgt.
Erst kannst du dich von deinen Beschwerden erholen; morgen, wenn
es möglich ist, wollen wir für dein Fortkommen sorgen,
da wir nun einmal Bekanntschaft gemacht haben.
(7,8) Du scheinst
mir ein Städter zu sein, kein Schiffer oder Landmann und, nach
deiner Magerkeit zu schließen, bist du leidend. Ich ging
herzlich gern mit, Nachstellungen fürchtete ich nicht, da ich
nichts als ein schlechtes Kleid hatte.
(7,9) Das habe ich
auf meinen langen Reisen oft und auch damals erfahren, dass Armut
geheiligt ist und sicherern Schutz verleiht als ein Heroldsstab;4)
(7,10) so ging ich
denn getrost mit ihm. Bis zur Wohnung waren es etwa vierzig Stadien5),
und unterwegs erzählte er mir im Gehen von seinen Verhältnissen
und dem Leben, das er mit Frau und Kindern führte. Wir sind
unserer zwei, sagte er, die denselben Platz bewohnen, wir haben
einer des anderen Schwester geheiratet und von ihnen Söhne
und Töchter.
(7,11) Unseren Unterhalt
haben wir hauptsächlich von der Jagd, doch bebauen wir auch
ein kleines Stück Land; das Grundstück ist indessen nicht
unser Eigentum, weder väterliches Erbteil noch erkauft. Denn
unsere Väter waren Freie, aber so arm wie wir, Hirten, die
um Lohn die Rinder eines reichen Mannes hier von der Insel hüteten,
der große Herden von Pferden, Rindern und Schafen [, viele
schöne Äcker, viele andere Schätze] und dies
ganze Gebirge besaß.
(7,12) Als nach seinem
Tode sein Besitztum eingezogen wurde, (es hieß, der Kaiser
habe ihn seines Vermögens wegen töten lassen), wurden
die Herden gleich zum Verkauf fortgetrieben, mit ihnen auch unsere
paar Rinder, und den Lohn zahlte niemand aus.
(7,13) Da blieben
wir denn aus Not hier, wo wir unsere Kühe hüteten und
wo wir uns ein paar Hütten eingerichtet hatten und einen kleinen
Hof mit Pfählen umzäunt, nicht eben fest, bloß der
Kälber wegen und auch nur für den Sommer. Denn im Winter
weideten wir in der Ebene, wo es Futter die Menge gab, und trieben
im Sommer das Vieh in die Berge. Meistens nehmen wir an diesem Platz
unsern Aufenthalt;
(7,14) er hat Abfluss,
an beiden Seiten ist eine tiefe, schattige Schlucht, mitten durch
geht ein Fluss, nicht reißend, sondern für Kühe
und Kälber gut zu passieren, mit reichlichem klarem Wasser,
weil die Quelle in der Nähe aufsprudelt, und den ganzen Sommer
über zieht der Schlucht wegen ein frischer Wind durch. Die
umliegenden waldigen Höhen steigen sanft an, sind gut bewässert
und haben keine Stechfliegen noch andere Plagen für das Vieh.
(7,15) Unter hohen,
einzeln stehenden Bäumen breiten sich viele prächtige
Wiesen aus und bringen den ganzen Sommer die schönsten Kräuter
in Fülle, dass man nicht weit herumzuziehen braucht. Deshalb
zog man mit den Herden gewöhnlich hierher, und damals blieben
sie denn notgedrungen in den Hütten, um Arbeit und Lohn zu
suchen, und ernährten sich von einem ganz kleinen Stück
Land, das sie in der Nähe der Hürde bebauten
(7,16) und das des
vielen vorhandenen Düngers wegen reichlichen Ertrag gab. Da
sie Zeit hatten, so gaben sie sich auch mit der Jagd ab, allein
und mit Hunden. Denn zwei von den Hunden, welche die Rinder trieben,
hatten, als sie weit weg waren und ihre Hirten nicht sahen, die
Herde verlassen und waren an ihren gewohnten Ort zurückgekehrt.
Die gingen nun anfangs mit wie auch sonst, und wenn sie Wölfe
sahen, so verfolgten sie die eine Strecke weit, um Schweine oder
Hirsche aber kümmerten sie sich nicht.
(7,17) [Sahen sie
früh oder spät einen Bären, so stellten sie ihn,
verbellten ihn und hielten ihn fern, wie wenn sie einen Menschen
abwehrten.] Nachdem sie aber erst von dem Blut und Fleisch der Schweine und Hirsche gekostet hatten, gewöhnten
sie sich, lieber Fleisch als Brot zu fressen, und da sie, wenn es
Jagdbeute gab, reichliche Kost hatten, sonst aber hungerten, so
fingen sie auch an, selbst auf das Wild zu passen, verfolgten, was
sich zeigte, lernten Witterung und Fährte und bildeten sich
so im Alter noch aus Hirten- zu Jagdhunden aus.
(7,18) Als aber der
Winder kam und sich gar keine Aussicht auf Arbeit zeigte, weder
in der Stadt noch in einem Dorf, besserten sie die Hütten ordentlich
aus, machten den Hofzaun dichter und hielten sich so hin, indem
sie nun das ganze Grundstück anbauten. Die Jagd ging auch im
Winter viel besser vonstatten;
(7,19) denn im feuchten
Boden drücken sich die Spuren deutlicher ab und der Schnee
zeigt sie vollends so klar, dass man gar keine Mühe sie zu
suchen hat, sondern geradewegs auf das Wild zugeführt wird
[, das eher als sonst ängstlich verharrt. So] kann man
auch Hasen und Rehe in ihrem Lager fangen.
(7,20) So blieb es
denn seit der Zeit, sie verlangten gar nach keiner anderen Lebensweise
und jeder gab seine Tochter dem Sohn des anderen zur Frau. Beide
sind nun schon seit geraumer Zeit gestorben, in hohen Jahren, wie
sie selbst angaben, aber noch kräftig, frisch und stattlich;
meine Mutter lebt noch.
(7,21) Von uns beiden
ist der eine, der jetzt im fünfzigsten Jahr steht, noch nie
in die Stadt gekommen; ich nur zweimal, einmal als Kind mit meinem
Vater, da wir noch die Herde hatten. Später kam mal einer und
verlangte Geld, in der Voraussetzung, dass wir etwas hätten,
und hieß mich mit ihm in die Stadt gehen. Wir hatten nun kein
Geld und ich schwor ihm zu, dass wir keins hätten, sonst würden
wir es ihm geben.
(7,22) Wir bewirteten
ihn aber, so gut wir konnten, und schenkten ihm zwei Hirschhäute,
dann ging ich mit ihm in die Stadt, denn er behauptete, es müsse
notwendig einer von uns hinkommen und unsere Verhältnisse klar
machen. Da sah ich nun, wie schon das erste Mal, viele große
Häuser und eine starke Mauer mit hohen viereckigen Türmen,
und viele Schiffe, die im Hafen ruhig wie in einem See vor Anker
lagen.6)
(7,23) Die finden
sich an der Stelle, wo du an Land kamst, nirgends, und deshalb gehen
dort so viele Schiffe zu Grunde. Das alles sah ich und einen großen
Menschenhaufen, der sich mit unsäglichem Lärmen und Schreien
drängte, ich dachte, sie schlügen sich alle miteinander.
Mein Begleiter brachte mich zu einigen Magistratspersonen und sagte
lachend: Das ist der, zu dem ihr mich geschickt habt; er hat aber
nichts als seinen Lockenkopf und ein festes Blockhaus.
(7,24) Die Magistratspersonen
gingen dann ins Theater7) und ich ging mit ihnen dahin. Das Theater aber ist wie eine hohle
Schlucht, aber nicht lang ausgestreckt, vielmehr halbrund, nicht
von Natur, sondern aus Steinen aufgebaut. Aber du lachst mich wohl
aus, dass ich das so genau beschreibe, da du das gewiss sehr gut
kennst. Anfangs trieb das Volk da allerhand Sachen und bald riefen
sie alle freundlich und ganz vergnügt, wenn sie mit einem zufrieden
waren, dann wieder ganz zornig.
Die Höhlungen von Euböa
nannte man die geräumige Bucht an der Ostküste der
Insel am Vorgebirge Kaphereus, an deren schroffen Küste sich das Meer
selbst bei ruhigem Wetter in starker Strömung bricht
und bei Sturm den Schiffen sicheren Untergang bringt.