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Publius Ovidius Naso

METAMORPHOSES - Verwandlungen

LIBER VII - lat.-dtsch.

1. Iason und Medea (1-158), 2. Aeson (159-296), 3. Pelias (297-349), 4. Medea auf der Flucht (350-424), 5. Theseus und Aegeus (404-452), 6. Minos rüstet gegen Athen (453-489), 7. Cephalus bei Aeacus (490-865), 8. Aegina auf Athens Seite (501-516), 9. Pest auf Aegina (517-660), 10. Cephalus und Phocus (661-865), 11. Cephalus und Procris (671-758), 12. Laelaps (757-793), 13. Tod der Procris (794-865)

lat. - dtsch. | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | X | XI | XII
lateinisch: | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | X | XI | XII
deutsch: | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | X | XI | XII
Kompos.: | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | X | XI | XII
  1. Iason und Medea (1-158)
1


Iamque fretum Minyae Pagasaea puppe secabant,
perpetuaque trahens inopem sub nocte senectam
Phineus visus erat, iuvenesque Aquilone creati
virgineas volucres miseri senis ore fugarant,
Schon mit den Minyern fuhr der pagasische Kiel durch die Meerflut,
Schon war Phineus besucht, der hilflos schleppte das Alter
In stets währender Nacht, und verscheucht durch Aquilos Söhne
Waren die Jungfrauvögel vom Mund des gequäleten Greises,
5



multaque perpessi claro sub Iasone tandem
contigerant rapidas limosi Phasidos undas.
dumque adeunt regem Phrixeaque vellera poscunt
lexque datur Minyis magnorum horrenda laborum,
concipit interea validos Aeetias ignes
Und nach mancher Gefahr war unter dem Helden Iason
Endlich die Schar an dem Strom des schlammigen Phasis gelandet.
Wie sie dem Könige nahn und das Vlies des Phrixos verlangen
Und der Beding laut wird, der schreckt mit gefährlichen Proben,
Zündet gewaltige Glut in der Brust der aietischen Jungfrau.
et luctata diu, postquam ratione furorem
vincere non poterat, 'frustra, Medea, repugnas:
nescio quis deus obstat,' ait, 'mirumque, nisi hoc est,
aut aliquid certe simile huic, quod amare vocatur.
nam cur iussa patris nimium mihi dura videntur?
Als sie sich lange gesträubt, doch mit dem Verstand die Betörung
Nicht zu besiegen vermocht, da spricht sie: "Vergebens, Medea,
Wehrest du dich: irgendein Gott ist im Weg. Das sicherlich ist es
Oder ein Ähnliches doch wie dies, was Liebe genannt wird.
Warum schienen mir sonst zu hart die Gebote des Vaters?
sunt quoque dura nimis! cur, quem modo denique vidi,
ne pereat, timeo? quae tanti causa timoris?
excute virgineo conceptas pectore flammas,
si potes, infelix! si possem, sanior essem!
sed trahit invitam nova vis, aliudque cupido,
Sind sie doch auch zu hart. Was ängstigt mich dessen Verderben,
Den kaum erst ich gesehn? Woher so bange Besorgnis?
Aus jungfräulicher Brust wegdränge die lodernde Flamme,
Wenn du, Verblendete, kannst. Ja, könnt' ich, verständiger wär' ich.
Aber mich zwingt die neue Gewalt, und es rät mir die Sehnsucht
mens aliud suadet: video meliora proboque,
deteriora sequor. quid in hospite, regia virgo,
ureris et thalamos alieni concipis orbis?
haec quoque terra potest, quod ames, dare. vivat an ille
occidat, in dis est. vivat tamen! idque precari
Anders als die Vernunft. Das Bessere seh' und erkenn' ich:
Schlechterem folgt mein Herz. Was hegst du Glut für den Fremdling,
Königstochter, und träumst dir im Sinn fremdländisches Brautbett?
Hier auch wohnt, was Liebe verdient. Sein Leben und Sterben
Steht bei den Göttern allein. Doch leb' er! Dieses erflehen
vel sine amore licet: quid enim commisit Iason?
quem, nisi crudelem, non tangat Iasonis aetas
et genus et virtus? quem non, ut cetera desint,
ore movere potest? certe mea pectora movit.
at nisi opem tulero, taurorum adflabitur ore
Darf ich, der Lieb' auch bar. Denn wessen ist schuldig Iason?
Wer, der Gefühl noch hegt, nimmt Anteil nicht an Iasons
Alter, Geschlecht und Kraft? Wen muss nicht, fehlte das andre,
Rühren sein Antlitz schon? Mich hat es gerührt im Gemüte.
Helf' ich aber ihm nicht, so behaucht ihn der Rachen der Stiere,
concurretque suae segeti, tellure creatis
hostibus, aut avido dabitur fera praeda draconi.
hoc ego si patiar, tum me de tigride natam,
tum ferrum et scopulos gestare in corde fatebor!
cur non et specto pereuntem oculosque videndo
Und mit der eigenen Saat, mit den erdentsprossenen Feinden
Streitet er, oder er fällt dem gefräßigen Drachen zur Beute.
Duldet' ich dies, fürwahr, vom Tiger das Leben zu haben
Müßt' ich gestehn und Eisen und Stahl in dem Herzen zu tragen.
Warum seh' ich ihn nicht gar sterben, am schmählichen Schauspiel
conscelero? cur non tauros exhortor in illum
terrigenasque feros insopitumque draconem?
di meliora velint! quamquam non ista precanda,
sed facienda mihi. prodamne ego regna parentis,
atque ope nescio quis servabitur advena nostra,
Weidend den Blick? Warum nicht hetz' ich auf jenen die Stiere
Und die entsetzliche Brut des Gefilds und den schlaflosen Drachen?
Götter, bewahrt mich davor! Doch hier nicht gilt es zu beten,
Handeln tut not. So soll ich das Reich des Erzeugers verraten,
Über Gefahr durch mein Bemühn soll siegen ein Fremdling,
ut per me sospes sine me det lintea ventis
virque sit alterius, poenae Medea relinquar?
si facere hoc aliamve potest praeponere nobis,
occidat ingratus! sed non is vultus in illo,
non ea nobilitas animo est, ea gratia formae,
Dass er, gerettet von mir, dann ohne mich spanne die Segel,
Wähle ein anderes Weib, und zur Strafe verbleibe Medea?
Kann er es tun und ein Weib vor mir sich erwählen mit Undank,
Besser, er leidet den Tod. Doch nicht ist also sein Antlitz,
Sein hochherziger Sinn und des Wuchses gewinnende Schönheit,
ut timeam fraudem meritique oblivia nostri.
et dabit ante fidem, cogamque in foedera testes
esse deos. quid tuta times? accingere et omnem
pelle moram: tibi se semper debebit Iason,
te face sollemni iunget sibi perque Pelasgas
Dass mir drohte Betrug und Vergessen meines Verdienstes.
Treue gelob' er zuvor, und es sollen die Götter bezeugen
Unseren Bund. Was fürchtest du noch? Auf, rüste dich; banne
Allen Verzug! Dir wird sich immer verdanken Iason.
Mit dir wird er vereint bei festlicher Fackel, und preisen
servatrix urbes matrum celebrabere turba.
ergo ego germanam fratremque patremque deosque
et natale solum ventis ablata relinquam?
nempe pater saevus, nempe est mea barbara tellus,
frater adhuc infans; stant mecum vota sororis,
Werden als Retterin dich in pelasgischen Städten die Mütter.
Also die Schwester zugleich, den Bruder, den Vater, die Götter
Soll ich, das Land der Geburt, entführt von den Winden, verlassen?
Freilich der Vater ist hart und die Heimat ohne Gesittung;
Noch ist der Bruder ein Kind; für mich sind die Wünsche der Schwester;
maximus intra me deus est! non magna relinquam,
magna sequar: titulum servatae pubis Achivae
notitiamque soli melioris et oppida, quorum
hic quoque fama viget, cultusque artesque locorum,
quemque ego cum rebus, quas totus possidet orbis,
Innen erfüllt mich der mächtigste Gott. Nicht Großes verlass' ich,
Großes gewinn' ich, den Ruhm der Errettung achivischer Jugend,
Kunde von besserem Land und prächtige Städte, von denen
Hier auch kündet der Ruf, und Bildung und Künste des Landes
Und, für den ich zum Tausch gern gäbe, was alles der Erdkreis
Aesoniden mutasse velim, quo coniuge felix
et dis cara ferar et vertice sidera tangam.
quid, quod nescio qui mediis concurrere in undis
dicuntur montes ratibusque inimica Charybdis
nunc sorbere fretum, nunc reddere, cinctaque saevis
Einschließt, Aisons Sohn, als dessen Gemahlin ich glücklich
Heiße und Himmlischen lieb und das Haupt zu den Sternen erhebe.
Aber erzählen sie nicht, dass drohende Berge zusammen
Stoßen inmitten des Meeres, dass feindlich den Schiffen Charybdis
Flut bald schlürft, bald speit, und dass die verschlingende Skylla
Scylla rapax canibus Siculo latrare profundo?
nempe tenens, quod amo, gremioque in Iasonis haerens
per freta longa ferar; nihil illum amplexa verebor
aut, siquid metuam, metuam de coniuge solo.
coniugiumne putas speciosaque nomina culpae
Bellt im sizilischen Sund, umgürtet von wütenden Hunden?
Ist der Geliebte nur mein und ruh' ich am Busen Iasons,
Fahr' ich durch Weiten des Meers. Nichts fürcht' ich in seiner Umarmung,
Oder wenn Angst mich erfasst, so ist's nur Angst um den Gatten.
Gattin nennst du dich, und mit blendendem Namen, Medea,
inponis, Medea, tuae? quin adspice, quantum
adgrediare nefas, et, dum licet, effuge crimen!'
dixit, et ante oculos rectum pietasque pudorque
constiterant, et victa dabat iam terga Cupido.
Ibat ad antiquas Hecates Perseidos aras,
Hoffst du das schuldige Tun zu beschönigen? Schaue, wie großen
Frevel du sinnst, und fliehe die Schuld, so lang es dir möglich."
Also sprach sie, und Recht und sittsame Scheu und Gehorsam
Standen Ihr nah, und besiegt schon wandte den Rücken Cupido.
Zum vieljährigen Herd der perseïschen Hekate ging sie,
quas nemus umbrosum secretaque silva tegebat,
et iam fortis erat, pulsusque recesserat ardor,
cum videt Aesoniden exstinctaque flamma reluxit.
erubuere genae, totoque recanduit ore,
utque solet ventis alimenta adsumere, quaeque
Welchen ein schattiger Hain und Stille des Waldes versteckte.
Stark war wieder ihr Herz, und es ruhte die Flamme beschwichtigt,
Als den Iason sie schaut und sich hebt das erloschene Feuer.
Rot sind die Wangen gefärbt, und sie glüht im ganzen Gesichte.
Wie oft Nahrung gewinnt von den Winden ein kärglicher Funke,
parva sub inducta latuit scintilla favilla
crescere et in veteres agitata resurgere vires,
sic iam lenis amor, iam quem languere putares,
ut vidit iuvenem, specie praesentis inarsit.
et casu solito formosior Aesone natus
Der sich glimmend verbarg in der Hülle bedeckender Asche,
Groß dann wächst und gefacht sich erhebt zu der vorigen Stärke:
So auch loderte auf die matt schon sinkende Liebe,
Als sie den Jüngling sah, von den nah erschienenen Reizen.
Schöner als sonst auch war zufällig an eben dem Tage
illa luce fuit: posses ignoscere amanti.
spectat et in vultu veluti tum denique viso
lumina fixa tenet nec se mortalia demens
ora videre putat nec se declinat ab illo;
ut vero coepitque loqui dextramque prehendit
Aisons Spross. Leicht war zu verzeihen der liebenden Jungfrau.
Ständig an seinem Gesicht, als ob nun erst sie es schaute,
Hängt ihr gefesselter Blick, und nicht ein sterbliches Antlitz
Wähnt die Betörte zu sehn, und sie kann nicht wenden das Auge.
Jetzt, wie zu reden beginnt und die Rechte ihr fasset der Fremdling
hospes et auxilium submissa voce rogavit
promisitque torum, lacrimis ait illa profusis:
'quid faciam, video: nec me ignorantia veri
decipiet, sed amor. servabere munere nostro,
servatus promissa dato!' per sacra triformis
Und um helfenden Rat sie bittet mit schüchterner Stimme
Und ihr die Ehe verheißt, sagt jene mit rinnenden Zähren:
"Wohl erkenn' ich mein Tun, nicht dass ich das Rechte nicht wüsste,
Liebe verleitet mich nur. Mein Beistand soll dich erretten.
Bist du befreit, dann löse dein Wort." Bei der dreifachen Göttin
ille deae lucoque foret quod numen in illo
perque patrem soceri cernentem cuncta futuri
eventusque suos et tanta pericula iurat:
creditus accepit cantatas protinus herbas
edidicitque usum laetusque in tecta recessit.
Heiligem Dienst, bei der Macht, die waltete dort in dem Haine,
Beim allsehenden Gott, der zeugte den künftigen Schwäher,
Bei dem Gelingen des Werks und der Größe der Wagnisse schwört er.
Jene vertraut und reicht ihm sogleich die bezauberten Kräuter,
Lehret ihn auch den Gebrauch, und der Held kehrt freudig zur Wohnung.
Postera depulerat stellas Aurora micantes:
conveniunt populi sacrum Mavortis in arvum
consistuntque iugis; medio rex ipse resedit
agmine purpureus sceptroque insignis eburno.
ecce adamanteis Vulcanum naribus efflant
Drauf nun hatte verscheucht die flimmernden Sterne Aurora.
Ringsher strömt das Volk zu dem heiligen Felde des Mavors
Und nimmt Stand auf den Höhn. Der König inmitten der Menge
Sitzt im Purpurgewand mit der Zierde des elfenen Szepters.
Da schnaubt feurigen Hauch aus stählernen Nüstern der Stiere
aeripedes tauri, tactaeque vaporibus herbae
ardent, utque solent pleni resonare camini,
aut ubi terrena silices fornace soluti
concipiunt ignem liquidarum adspergine aquarum,
pectora sic intus clausas volventia flammas
Paar mit den Füßen von Erz, und berührt von der sprühenden Lohe
Brennt das Gras. Wie laut aufkocht die gefüllete Esse,
Wie wenn mürbe gemacht im irdenen Ofen der Kalkstein
Glühende Hitze gewinnt durch des flüssigen Wassers Besprengung:
So dröhnt innen die Brust von dem Wirbel verschlossener Flammen
gutturaque usta sonant; tamen illis Aesone natus
obvius it. vertere truces venientis ad ora
terribiles vultus praefixaque cornua ferro
pulvereumque solum pede pulsavere bisulco
fumificisque locum mugitibus inpleverunt.
Und der entzündete Schlund. Doch kühn tritt ihnen entgegen
Aisons Sohn. Sie wandten ergrimmt nach des Kommenden Antlitz
Ihr furchtbares Gesicht und die eisengewappneten Hörner,
Stampften das stäubende Feld mit der doppeltgespaltenen Klaue
Und durchdröhnten den Raum mit Qualm ausschnaubendem Brüllen.
deriguere metu Minyae; subit ille nec ignes
sentit anhelatos (tantum medicamina possunt!)
pendulaque audaci mulcet palearia dextra
suppositosque iugo pondus grave cogit aratri
ducere et insuetum ferro proscindere campum:
Starres Entsetzen erfasst die Minyer. Ohne zu leiden
Von der entatmeten Glut - so kräftig erweist sich der Zauber –
Naht er keck und streicht mit der Rechten die hangenden Wampen,
Stellt sie unter das Joch und zwingt sie, zu ziehen des Pfluges
Hemmende Last und das wüste Gefild mit dem Eisen zu spalten.
mirantur Colchi, Minyae clamoribus augent
adiciuntque animos. galea tum sumit aena
vipereos dentes et aratos spargit in agros.
semina mollit humus valido praetincta veneno,
et crescunt fiuntque sati nova corpora dentes,
Staunen ergreift die Kolcher umher. Doch die Minyer jauchzen,
Ihm anfeuernd den Mut. Jetzt nimmt er aus ehernem Helme
Schlangenzähne heraus und besät das geackerte Erdreich.
Siehe, der Boden erweicht den Gift einschließenden Samen,
Und es wächst ein neues Geschlecht aus den keimenden Zähnen.
utque hominis speciem materna sumit in alvo
perque suos intus numeros conponitur infans
nec nisi maturus communes exit in auras,
sic, ubi visceribus gravidae telluris imago
effecta est hominis, feto consurgit in arvo,
Gleichwie Menschengestalt annimmt in dem Schöße der Mutter
Und schon innen das Kind zum fertigen Leib sich entwickelt
Und erst völlig gereift an gemeinsame Lüfte hervorgeht:
Also, wenn es gedieh'n in der schwangeren Erde Geweiden,
Steigt ein Mannesgebild hervor aus dem zeugenden Felde,
quodque magis mirum est, simul edita concutit arma.
quos ubi viderunt praeacutae cuspidis hastas
in caput Haemonii iuvenis torquere parantis,
demisere metu vultumque animumque Pelasgi;
ipsa quoque extimuit, quae tutum fecerat illum.
Und - was erstaunlicher noch - von Geburt gleich ist es gewappnet.
Als sie gewahrt, wie die nach dem Haupt des haimonischen Jünglings
Alle gedachten den Speer mit der spitzigen Schärfe zu schwingen,
Senkten in zagender Angst so Blick wie Mut die Pelasger.
Auch sie selber erschrak, die vor der Gefahr ihn gesichert.
utque peti vidit iuvenem tot ab hostibus unum,
palluit et subito sine sanguine frigida sedit,
neve parum valeant a se data gramina, carmen
auxiliare canit secretasque advocat artes.
ille gravem medios silicem iaculatus in hostes
Wie auf den einen sie sah eindringen die Menge der Feinde,
Wurde sie blass und saß urplötzlich erkaltet und blutlos.
Dass nicht fehle jedoch des gegebenen Krautes Vermögen,
Murmelt sie helfenden Spruch und hilft mit geheimer Beschwörung.
Einen gewichtigen Stein wirft unter die Feinde Iason,
a se depulsum Martem convertit in ipsos:
terrigenae pereunt per mutua vulnera fratres
civilique cadunt acie. gratantur Achivi
victoremque tenent avidisque amplexibus haerent.
tu quoque victorem conplecti, barbara, velles:
So ablenkend den Streit von sich auf die Kämpfenden selber.
Bald ist das Erdengeschlecht, da einer den anderen mordet,
Niedergestreckt durch inneren Krieg. Die Achiver mit Glückwunsch
Halten den Sieger umfasst und liegen in heißer Umarmung.
Gern wohl hättest du auch, o Fremde, den Sieger umfangen:
obstitit incepto pudor, at conplexa fuisses,
sed te, ne faceres, tenuit reverentia famae.
quod licet, adfectu tacito laetaris agisque
carminibus grates et dis auctoribus horum.
Pervigilem superest herbis sopire draconem,
Nicht litt solches die Scham. Und du hättest ihn freudig umfangen;
Aber es hielt dich zurück die besorgliche Scheu vor dem Leumund.
Was dir erlaubt, du freust dich in stillem Entzücken und spendest
Dank dem beschwörenden Spruch und den Zauber verleihenden Mächten.
Noch war übrig, in Schlaf zu zaubern den wachsamen Drachen,
qui crista linguisque tribus praesignis et uncis
dentibus horrendus custos erat arboris aureae.
hunc postquam sparsit Lethaei gramine suci
verbaque ter dixit placidos facientia somnos,
quae mare turbatum, quae concita flumina sistunt,
Der sich, drohend mit Kamm, drei Zungen und hakigen Zähnen
Lagerte, grausig zu sehn, als Wächter des leuchtenden Goldbaums.
Als er diesen bestreut mit dem Kraut lethaiischen Saftes
Und drei Male gesagt den in Schlaf einlullenden Bannspruch,
Der das tobende Meer, der reißende Ströme besänftigt,
somnus in ignotos oculos sibi venit, et auro
heros Aesonius potitur spolioque superbus
muneris auctorem secum, spolia altera, portans
victor Iolciacos tetigit cum coniuge portus.
Kommt in die Augen der Schlaf, die nie er befiel, und das Goldvlies
Nimmt der aisonische Held zum Gewinn, und stolz auf die Beute
Sie, die verhalf zu dem Schatz, mitfahrend als andere Beute,
Kehrt mit der Gattin heim zum iolkischen Hafen der Sieger.
  2. Aeson (159-296)
Haemoniae matres pro gnatis dona receptis Jetzt in Haimonien weihn mit den Müttern gealterte Väter
grandaevique ferunt patres congestaque flamma
tura liquefaciunt, inductaque cornibus aurum
victima vota cadit, sed abest gratantibus Aeson
iam propior leto fessusque senilibus annis,
cum sic Aesonides: 'o cui debere salutem
Gaben zum Dank, dass die Söhne gekehrt, und es schmilzt in der Flamme
Weihrauch reichlich gehäuft, und mit Gold umzogen die Hörner
Blutet das Tier, wie gelobt. Doch fehlt bei den Fröhlichen Aison,
Der schon nahe dem Tod und vom lastenden Alter geschwächt war.
Da sprach Aisons Sohn: "Du, der ich die Rettung zu danken
confiteor, coniunx, quamquam mihi cuncta dedisti
excessitque fidem meritorum summa tuorum,
si tamen hoc possunt (quid enim non carmina possunt?)
deme meis annis et demptos adde parenti!'
nec tenuit lacrimas: mota est pietate rogantis,
Freudig bekenn', o Gattin, obgleich du mir alles gegeben,
Und unglaublich erscheint die Anzahl deiner Verdienste:
Wenn dein Zauber es kann - und was nicht könnte der Zauber? –
Nimm von den Jahren mir selbst und teile sie zu dem Erzeuger."
Tränen entrannen dazu. Sie rührt des Bittenden Liebe;
dissimilemque animum subiit Aeeta relictus;
nec tamen adfectus talis confessa 'quod' inquit
'excidit ore tuo, coniunx, scelus? ergo ego cuiquam
posse tuae videor spatium transcribere vitae?
nec sinat hoc Hecate, nec tu petis aequa; sed isto,
Ihr unähnliches Herz denkt an den verlassnen Aietes,
Doch sie bekennt nicht solches Gefühl. "Wie frevelnd", versetzt sie,
"Sprach dein liebender Mund, o Gemahl! Mich glaubst du vermögend
Überzutragen von dir auf andere Zeiten des Lebens?
Das gönnt Hekate nie, und du wünschest vermessen; doch will ich
quod petis, experiar maius dare munus, Iason.
arte mea soceri longum temptabimus aevum,
non annis revocare tuis, modo diva triformis
adiuvet et praesens ingentibus adnuat ausis.'
Tres aberant noctes, ut cornua tota coirent
Größeres, als du gewünscht, dir suchen zu geben, Iason:
Dass ich dem Schwäher durch Kunst langwährendes Leben erstatte,
Nicht durch Jahre von dir. Nur muss bei dem furchtbaren Wagnis
Helfen und mir voll Huld nah stehen die dreifache Göttin."
Nächte gebrachen noch drei, bis ganz sich die Hörner vereinten
efficerentque orbem; postquam plenissima fulsit
ac solida terras spectavit imagine luna,
egreditur tectis vestes induta recinctas,
nuda pedem, nudos umeris infusa capillos,
fertque vagos mediae per muta silentia noctis
Zum vollständigen Rund. Wie Luna am vollsten erglänzend
Als ein gediegenes Bild auf die Lande der Erde herabsah,
Geht sie fort aus dem Haus, umhüllt von entgürteten Kleidern,
Nackt an den Füßen und nackt auf die Schultern gegossen das
Haupthaar. Ohne Geleit inmitten der Nacht durch schweigende Stille
incomitata gradus: homines volucresque ferasque
solverat alta quies, nullo cum murmure saepes,
inmotaeque silent frondes, silet umidus aer,
sidera sola micant: ad quae sua bracchia tendens
ter se convertit, ter sumptis flumine crinem
Hebt sie den schweifenden Fuß. Tief ruhten im Schlummer entfesselt
Menschen und Vögel und Wild; kein Flüstern erhebt sich im Zaune;
Regungslos ist das Laub; still feiert der tauige Luftraum;
Sterne nur flimmern im Glanz. Zu diesen die Arme gehoben
Dreht sie sich dreimal um, sprengt dreimal, schöpfend im Flusse,
inroravit aquis ternisque ululatibus ora
solvit et in dura submisso poplite terra
'Nox' ait 'arcanis fidissima, quaeque diurnis
aurea cum luna succeditis ignibus astra,
tuque, triceps Hecate, quae coeptis conscia nostris
Wasser sich über das Haar, stößt dreimal lautes Geheul aus,
Lässt dann nieder das Knie an den drückenden Boden und betet:
"Nacht, Vertrauteste du tiefheimlichen Tuns, und Gestirne,
Die ihr den Gluten des Tags nachfolgt mit der goldenen Lima,
Dreihaupt Hekate auch, die du weißt um unser Beginnen
adiutrixque venis cantusque artisque magorum,
quaeque magos, Tellus, pollentibus instruis herbis,
auraeque et venti montesque amnesque lacusque,
dique omnes nemorum, dique omnes noctis adeste,
quorum ope, cum volui, ripis mirantibus amnes
Und als Helferin nahst, ihr bannenden Künste des Zaubers,
Die du dem Zauberer leihst krafthaltige Kräuter, o Erde,
Lüfte und Winde zudem, ihr Seen, ihr Ströme und Berge,
All ihr Götter der Nacht, ihr Götter der Wälder: erscheinet!
Durch die, wenn ich es will, zum Staunen der Ufer die Flüsse
in fontes rediere suos, concussaque sisto,
stantia concutio cantu freta, nubila pello
nubilaque induco, ventos abigoque vocoque,
vipereas rumpo verbis et carmine fauces,
vivaque saxa sua convulsaque robora terra
Kehren zur Quelle zurück, aufgärende Flut sich beruhigt,
Ruhende Flut aufgärt; durch die ich verscheuche die Wolken
Oder sie führe herauf, fortweise und rufe die Winde,
Giftigen Vipern den Schlund aufbreche mit Spruch und Beschwörung,
Wurzelnde Felsen im Grund und vom Sitze gerissene Eichen
et silvas moveo iubeoque tremescere montis
et mugire solum manesque exire sepulcris!
te quoque, Luna, traho, quamvis Temesaea labores
aera tuos minuant; currus quoque carmine nostro
pallet avi, pallet nostris Aurora venenis!
Rüttele, Wälder bewege und heiße die Berge erbeben
Und dumpf dröhnen den Grund und die Manen entsteigen den Gräbern.
Dich auch zieh' ich heran, o Mond, ob Temesas Erze
Dir auch mindern die Not. Blass färbt den Wagen des Ahnes
Unsere Kunst; blass wird durch unseren Zauber Aurora.
vos mihi taurorum flammas hebetastis et unco
inpatiens oneris collum pressistis aratro,
vos serpentigenis in se fera bella dedistis
custodemque rudem somni sopistis et aurum
vindice decepto Graias misistis in urbes:
Ihr habt jüngst mir die Glut der Stiere gekühlt und den Nacken,
Der noch nie sich bequemt, mit gebogenem Pfluge belastet;
Ihr habt Fehde mit sich dem Schlangengeschlechte veranlasst,
Ihr den Wächter betäubt, der entbehrte des Schlafs, und das Goldvlies,
Da ihr den Rächer berückt, in die graiischen Städte gesendet.
nunc opus est sucis, per quos renovata senectus
in florem redeat primosque recolligat annos,
et dabitis. neque enim micuerunt sidera frustra,
nec frustra volucrum tractus cervice draconum
currus adest.' aderat demissus ab aethere currus.
Nun sind Säfte mir not, durch welche das Alter erneuert
Kehre zur Blüte zurück und wieder erlange die Jugend.
Ja, ihr gewährt sie mir: umsonst nicht blitzten die Sterne;
Nicht ist der Wagen umsonst, den Hälsen geflügelter Drachen
Folgend, genaht." Nah stand, aus dem Aither gesunken, ein Wagen.
quo simul adscendit frenataque colla draconum
permulsit manibusque leves agitavit habenas,
sublimis rapitur subiectaque Thessala Tempe
despicit et certis regionibus adplicat angues:
et quas Ossa tulit, quas altum Pelion herbas,
Wie sie diesen bestieg und der Drachen gezäumete Hälse
Streichelte und mit der Hand leichtschwebende Zügel bewegte,
Wird sie gerafft in die Höhe, und auf das thessalische Tempe
Schaut sie hinab und lenkt nach verlässigen Höhen die Schlangen.
Was nur Ossa erzeugt, was Pelion, Othrys an Kräutern,
Othrysque Pindusque et Pindo maior Olympus,
perspicit et placitas partim radice revellit,
partim succidit curvamine falcis aenae.
multa quoque Apidani placuerunt gramina ripis,
multa quoque Amphrysi, neque eras inmunis, Enipeu;
Was das Pindosgebirg' und größer als Pindos Olympos,
Mustert sie kundig und rauft, was tauglich erscheint, mit der Wurzel,
Oder sie schneidet es ab mit der Krümme der ehernen Sichel.
Auch am Apidanosstrom und an des Amphrysos Gestaden
Wählte sie manches Gewächs; nicht zinsfrei warst du, Enipeus;
nec non Peneos nec non Spercheides undae
contribuere aliquid iuncosaque litora Boebes;
carpsit et Euboica vivax Anthedone gramen,
nondum mutato vulgatum corpore Glauci.
Et iam nona dies curru pennisque draconum
Auch die spercheische Flut gab her; nicht minder Peneios
Steuerte bei sein Teil und das Binsengestade der Boibe.
Auch das belebende Gras am euboiischen Sund bei Anthedon
Rupfte sie, das noch nicht Ruhm hatte von Glaukos' Verwandlung.
Als neun Male der Tag, neun Male die Nacht sie gesehen,
nonaque nox omnes lustrantem viderat agros,
cum rediit; neque erant tacti nisi odore dracones,
et tamen annosae pellem posuere senectae.
constitit adveniens citra limenque foresque
et tantum caelo tegitur refugitque viriles
Wie sie geforscht allorts, von dem fliegenden Drachen gezogen,
Kehrte sie heim. Den Geruch nur hatten empfangen die Drachen,
Dennoch legten sie ab die Haut vieljährigen Alters.
Außer der Schwell' und der Tür verbleibt sie nach ihrer Zurückkunft;
Über ihr steht der Himmel allein, und der Männer Berührung
contactus, statuitque aras de caespite binas,
dexteriore Hecates, ast laeva parte Iuventae.
has ubi verbenis silvaque incinxit agresti,
haud procul egesta scrobibus tellure duabus
sacra facit cultrosque in guttura velleris atri
Meidet sie, und sie erbaut zwei Opferaltäre von Rasen,
Einen für Hekate rechts und den anderen links für die Jugend.
Als sie mit heiligem Kraut und Büschen umflochten die Herde
Und ganz nahe dabei zwei Höhlen gewühlt in dem Erdreich,
Opfert sie drüber und stößt dem schwarzwolligen Schaf in die Gurgel
conicit et patulas perfundit sanguine fossas;
tum super invergens liquidi carchesia mellis
alteraque invergens tepidi carchesia lactis,
verba simul fudit terrenaque numina civit
umbrarumque rogat rapta cum coniuge regem,
Schneidenden Stahl und beströmt mit dem Blute die offenen Gruben.
Flüssigen Honig sodann ausgießend darob aus der Kanne,
Lauliche Milch dann auch ausgießend aus eherner Kanne,
Murmelt sie Worte dazu und beschwört die Gewalten der Erde,
Samt dem entführten Weib anflehend den König der Schatten,
ne properent artus anima fraudare senili.
Quos ubi placavit precibusque et murmure longo,
Aesonis effetum proferri corpus ad auras
iussit et in plenos resolutum carmine somnos
exanimi similem stratis porrexit in herbis.
Dass sie dem siechenden Leib nicht eilen den Atem zu rauben.
Als sie diese gesühnt mit Gebeten und langem Gemurmel,
Heißt sie zum Doppelaltar den entkräfteten Körper des Aison
Bringen und streckt ihn, versenkt durch Zauber in völligen Schlummer,
Einem Gestorbenen gleich auf untergebreitete Kräuter.
hinc procul Aesoniden, procul hinc iubet ire ministros
et monet arcanis oculos removere profanos.
diffugiunt iussi; passis Medea capillis
bacchantum ritu flagrantis circuit aras
multifidasque faces in fossa sanguinis atra
Aisons Sohn nun weist sie hinweg und die Diener und warnt sie,
Dass sie das heimliche Tun nicht stören mit weltlichen Blicken.
Folgsam gehen sie fort. Nachahmend die Art der Bacchanten
Schreitet mit fliegendem Haar um die brennenden Herde Medea,
Taucht Kienspäne hinein in die Gruft voll schwärzlichen Blutes,
tinguit et infectas geminis accendit in aris
terque senem flamma, ter aqua, ter sulphure lustrat.
Interea validum posito medicamen aeno
fervet et exsultat spumisque tumentibus albet.
illic Haemonia radices valle resectas
Zündet befeuchtet sie an auf den beiden Altären, und dreimal
Weiht sie den Greis zum Werk mit Feuer, mit Wasser, mit Schwefel.
Aber das Zaubergebräu, das stand auf dem Feuer im Kessel,
Siedet und sprudelt indes und ist weiß vom schwellenden Schaume.
Wurzeln kocht sie darin, im haimonischcn Tale geschnitten,
seminaque floresque et sucos incoquit atros;
adicit extremo lapides Oriente petitos
et quas Oceani refluum mare lavit harenas;
addit et exceptas luna pernocte pruinas
et strigis infamis ipsis cum carnibus alas
Samen und Blumen zugleich und Säfte von ätzender Schärfe,
Wirft auch Steine hinein, im entlegensten Osten gelesen,
Sand auch, welchen gespült des Okeanos ebbende Strömung;
Tau auch tut sie hinzu, vom nächtlichen Monde gefangen,
Dann mit dem Fleisch zugleich die verrufenen Flügel der Eule
inque virum soliti vultus mutare ferinos
ambigui prosecta lupi; nec defuit illis
squamea Cinyphii tenuis membrana chelydri
vivacisque iecur cervi; quibus insuper addit
ova caputque novem cornicis saecula passae.
Und das zerhackte Gedärm von dem Werwolf, welcher verwandelt
Tierischen Leib zu Menschengestalt. Auch fehlte mitnichten
Drunter der schuppige Balg der kinyphischen dünnen Chelyder.
Vom zählebenden Hirsch auch mischte sie drunter die Leber
Und von der Krähe den Kopf, die gelebt neun Menschengeschlechter.
his et mille aliis postquam sine nomine rebus
propositum instruxit mortali barbara maius,
arenti ramo iampridem mitis olivae
omnia confudit summisque inmiscuit ima.
ecce vetus calido versatus stipes aeno
Als sie von dem und vielem dazu, was Namens entbehret,
Hatte die Gabe gebraut, die sollte dem Sterblichen frommen,
Rührt sie zurecht das ganze Gemisch mit des friedlichen Ölbaums
Längst vertrocknetem Ast und vermengt mit dem Obern das Untre.
Sieh, da wird zum Beginn, wie er kreist in dem siedenden Kessel,
fit viridis primo nec longo tempore frondes
induit et subito gravidis oneratur olivis:
at quacumque cavo spumas eiecit aeno
ignis et in terram guttae cecidere calentes,
vernat humus, floresque et mollia pabula surgunt.
Grün der verdorrete Stumpf; kurz währt der Verzug, und mit Blättern
Kleidet er sich und ist plötzlich behängt mit schweren Oliven.
Doch, wo Schaum hinwirft aus dem hohlen Gefäße das Feuer
Oder wohin auf die Erd' ein glühender Tropfen gefallen,
Grünet der Boden und sprießt von Blumen und schwellender Weide.
quae simul ac vidit, stricto Medea recludit
ense senis iugulum veteremque exire cruorem
passa replet sucis; quos postquam conbibit Aeson
aut ore acceptos aut vulnere, barba comaeque
canitie posita nigrum rapuere colorem,
Rasch, wie das sie gewahrt, stößt zu mit dem Schwerte Medea,
Öffnet die Kehle dem Greis, und entlassend das alte Geblüte
Gießt sie den Saft ihm ein. Als diesen der liegende Aison
Aufnahm teils mit dem Mund, teils auch mit der Wunde, verlieren
Bart und Haare das Grau und gewinnen die vorige Schwärze;
pulsa fugit macies, abeunt pallorque situsque,
adiectoque cavae supplentur corpore rugae,
membraque luxuriant: Aeson miratur et olim
ante quater denos hunc se reminiscitur annos.
Viderat ex alto tanti miracula monstri
Hagere Dürre vergeht; es entweicht das Gelb und die Welkheit;
Frisch ansetzendes Fleisch füllt aus hohlgehende Runzeln;
Stark ist in Fülle der Leib. Mit Bewunderung fühlet sich Aison
Ganz so wieder wie einst vor vierzig entwichenen Jahren.
Liber, welcher geschaut aus der Höhe das seltsame Wunder,
Liber et admonitus, iuvenes nutricibus annos
posse suis reddi, capit hoc a Colchide munus.
Wurde gemahnt, so könnten verjüngt auch werden die Ammen,
Die ihn genährt, und erhielt von der Kolcherin, was er begehrte.
  3. Pelias (297-349)


Neve doli cessent, odium cum coniuge falsum
Phasias adsimulat Peliaeque ad limina supplex
confugit; atque illam, quoniam gravis ipse senecta est,
Dass nicht raste die List, gibt Zwietracht vor mit dem Gatten
Tückisch das phasische Weib und flicht zu des Pelias Schwelle,
Flehend um Schutz, und dieweil ihn selber beschwerte das Alter,
excipiunt natae; quas tempore callida parvo
Colchis amicitiae mendacis imagine cepit,
dumque refert inter meritorum maxima demptos
Aesonis esse situs atque hac in parte moratur,
spes est virginibus Pelia subiecta creatis,
Nehmen die Töchter sie auf. Bald hatte der Mädchen Vertrauen
Freundschaft heuchelnd erlangt die verschlagene Fremde von Kolchis,
Während sie nun anführt mit den rühmlichsten ihrer Verdienste
Und es verweilend beschreibt, wie sie Aisons Gebrechen hinwegnahm,
Ward allmählich erregt in Pelias' Töchtern die Hoffnung,
arte suum parili revirescere posse parentem,
idque petunt pretiumque iubent sine fine pacisci.
illa brevi spatio silet et dubitare videtur
suspenditque animos ficta gravitate rogantum.
mox ubi pollicita est, 'quo sit fiducia maior
Dass durch ähnliche Kunst ihr Vater sich könne verjüngen.
Bittend verheißen sie ihr für die Gunst, was nur sie bedinge.
Stumm bleibt einige Zeit Medea und scheint zu erwägen,
Ernst annehmend, und hält die verlangenden Herzen in Spannung.
Bald dann sagte sie zu und sprach: "Dass diesem Verüben
muneris huius' ait, 'qui vestri maximus aevo est
dux gregis inter oves, agnus medicamine fiet.'
protinus innumeris effetus laniger annis
attrahitur flexo circum cava tempora cornu;
cuius ut Haemonio marcentia guttura cultro
Um so mehr ihr vertraut, so soll der bejahrteste Führer
Eueres wolligen Viehs durch Zauber zum Lamm sich verwandeln."
Gleich wird jetzt gebracht ein Widder, von zahllosen Jahren
Kraftlos, mächtig gekrümmt das Gehörn um die Wölbung der Schläfe.
Als in den mageren Hals das haimonische Messer Medea
fodit et exiguo maculavit sanguine ferrum,
membra simul pecudis validosque venefica sucos
mergit in aere cavo: minuunt ea corporis artus
cornuaque exurunt nec non cum cornibus annos,
et tener auditur medio balatus aeno:
Hatte gesenkt und befleckt mit kärglichem Blute das Eisen,
Tut sie die Glieder des Tiers und zugleich heilkräftige Säfte
In hohlgehendes Erz. Klein werden die Teile des Leibes,
Und es entweicht das Gehörn und samt dem Gehörne die Jahre,
Und aus dem Kessel hervor lässt zartes Geblök sich vernehmen.
nec mora, balatum mirantibus exsilit agnus
lascivitque fuga lactantiaque ubera quaerit.
Obstipuere satae Pelia, promissaque postquam
exhibuere fidem, tum vero inpensius instant.
ter iuga Phoebus equis in Hibero flumine mersis
Bald, wie sie ob des Geblöks sich verwundern, entspringet ein Lämmlein,
Hüpft mutwillig davon und sucht milchgebendes Euter.
Pelias' Töchter ersehn es erstaunt, und weil die Verheißung
Durch den Erfolg sich bewährt, wird dringlicher noch ihr Begehren.
Dreimal hatte, getaucht in iberische Fluten, die Rosse
dempserat et quarta radiantia nocte micabant
sidera, cum rapido fallax Aeetias igni
imponit purum laticem et sine viribus herbas.
iamque neci similis resoluto corpore regem
et cum rege suo custodes somnus habebat,
Phoibos entjocht. Als hell in der vierten der Nächte die Sterne
Flimmerten, setzt trugvoll die Kolcherin lauteres Wasser
Über die knisternde Glut und Wirkung entbehrende Kräuter.
Längst nun hatte betäubt, abspannend die Glieder, den König
Und mit dem König zugleich die Wache todähnlicher Schlummer,
quem dederant cantus magicaeque potentia linguae;
intrarant iussae cum Colchide limina natae
ambierantque torum: 'quid nunc dubitatis inertes?
stringite' ait 'gladios veteremque haurite crurorem,
ut repleam vacuas iuvenali sanguine venas!
Den Bannsprüche bewirkt und die Macht zwangübender Zunge.
In das Gemach auf Geheiß mit der Kolcherin traten die Töchter
Und umstanden das Bett. "Was nun, Feigherzige, säumt ihr?",
Sagte sie, "zücket das Schwert; lasst rinnen das alte Gcblüte,
Dass ich mit Jünglingsblut neu fülle die ledigen Adern.
in manibus vestris vita est aetasque parentis:
si pietas ulla est nec spes agitatis inanis,
officium praestate patri telisque senectam
exigite, et saniem coniecto emittite ferro!'
his, ut quaeque pia est, hortatibus inpia prima est
Jetzo in euerer Hand steht Leben und Alter des Vaters.
Wenn ihr ihn liebt und nicht euch hingebt eiteler Hoffnung,
Leistet dem Vater den Dienst und vertreibt mit den Waffen das Alter,
Und mit dem stechenden Stahl lasst aus die verdorbenen Säfte."
Rasch durch lieblose Tat will jede beweisen die Liebe;
et, ne sit scelerata, facit scelus: haud tamen ictus
ulla suos spectare potest, oculosque reflectunt,
caecaque dant saevis aversae vulnera dextris.
ille cruore fluens, cubito tamen adlevat artus,
semilacerque toro temptat consurgere, et inter
Schuld übt jede, der Schuld zu entgehn. Doch keine vermochte
Selber zu sehn, wie sie führte den Streich, und sie wenden das Antlitz;
Blindlings stoßen sie zu wegsehend mit grausamer Rechten.
Schwimmend im Blut will noch, auf die Beuge des Armes sich stützend,
Pelias halb zerfleischt sich im Bett aufrichten, und mitten
tot medius gladios pallentia bracchia tendens
'quid facitis, gnatae? quid vos in fata parentis
armat?' ait: cecidere illis animique manusque;
plura locuturo cum verbis guttura Colchis
abstulit et calidis laniatum mersit in undis.
Unter den Schwertern gestreckt die erblassenden Arme beginnt er:
"Töchter, was wollt ihr tun? Was waffnet zum Morde des Vaters
Euere Hand?" Da sank den Betörten der Mut und die Rechte.
Ehe noch weiter er sprach, schnitt Gurgel und Worte Medea
Schleunig ihm ab und warf den Zerfetzten in siedende Wellen.
  4. Medea auf der Flucht (350-424)
Quod nisi pennatis serpentibus isset in auras,
non exempta foret poenae: fugit alta superque
Pelion umbrosum, Philyreia tecta, superque
Othryn et eventu veteris loca nota Cerambi:
hic ope nympharum sublatus in aera pennis,
Hätte sie nicht in die Luft sich begeben mit fliegenden Schlangen,
Wäre sie nicht von der Strafe befreit. Ob Pelions Wäldern
Und dem philyrischen Sitz hin flieht sie und über den Othrys,
Über die Gegend, bekannt durch des alten Kerambos Verwandlung,
Der, auf Flügeln empor durch Schickung der Nymphen gehoben,
cum gravis infuso tellus foret obruta ponto,
Deucalioneas effugit inobrutus undas.
Aeoliam Pitanen a laeva parte relinquit
factaque de saxo longi simulacra draconis
Idaeumque nemus, quo nati furta, iuvencum,
Als einströmendes Meer die gewichtige Erde verschüttet,
Unverschüttet entging den deukalionischen Wogen.
Links dann ließ sie vom Weg die aiolische Pitane liegen
Und das versteinerte Bild des gedehnt daliegenden Drachen
Und den idaiischen Hain, wo Liber versteckte den Farren,
occuluit Liber falsi sub imagine cervi,
quaque pater Corythi parva tumulatus harena est,
et quos Maera novo latratu terruit agros,
Eurypylique urbem, qua Coae cornua matres
gesserunt tum, cum discederet Herculis agmen,
Welchen gestohlen der Sohn, in Gestalt des betrüglichen Hirsches,
Auch, wo weniger Sand den Vater des Korythos zudeckt,
Ferner die Flur, die Maira geschreckt durch neues Gebelle,
Und des Eurypylos Stadt, wo Hörner die koischen Mütter
Trugen am Haupt zur Zeit, als Herkules' Schar sich entfernte,
Phoebeamque Rhodon et Ialysios Telchinas,
quorum oculos ipso vitiantes omnia visu
Iuppiter exosus fraternis subdidit undis;
transit et antiquae Cartheia moenia Ceae,
qua pater Alcidamas placidam de corpore natae
Rhodos, dem Phoibos geweiht, und Ialysos' Volk, die Telchinen,
Deren mit Blicken allein schon alles bestrickende Augen
Iupiter hassend ersah und begrub in den Wellen des Bruders.
Über Karthaia hinweg auf der lang schon blühenden Kea
Eilet sie, wo sich dereinst Alkidamas sollte verwundern,
miraturus erat nasci potuisse columbam.
inde lacus Hyries videt et Cycneia Tempe,
quae subitus celebravit olor: nam Phylius illic
imperio pueri volucrisque ferumque leonem
tradiderat domitos; taurum quoque vincere iussus
Dass sich gewandelt der Leib der Tochter zur friedlichen Taube.
Hyries See drauf wird sie gewahr und das kyknische Tempe,
Wo sich der plötzliche Schwan aufhielt. Dort hatte dem Knaben
Phyllios Vögel gezähmt und einen gebändigten Löwen
Auf sein Geheiß ihm geschenkt, auch einen der Stiere gebändigt,
vicerat et spreto totiens iratus amore
praemia poscenti taurum suprema negabat;
ille indignatus 'cupies dare' dixit et alto
desiluit saxo; cuncti cecidisse putabant:
factus olor niveis pendebat in aere pennis;
Wie er geheischt, und erzürnt, dass immer die Liebe verschmäht war,
Seinem Verlangen den Stier, die letzte Belohnung, verweigert.
Da sprach Kyknos erbost: "Du wirst es bcreun!" Und er warf sich
Hoch vorn Felsen hinab. Sie glaubten ihn alle gefallen,
Aber er schwebte als Schwan in der Luft auf schneeigen Flügeln.
at genetrix Hyrie, servati nescia, flendo
delicuit stagnumque suo de nomine fecit.
adiacet his Pleuron, in qua trepidantibus alis
Ophias effugit natorum vulnera Combe;
inde Calaureae Letoidos adspicit arva
Ganz in Tränen zerschmolz, unkundig der Rettung, die Mutter
Hyrie, und es entstand gleichnamig ein See an der Stätte.
Pleuron ist nahe dabei, wo Kombe, des Ophios Tochter,
Einst mit zitterndem Flug sich entzog den Streichen der Söhne.
Dann auch schaut sie die Flur der letoischen Kalaurea,
in volucrem versi cum coniuge conscia regis.
dextera Cyllene est, in qua cum matre Menephron
concubiturus erat saevarum more ferarum;
Cephison procul hinc deflentem fata nepotis
respicit in tumidam phocen ab Apolline versi
Zeuge des samt der Gattin zum Vogel verwandelten Königs;
Rechts Kyllene sodann, wo Buhle der Mutter Menephron
War in späterer Zeit nach Sitte vernunftloser Tiere.
Auch den Kephisos erblickt sie von fern, wie er weint um den Enkel,
Welchem Apollo verlieh die Gestalt der gedunsenen Robbe,
Eumelique domum lugentis in aere natum.
Tandem vipereis Ephyren Pirenida pennis
contigit: hic aevo veteres mortalia primo
corpora vulgarunt pluvialibus edita fungis.
sed postquam Colchis arsit nova nupta venenis
Und des Eumelos Haus, der den Sohn in den Lüften beklagte.
Ephyre endlich erreicht, die pirenische Stadt, das beschwingte
Drachengespann, wo einst nach der Alten Bericht in der Urzeit
Sterbliche wuchsen hervor aus regengenähreten Pilzen.
Doch als kolchisches Gift aufzehrte die neue Gemahlin
flagrantemque domum regis mare vidit utrumque,
sanguine natorum perfunditur inpius ensis,
ultaque se male mater Iasonis effugit arma.
hinc Titaniacis ablata draconibus intrat
Palladias arces, quae te, iustissima Phene,
Und das gedoppelte Meer sah lodern des Königes Hofburg,
Netzt mit dem Blut der Söhne das Schwert die entartete Mutter;
Grässlich gerächt dann nimmt sie die Flucht vor den Waffen Iasons.
Schleunig von hinnen geführt vom Gespann der titanischen Drachen
Tritt sie in Pallas' Burg, die dich, pflichttreueste Phene,
teque, senex Peripha, pariter videre volantes
innixamque novis neptem Polypemonis alis.
excipit hanc Aegeus facto damnandus in uno,
nec satis hospitium est, thalami quoque foedere iungit.
Oftmals sah im Verein mit dir, Greis Periphas, fliegen,
Auch auf Flügeln gewiegt die Enkelin sah Polypemons.
Dort nimmt Aigeus sie auf, nur darob Tadel verdienend.
Wirt nicht blieb er allein: zur Gemahlin erhob er Medea.
  5. Theseus und Aegeus (404-452)
Iamque aderat Theseus, proles ignara parenti, Theseus auch war da, zur Zeit für den Vater ein Fremdling,
qui virtute sua bimarem pacaverat Isthmon:
huius in exitium miscet Medea, quod olim
attulerat secum Scythicis aconiton ab oris.
illud Echidnaeae memorant e dentibus ortum
esse canis: specus est tenebroso caecus hiatu,
Er, des rüstige Kraft die Gestade des Isthmos gesichert.
Ihn ist Medea gewillt zu verderben und mischt Akoniton,
Welches mit sich ehdem sie gebracht von der skythischen Küste.
Jenes, vermeldet die Mär, sei aus des echidnischen Hundes
Zähnen erzeugt. Schwarz gähnt ein Geklüft mit finsterem Schlunde
est via declivis, per quam Tirynthius heros
restantem contraque diem radiosque micantes
obliquantem oculos nexis adamante catenis
Cerberon abstraxit, rabida qui concitus ira
inplevit pariter ternis latratibus auras
Und abschüssigem Pfad, auf dem der tirynthische Halbgott,
Ob er sich sträubt zu meiden den Tag und die blendenden Strahlen,
Hielt die Augen verdreht, an stählerner Kette gezwungen
Kerberos mit sich zog, der tobend in wütendem Zorne
Ringsum füllte die Luft mit Gebell aus dreifacher Kehle,
et sparsit virides spumis albentibus agros;
has concresse putant nactasque alimenta feracis
fecundique soli vires cepisse nocendi;
quae quia nascuntur dura vivacia caute,
agrestes aconita vocant. ea coniugis astu
Während das grüne Gefild er bespritzte mit weißlichem Geifer.
Der, wie man glaubt, ward hart, und aus fruchtbar treibendem Boden
Sog er den nährenden Stoff und gewann so Kraft zu verderben.
Weil im harten Gestein das Gewächs ausdauernd hervorsprosst,
Nennt es das ländliche Volk Akonit. Das reichte der Vater
ipse parens Aegeus nato porrexit ut hosti.
sumpserat ignara Theseus data pocula dextra,
cum pater in capulo gladii cognovit eburno
signa sui generis facinusque excussit ab ore.
effugit illa necem nebulis per carmina motis;
Aigeus selber dem Sohn als Feind, betört von der Gattin,
Theseus hielt in der Rechten bereits nichts ahnend den Becher,
Als an dem elfenen Griff des Schwertes erkannt' der Erzeuger
Seines Geschlechtes Beweis und den Greuel vom Munde hinwegstieß.
Zeitig entzog sich dem Tod in gezaubertem Nebel Medea.
At genitor, quamquam laetatur sospite nato,
attonitus tamen est, ingens discrimine parvo
committi potuisse nefas: fovet ignibus aras
muneribusque deos inplet, feriuntque secures
colla torosa boum vinctorum cornua vittis.
Aber der Vater, obgleich er sich freut des geretteten Sohnes,
Denkt mit Entsetzen zurück, wie er konnte verüben die Untat,
Da so wenig gefehlt. Die Altäre versieht er mit Feuer,
Reichlich beschenkt er die Götter dazu, und im fleischigen Nacken
Spüren die Rinder das Beil, mit Bändern umwunden die Hörner.
nullus Erecthidis fertur celebratior illo
inluxisse dies: agitant convivia patres
et medium vulgus nec non et carmina vino
ingenium faciente canunt: 'te, maxime Theseu,
mirata est Marathon Cretaei sanguine tauri,
Festlicher hat kein Tag - so sagt man - geschienen als jener
Über Erechtheus' Volk. So Väter wie niedere Menge
Kommen zu Schmaus und Gelag', und sie einen die Stimmen zum Liede,
Während der Wein aufmuntert den Geist: "Dich, herrlicher Theseus,
Staunet Marathon an in dem Blut des kretischen Stieres,
quodque suis securus arat Cromyona colonus,
munus opusque tuum est; tellus Epidauria per te
clavigeram vidit Vulcani occumbere prolem,
vidit et inmitem Cephisias ora Procrusten,
Cercyonis letum vidit Cerealis Eleusin.
Und dass Kromyon pflügt vor dem Schwein gesichert der Landmann,
Ist dein Werk und Verdienst. Durch dich auch sah des Vulcanus
Keulenbewaffneten Spross Epidauros' Gefilde erliegen,
Sah der kephisische Strand erliegen den Quäler Prokrustes;
Kerkyons Tod auch sah die Ceres geweihte Eleusis.
occidit ille Sinis magnis male viribus usus,
qui poterat curvare trabes et agebat ab alto
ad terram late sparsuras corpora pinus.
tutus ad Alcathoen, Lelegeia moenia, limes
conposito Scirone patet, sparsisque latronis
Sinis hast du besiegt, der riesige Stärke missbrauchte,
Der Baumstämme vermocht' zu krümmen und Fichten vom Wipfel
Niedergedrückt, dass weit sie verstreuten zerrissene Leiber.
Sicher und frei ist der Weg nach Alkathoes Lelegermauern,
Seit du Skeiron gestürzt, und die Ruhstatt wird von dem Lande,
terra negat sedem, sedem negat ossibus unda;
quae iactata diu fertur durasse vetustas
in scopulos: scopulis nomen Scironis inhaeret.
si titulos annosque tuos numerare velimus,
facta prement annos. pro te, fortissime, vota
Wird von der Woge versagt den getrennten Gebeinen des Räubers.
Als die lange geirrt, ließ Zeit sie erstarren zu Klippen,
Wie man erzählt, und den Klippen verblieb der Name des Skeiron.
Wollten wir zählen Verdienste und Jahre von dir, vor den Taten
Ständen die Jahre zurück. Für dich, o rüstiger Streiter,
publica suscipimus, Bacchi tibi sumimus haustus.'
consonat adsensu populi precibusque faventum
regia, nec tota tristis locus ullus in urbe est.
Beten wir alle gesamt; dir weihen wir Gaben des Bacchus."
In das Gejubel des Volks und die andachtvollen Gebet
Stimmt die Burg, und rings in der Stadt wohnt nirgends die Trauer.
  8. Minos rüstet gegen Athen (453-489)  

Nec tamen (usque adeo nulla est sincera voluptas,
sollicitumque aliquid laetis intervenit) Aegeus
Aber es freute sich nicht - so ist kein reines Behagen,
Und in die Lust drängt immer sich ein die Bekümmernis - Aigeus
gaudia percepit nato secura recepto:
bella parat Minos; qui quamquam milite, quamquam
classe valet, patria tamen est firmissimus ira
Androgeique necem iustis ulciscitur armis.
ante tamen bello vires adquirit amicas,
Unbesorgten Gemüts, dass glücklich der Sohn ihm erhalten.
Minos rüstet zum Krieg, der, mächtig an Streitern und Schiffen,
Kraft doch hatte zumeist durch den Zorn im Vatergemüte,
Seines Androgeos Tod mit berechtigten Waffen zu rächen.
Vorher wirbt er jedoch zu der Fehde befreundete Mächte;
quaque potens habitus volucri freta classe pererrat:
hinc Anaphen sibi iungit et Astypaleia regna,
(promissis Anaphen, regna Astypaleia bello);
hinc humilem Myconon cretosaque rura Cimoli
florentemque thymo Syron planamque Seriphon
Wo ihm der Weg freisteht, durcheilt er die Flut mit den Segeln.
Anaphe zieht er heran und Astypalaia zum Bündnis,
Astypalaia durch Krieg, durch Verheißungen Anaphes Eiland,
Mykonos' niedrigen Sitz und das kreidige Land von Kimolos,
Kythnos' blühende Flur und die flache Seriphos und Syros,
marmoreamque Paron, quamque inpia prodidit Arne
Siphnon et accepto, quod avara poposcerat, auro
mutata est in avem, quae nunc quoque diligit aurum,
nigra pedes, nigris velata monedula pennis.
At non Oliaros Didymeque et Tenos et Andros
Paros das Marmorland und Siphnos, verraten von Arne,
Die nach des Goldes Empfang, das die Frevlerin geizig gefordert,
Als der Vogel erschien, der Gold noch liebt, in Verwandlung,
Schwarz an den Füßen und schwarz mit Gefieder bekleidet, als Dohle.
Didymai nicht indes, noch Tenos, Oliaros, Andros,
et Gyaros nitidaeque ferax Peparethos olivae
Cnosiacas iuvere rates; latere inde sinistro
Oenopiam Minos petit, Aeacideia regna:
Oenopiam veteres adpellavere, sed ipse
Aeacus Aeginam genetricis nomine dixit.
Gyaros, noch Peparethos, ergiebig an glatten Oliven,
Geben der gnosischen Macht Zuwachs. Nun steuert zur Linken
Minos Oinopia zu, dem Gebiete der Aiakiden.
Denn Oinopia nannt' es die Vorzeit, aber Aigina
Wurde von Aiakos selbst nach der Mutter geheißen das Eiland.
turba ruit tantaeque virum cognoscere famae
expetit; occurrunt illi Telamonque minorque
quam Telamon Peleus et proles tertia Phocus;
ipse quoque egreditur tardus gravitate senili
Aeacus et, quae sit veniendi causa, requirit.
Hastig, den Helden zu sehn, des Ruf so weit sich verbreitet,
Drängt man sich. Telamon kommt und jünger als Telamon Peleus
Ihm entgegengeeilt und der dritte der Sprösslinge, Phokos.
Aiakos selbst auch tritt, von der Bürde des Alters gehindert,
Wankend heraus und fragt, was jenen bewogen zu kommen.
admonitus patrii luctus suspirat et illi
dicta refert rector populorum talia centum:
'arma iuves oro pro gnato sumpta piaeque
pars sis militiae; tumulo solacia posco.'
huic Asopiades 'petis inrita' dixit 'et urbi
An sein Leid als Vater gemahnt seufzt tief und erwidert
Also der Held, dem hundert an Zahl die Stämme gehorchen:
"Fördre den Waffen den Sieg, die wegen des Sohns ich erhoben,
Hilf in der Fehde der Pflicht! Mein Wunsch ist Trost für das Grabmal."
Drauf der aisopische Spross: "Untunliches, Minos, verlangst du,
non facienda meae; neque enim coniunctior ulla
Cecropidis est hac tellus: ea foedera nobis.'
tristis abit 'stabunt' que 'tibi tua foedera magno'
dixit et utilius bellum putat esse minari
quam gerere atque suas ibi praeconsumere vires.
Was mein Volk nicht darf; denn es ist den kekropischen Männern
Enger als dieses vereint kein Land. So sind wir im Bündnis."
Barsch geht jener und spricht: "Dir kommt noch sicher dein Bündnis
Teuer zu stehn." Doch scheint es ihm rätlicher, Fehde zu drohen
Als zu erheben und hier vorher zu vergeuden die Kräfte.
  7. Cephalus bei Aeacus (490-865)
classis ab Oenopiis etiamnum Lyctia muris
spectari poterat, cum pleno concita velo
Attica puppis adest in portusque intrat amicos,
quae Cephalum patriaeque simul mandata ferebat.
Aeacidae longo iuvenes post tempore visum
Fern noch konnte man sehn das Geschwader der lyktischen Schiffe
Von der oinopischen Stadt, als rasch mit schwellendem Segel
Nahend ein attisches Schiff einläuft im befreundeten Hafen,
Welches den Kephalos trug und zugleich Aufträge der Heimat.
Aiakos' Söhne, wiewohl gar lange sie nicht ihn gesehen,
agnovere tamen Cephalum dextrasque dedere
inque patris duxere domum: spectabilis heros
et veteris retinens etiamnum pignora formae
ingreditur ramumque tenens popularis olivae
a dextra laevaque duos aetate minores
Kennen den Kephalos doch und geleiten ihn, als sie die Rechte
Grüßend gereicht, in des Vaters Palast. Der stattliche Heros,
Der noch immer bewahrt Merkmale der früheren Schönheit,
Tritt in das Haus, und haltend den Zweig vom heimischen Ölbaum
Hat er, der ältere Mann, zwei Jüngere, Klytos und Butes,
maior habet, Clyton et Buten, Pallante creatos. Neben sich rechts und links, die rüstigen Söhne des Pallas.
  8. Aegina auf Athens Seite (501-516)



Postquam congressus primi sua verba tulerunt,
Cecropidae Cephalus peragit mandata rogatque
auxilium foedusque refert et iura parentum,
imperiumque peti totius Achaidos addit.
Als sie Worte getauscht, wie sie bringt die erste Begegnung,
Richtete Kephalos aus die Bestellung des Kekropiden:
Hilfe begehrt er und mahnt an den Bund und die Rechte der Väter,
Warnt auch, dass der Besitz der gesamten Achaia das Ziel sei.
sic ubi mandatam iuvit facundia causam,
Aeacus, in capulo sceptri nitente sinistra,
'ne petite auxilium, sed sumite' dixit, 'Athenae,
nec dubie vires, quas haec habet insula, vestras
ducite, et (o maneat rerum status iste mearum!)
Als wohlredend er so den gegebenen Auftrag gefördert,
Sagte, die Linke gestützt auf den Griff des gebietenden Szepters,
Aiakos: "Heischt nicht erst, nehmt hin, ihr Athener, den Beistand;
Achtet als euer getrost, was bietet die Insel an Streitmacht.
Möge sie ziehen gesamt: so steht es mit unserem Reiche.
robora non desunt; superat mihi miles et hoc est,
gratia dis, felix et inexcusabile tempus.'
'immo ita sit' Cephalus, 'crescat tua civibus opto
urbs' ait; 'adveniens equidem modo gaudia cepi,
cum tam pulchra mihi, tam par aetate iuventus
Rüstiges Volk fehlt nicht. Für den Feind noch bleiben mir Mannen.
Glücklich ist, Dank den Göttern, die Zeit, nichts leihend zum Vorwand."
"Ja, so möge sich dir", sprach Kephalos, "immer an Bürgern
Mehren die Stadt. Hoch war ich erfreut, als jüngst ich gekommen,
Da so stattlich an Wuchs, so gleich im Alter die Jugend
obvia processit; multos tamen inde requiro,
quos quondam vidi vestra prius urbe receptus.'
Zu mir eilte herbei. Doch viele vermiss' ich darunter,
Die bei dem ersten Besuch in euerer Stadt ich gesehen."
  9. Pest auf Aegina (517-660)


Aeacus ingemuit tristique ita voce locutus:
'flebile principium melior fortuna secuta est;
hanc utinam possem vobis memorare sine illo!
Aiakos seufzt' und begann mit bekümmerter Stimme zu reden:
"Erst war traurige Zeit, doch besseres Los ist gekommen.
Könnt' ich das letztere nur euch ohne das Frühere kundtun!
ordine nunc repetam, neu longa ambage morer vos,
ossa cinisque iacent, memori quos mente requiris,
et quota pars illi rerum periere mearum!
dira lues ira populis Iunonis iniquae
incidit exosae dictas a paelice terras.
Sei denn alles erzählt. Euch nicht zu ermüden mit Umschweif:
Die du vermissest, gedenk im Gemüt, sind Staub und Gebeine,
Und wie ein kärglicher Teil sind die von dem ganzen Verluste!
Grässliche Seuche befiel mein Volk durch der feindlichen Iuno
Zorn, die hasste das Land, das führte den Namen der Buhle.
dum visum mortale malum tantaeque latebat
causa nocens cladis, pugnatum est arte medendi:
exitium superabat opem, quae victa iacebat.
principio caelum spissa caligine terras
pressit et ignavos inclusit nubibus aestus;
Während es menschliches Los noch schien und der großen Verheerung
Anlass dunkel blieb, ward gegengekämpft von der Heilkunst;
Machtlos aber erlag vor der siegenden Plage die Hilfe.
Anfangs lagerte sich mit drückendem Dunste der Himmel
Über dem Land und verschloss in den Wolken erschlaffende Schwüle.
dumque quater iunctis explevit cornibus orbem
Luna, quater plenum tenuata retexuit orbem,
letiferis calidi spirarunt aestibus austri.
constat et in fontis vitium venisse lacusque,
miliaque incultos serpentum multa per agros
Während der Mond viermal mit vereinigten Hörnern die Scheibe
Füllte, verengt viermal abließ von der Fülle der Scheibe,
Wehte beharrlicher Süd Tod bringend mit glühendem Hauche.
Zweifel ist nicht, dass Quellen und Seen auch Schaden genommen,
Da auf den Fluren umher, die keiner bestellte, von Schlangen
errasse atque suis fluvios temerasse venenis.
strage canum primo volucrumque oviumque boumque
inque feris subiti deprensa potentia morbi.
concidere infelix validos miratur arator
inter opus tauros medioque recumbere sulco;
Kroch zahlloses Gezücht und die Wasser verdarb mit dem Gifte.
Leichen von Hunden zuerst und Gevögel und Schafen und Rindern
Zeugten und fallendes Wild von der Macht der einbrechenden Krankheit.
Während der Arbeit sieht mit Bestürzung der ratlose Pflüger
Fallen den kräftigen Stier und inmitten der Furche sich strecken.
lanigeris gregibus balatus dantibus aegros
sponte sua lanaeque cadunt et corpora tabent;
acer equus quondam magnaeque in pulvere famae
degenerat palmas veterumque oblitus honorum
ad praesepe gemit leto moriturus inerti.
Krankes Geblök stößt aus das vliestragende Vieh, und die Wolle
Fällt von selber herab und von Siechtum schwinden die Leiber.
Sonst voll feurigen Muts und an Ruhm so reich in der Rennbahn,
Stöhnt untüchtig zum Sieg und der früheren Ehren vergessend
Jetzt an der Krippe das Ross, unrühmlichen Todes zu sterben.
non aper irasci meminit, non fidere cursu
cerva nec armentis incurrere fortibus ursi.
omnia languor habet: silvisque agrisque viisque
corpora foeda iacent, vitiantur odoribus aurae.
mira loquar: non illa canes avidaeque volucres,
Grimmig zu werden vergisst der Eber, dem Laufe die Hindin
Sich zu vertraun, und der Bär zu befallen das rüstige Hornvieh.
Schlaff ist alles und schwach. In den Wäldern, auf Fluren und Wegen
Liegt abscheuliches Aas, und die Luft ist verpestet vom Moder.
Seltsam hört es sich an: kein Hund, kein gieriger Vogel
non cani tetigere lupi; dilapsa liquescunt
adflatuque nocent et agunt contagia late.
'Pervenit ad miseros damno graviore colonos
pestis et in magnae dominatur moenibus urbis.
viscera torrentur primo, flammaeque latentis
Rührte daran, kein graulicher Wolf. In Verwesung zergehend
Sandt' es verderblichen Dunst und verbreitete weit die Vergiftung.
Jetzto verheerender noch zu dem unglückseligen Landvolk
Dringet die Pest und herrscht in den Mauern der räumigen Hauptstadt.
Trocken vom Brande zuerst verschmachten die inneren Teile;
indicium rubor est et ductus anhelitus; igni
aspera lingua tumet, tepidisque arentia ventis
ora patent, auraeque graves captantur hiatu.
non stratum, non ulla pati velamina possunt,
nuda sed in terra ponunt praecordia, nec fit
Zeichen ist Röte der Haut und glutdurchdrungener Atem.
Rauh ist die Zunge geschwellt, und es lechzt von den dörrenden Winden
Offen der Mund und zieht mit dem Atem verderbliche Luft ein.
Weder vermögen ein Bett, noch Kleider zu dulden die Kranken,
Sondern sie drücken die Brust hart wider die Erde, und nicht wird
corpus humo gelidum, sed humus de corpore fervet.
nec moderator adest, inque ipsos saeva medentes
erumpit clades, obsuntque auctoribus artes;
quo propior quisque est servitque fidelius aegro,
in partem leti citius venit, utque salutis
Kalt vom Boden der Leib, heiß wird von dem Leibe der Boden.
Auch kein Helfer ist nah; denn es bricht die vernichtende Plage
Ein auf die Heilenden selbst, und den Kundigen schadet das Wissen.
Jeder, je näher er steht, je treuer er wartet des Kranken,
Fällt so schneller dem Tod zum Raub. Als nun der Genesung
spes abiit finemque vident in funere morbi,
indulgent animis et nulla, quid utile, cura est:
utile enim nihil est. passim positoque pudore
fontibus et fluviis puteisque capacibus haerent,
nec sitis est exstincta prius quam vita bibendo.
Hoffnung entflohn und das Ende der Qual sie sehen im Grabe,
Folgen sie ihrem Gelüst, und es kümmert sie nimmer, was fromme;
Denn nichts frommte ja mehr. Allorts an Quellen und Flüssen
Liegen sie ohne Bedacht auf Scham und an räumigen Brunnen,
Wo nicht eher der Durst durch Trinken erlischt als das Leben.
inde graves multi nequeunt consurgere et ipsis
inmoriuntur aquis, aliquis tamen haurit et illas;
tantaque sunt miseris invisi taedia lecti,
prosiliunt aut, si prohibent consistere vires,
corpora devolvunt in humum fugiuntque penates
Mancher, vom Trunke beschwert, kann nicht aufstehen und findet
Gleich im Wasser den Tod; doch so auch trinken es andre.
Oft von dem Lager empor - so ist es verhasst den Gequälten –
Springen sie, oder wenn nicht ausreichen zum Stehen die Kräfte,
Wälzen sie hin auf dem Boden den Leib und wollen dem Hause
quisque suos, sua cuique domus funesta videtur,
et quia causa latet, locus est in crimine; partim
semianimes errare viis, dum stare valebant,
adspiceres, flentes alios terraque iacentes
lassaque versantes supremo lumina motu;
Jeder entfliehn. Sein eigenes Haus scheint jedem verderblich,
Und weil dunkel der Grund, ist der Ort in Verdacht, der bekannt war.
Halbtot irrten umher, die Kraft noch hatten zu stehen;
Andere sah man in Not, wie sie weinten, am Boden sich wanden,
Wie sie im Kampf mit dem Tod die ermatteten Augen verdrehten.
membraque pendentis tendunt ad sidera caeli,
hic illic, ubi mors deprenderat, exhalantes.
'Quid mihi tunc animi fuit? an, quod debuit esse,
ut vitam odissem et cuperem pars esse meorum?
quo se cumque acies oculorum flexerat, illic
Oder sie streckten empor zu dem hangenden Himmel die Arme,
Hier und dort, wo der Tod sie ereilte, den Geist aushauchend.
Wie war da mir zu Mut! Nicht anders, als dass ich das Leben
Trug als Last und der Meinen Geschick selbst wünschte zu teilen.
Immer, wohin sich der Blick auch wendete, lag an der Erde
vulgus erat stratum, veluti cum putria motis
poma cadunt ramis agitataque ilice glandes.
templa vides contra gradibus sublimia longis:
Iuppiter illa tenet. quis non altaribus illis
inrita tura dedit? quotiens pro coniuge coniunx,
Niedergeworfenes Volk, wie wenn von den schwankenden Ästen
Faulendes Obst abfällt und geschüttelte Eckern vom Eichbaum.
Drüben erblickst du erhöht auf Stufen den stattlichen Tempel:
Iupiter nennt ihn sein. Wer hat nicht eitelen Weihrauch
Jenem Altar gebracht? Wie oft, wenn dort der Erzeuger
pro gnato genitor dum verba precantia dicit,
non exoratis animam finivit in aris,
inque manu turis pars inconsumpta reperta est!
admoti quotiens templis, dum vota sacerdos
concipit et fundit durum inter cornua vinum,
Rettung erfleht für den Sohn im Gebet, für den Gatten die Gattin,
Gaben das Leben sie auf an dem unerbittlichen Altar,
Während sich unverzehrt noch Weihrauch fand in den Händen.
Oft, zum Tempel geführt, auch stürzten, während der Priester
Sprach das Gebet und lauteren Wein goss zwischen die Hörner,
haud exspectato ceciderunt vulnere tauri!
ipse ego sacra Iovi pro me patriaque tribusque
cum facerem natis, mugitus victima diros
edidit et subito conlapsa sine ictibus ullis
exiguo tinxit subiectos sanguine cultros.
Vorher, ohne den Streich zu erwarten, erlesene Stiere.
Als ein Opfer ich selbst für mich und das Land und die Söhne
Brachte dem Iupiter dar, ließ schauriges Brüllen das Opfer
Hören, und plötzlich gestürzt, noch ehe das Beil es getroffen,
Netzt' es mit wenigem Blut das untergehaltene Messer.
exta quoque aegra notas veri monitusque deorum
perdiderant: tristes penetrant ad viscera morbi.
ante sacros vidi proiecta cadavera postes,
ante ipsas, quo mors foret invidiosior, aras.
pars animam laqueo claudunt mortisque timorem
Aus dem Geweid' auch war untrügliche Götterverkündung
Nicht zu ersehn: in das Innerste drang das traurige Siechtum.
Leichname sah ich dahin vor den heiligen Pfosten geworfen,
Ja, vor dem Altar selbst, dass abscheuvoller der Tod sei.
Selbst mit dem Strick schnürt mancher den Hals und vertreibt mit dem Tode
morte fugant ultroque vocant venientia fata.
corpora missa neci nullis de more feruntur
funeribus (neque enim capiebant funera portae):
aut inhumata premunt terras aut dantur in altos
indotata rogos; et iam reverentia nulla est,
Furcht vor dem Tod und ruft freiwillig das kommende Schicksal.
Nicht mehr trägt man wie sonst mit Feier und Ehren die toten
Leiber hinaus: Raum hatten ja nicht für die Züge die Tore.
Unverscharrt teils liegen sie da, teils ohne Geschenke
Nimmt sie der Holzstoß auf. Die besorgliche Scheu ist gewichen;
610



deque rogis pugnant alienisque ignibus ardent.
qui lacriment, desunt, indefletaeque vagantur
natorumque patrumque animae iuvenumque senumque,
nec locus in tumulos, nec sufficit arbor in ignes.
Attonitus tanto miserarum turbine rerum,
Streit hebt an um das Holz, und sie brennen im Feuer des andren.
Niemand ist, der weint, und es irren, von keinem betrauert,
Seelen von Kindern umher und Männern, von Knaben und Greisen.
Wie für die Hügel der Raum, so mangelt das Holz für die Flammen.
Sinnlos rief ich, vom Sturm so schrecklichen Jammers bewältigt:
615



"Iuppiter o!" dixi, "si te non falsa loquuntur
dicta sub amplexus Aeginae Asopidos isse,
nec te, magne pater, nostri pudet esse parentem,
aut mihi redde meos aut me quoque conde sepulcro!"
ille notam fulgore dedit tonitruque secundo.
‚Iupiter, ach, wofern nicht falsches Gerede verkündet,
Dass du Aigina umarmt vormals, die aisopische Jungfrau,
Und mein Zeuger zu sein du nicht, Allvater, dich schämest:
Gib mir die Meinen zurück; sonst birg auch mich in dem Grabmal!'
Jener gewährte mit Blitz und erfreulichem Donner ein Zeichen.
"accipio sintque ista precor felicia mentis
signa tuae!" dixi, "quod das mihi, pigneror omen."
forte fuit iuxta patulis rarissima ramis
sacra Iovi quercus de semine Dodonaeo;
hic nos frugilegas adspeximus agmine longo
,Wohl, ich vernehm's, so sprach ich, ,und mög' es ein glücklicher Ausspruch
Deiner Gesinnung mir sein! Ich nehme zum Pfand die Verkündung.'
Neben mir stand zur Zeit breitästig ein seltener Eichbaum:
Iupiter war er geweiht und gekeimt von dodonischem Samen.
Daran nahmen wir wahr Ameisen in langem Gewimmel,
grande onus exiguo formicas ore gerentes
rugosoque suum servantes cortice callem;
dum numerum miror, "totidem, pater optime," dixi,
"tu mihi da cives et inania moenia supple!"
intremuit ramisque sonum sine flamine motis
Wie sie im winzigen Mund forttrugen gewaltige Körner
Und gleichmäßigen Pfad an der runzligen Rinde verfolgten.
Mich nahm wunder die Zahl, und ich sprach: 'Lass, gütigster Vater,
Soviel Bürger erstehn zum Ersatz den entvölkerten Mauern!'
Sieh, da zittert und rauscht ohn' irgendein Wehen, die Äste
alta dedit quercus: pavido mihi membra timore
horruerant, stabantque comae; tamen oscula terrae
roboribusque dedi, nec me sperare fatebar;
sperabam tamen atque animo mea vota fovebam.
nox subit, et curis exercita corpora somnus
Regend, der mächtige Stamm. Schreck hielt mich gebannt, und ein Schauer
Schüttelte mich, und das Haar war straff. Doch deckt' ich mit Küssen
Brünstig die Erd' und das Holz, und ohne sie recht zu gestehen,
Gab ich der Hoffnung mich hin und nährte den Wunsch im Gemüte.
Nacht nun wird's, und den Leib, den quälende Sorgen ermüdet,
occupat: ante oculos eadem mihi quercus adesse
et ramis totidem totidemque animalia ramis
ferre suis visa est pariterque tremescere motu
graniferumque agmen subiectis spargere in arvis;
crescere desubito et maius maiusque videri
Fesselt der Schlaf. Da sah ich vor Augen die nämliche Eiche;
Gleichviel Äste wie sonst und daran gleich viele der Tierchen
Schien zu tragen der Baum, und ebenso schien er zu beben
Und zu verstreun auf die Flur die körnerbeladene Reihe,
Die dann plötzlich erwuchs und größer und größer erscheinend
ac se tollere humo rectoque adsistere trunco
et maciem numerumque pedum nigrumque colorem
ponere et humanam membris inducere formam.
somnus abit: damno vigilans mea visa querorque
in superis opis esse nihil; at in aedibus ingens
Sich von dem Boden erhob und aufrecht stand mit dem Rumpfe
Und mit der Dünne die Zahl der Füß' und die schwärzliche Farbe
Wieder verlor und Menschengestalt erhielt an den Gliedern.
Fort ist der Schlaf. Ich verwerfe den Traum im Wachen und klage,
Dass bei den Himmlischen Schutz nicht sei. Horch, großes Getümmel
murmur erat, vocesque hominum exaudire videbar
iam mihi desuetas; dum suspicor has quoque somni
esse, venit Telamon properus foribusque reclusis
"speque fideque, pater", dixit "maiora videbis:
egredere!" egredior, qualesque in imagine somni
Füllte das Haus, und es war, als tönten mir menschliche Stimmen,
Deren ich längst mich entwöhnt. Ich hielt auch das für ein Traumbild;
Da kommt Telamon rasch und ruft, aufmachend die Türe:
,Draußen ist, Vater, zu sehn, was über Erwarten und Glauben.
Geh nur hinaus!' Ich gehe hinaus, und wie ich die Männer
visus eram vidisse viros, ex ordine tales
adspicio noscoque: adeunt regemque salutant.
vota Iovi solvo populisque recentibus urbem
partior et vacuos priscis cultoribus agros,
Myrmidonasque voco nec origine nomina fraudo.
Hatte vermeint im Traum zu sehn, so ganz nach der Reihe
Schau' und erkenn' ich sie jetzt. Sie nahen und grüßen den König.
Iupiter zoll' ich den Dank, wie gelobt, und den neuen Bewohnern
Teil' ich die Stadt und das Feld, das leer von den alten Bestellern,
Und Myrmidonen benenn' ich das Volk, zu bezeichnen den Ursprung.
corpora vidisti; mores, quos ante gerebant,
nunc quoque habent: parcum genus est patiensque laborum
quaesitique tenax et quod quaesita reservet.
hi te ad bella pares annis animisque sequentur,
cum primum qui te feliciter attulit eurus'
Kund ist dir die Gestalt; von früher das emsige Wesen
Haben sie noch, ein karges Geschlecht, ausdauernd in Arbeit,
Sparsam mit dem Erwerb und wohl das Erworbene wahrend.
Die nun sollen mit dir, an Jahren sich gleich und an Mute,
Ziehen zum Krieg, sobald sich der Ost, der glücklich dich brachte" –
(eurus enim attulerat) 'fuerit mutatus in austrum.' Ostwind hatt' ihn gebracht - "demnächst umwandelt zum Südwind."
  10. Cephalus und Phocus (661-865)



Talibus atque aliis longum sermonibus illi
inplevere diem; lucis pars ultima mensae
est data, nox somnis. iubar aureus extulerat Sol,
flabat adhuc eurus redituraque vela tenebat:
Mit dergleichen Gespräch und mit anderem kürzend die Stunden
Füllten den Tag sie aus. Drauf weiht man dem Schmause des Tages
Ende, dem Schlummer die Nacht. Licht goss goldstrahlcnd die Sonne;
Stets noch wehte der Ost und verwehrte den Segeln die Rückfahrt.
ad Cephalum Pallante sati, cui grandior aetas,
ad regem Cephalus simul et Pallante creati
conveniunt, sed adhuc regem sopor altus habebat.
excipit Aeacides illos in limine Phocus;
nam Telamon fraterque viros ad bella legebant.
Früh zu Kephalos gehen die jüngeren Söhne des Pallas;
Dann zum Könige geht, von den Söhnen des Pallas begleitet,
Kephalos. Aber es lag noch tief im Schlafe der König.
Phokos, des Aiakos Sohn, empfängt an der Schwelle die Gäste –
Telamon eben erlas für den Krieg mit dem Bruder die Mannschaft.
Phocus in interius spatium pulchrosque recessus Mit in den inneren Raum nimmt Kekrops' Sprösslinge Phokos
  11. Cephalus und Procris (671-758)



Cecropidas ducit, cum quis simul ipse resedit.
adspicit Aeoliden ignota ex arbore factum
ferre manu iaculum, cuius fuit aurea cuspis.
pauca prius mediis sermonibus ille locutus
Zum prachtvollen Gemach. Dort setzt er mit ihnen sich nieder.
Während sie saßen, gewahrt er den Spieß, den Aiolos' Enkel
Trug in der Hand, aus seltsamem Holz, mit goldener Spitze.
Als im gemeinen Gespräch nun einiges erst er geredet,
'sum nemorum studiosus' ait 'caedisque ferinae;
qua tamen e silva teneas hastile recisum,
iamdudum dubito: certe si fraxinus esset,
fulva colore foret; si cornus, nodus inesset.
unde sit, ignoro, sed non formosius isto
Sprach er: "Ich kenne den Wald gar wohl und des Wildes Erlegung;
Aber aus welchem Gehölz dein Schaft wohl möge gehaun sein,
Grübl' ich im Sinn schon längst. Denn wenn es ein eschener wäre,
Müsst' er doch gelb aussehn; ein kornellener, zeigten sich Knoten.
Nimmer erkenn' ich, woraus er gemacht. Doch schöner als dieses
viderunt oculi telum iaculabile nostri.'
excipit Actaeis e fratribus alter et 'usum
maiorem specie mirabere' dixit 'in isto.
consequitur, quodcumque petit, fortunaque missum
non regit, et revolat nullo referente cruentum.'
Haben ein Wurfgeschoss nie meine Augen gesehen."
Einer versetzte darauf von den attischen Brüdern: "Bewundern
Wirst du die Güte des Speers noch mehr als die äußere Schönheit.
Immer erreicht er das Ziel, und niemals lenkt ihn im Fluge
Zufall. Blutig zurück auch fliegt er, da keiner ihn herholt."
tum vero iuvenis Nereius omnia quaerit,
cur sit et unde datum, quis tanti muneris auctor.
quae petit, ille refert, sed enim narrare pudori est,
qua tulerit mercede; silet tactusque dolore
coniugis amissae lacrimis ita fatur obortis:
Alles zu wissen begehrt nunmehr der nereische Jüngling,
Wie und warum und von wem er bekommen das prächtige Kleinod.
Jener erzählt, was er fragt und das andre Bekannte; den Lohn nur,
Welchen er gab, verschweigt er aus Scham, und ergriffen vom Schmerze
Um den Verlust der Gemahlin beginnt er mit quellenden Tränen:
'hoc me, nate dea, (quis possit credere?) telum
flere facit facietque diu, si vivere nobis
fata diu dederint; hoc me cum coniuge cara
perdidit: hoc utinam caruissem munere semper!
'Procris erat, si forte magis pervenit ad aures
"Dieses Geschoss - wer hätt' es gedacht? -, o Göttingeborner,
Macht mich weinen und wird's noch lang, wofern mir das Schicksal
Lange zu leben vergönnt. Mir war's und der teueren Gattin
Unheilvoll. O wär' es mir nie zum Geschenke geworden!
Prokris war die Schwester, wenn mehr vielleicht dir zu Ohren
Orithyia tuas, raptae soror Orithyiae,
si faciem moresque velis conferre duarum,
dignior ipsa rapi! pater hanc mihi iunxit Erectheus,
hanc mihi iunxit amor: felix dicebar eramque;
non ita dis visum est, aut nunc quoque forsitan essem.
Oreithyia gelangt, der entführten Oreithyia,
Würdiger, willst du Gestalt und Sitten der Beiden vergleichen,
Selbst die Entführte zu sein. Die einte der Vater Erechtheus,
Einte die Liebe mit mir. Ich hieß glückselig und war es,
Wär' es vielleicht noch jetzt; doch anders gefiel es den Göttern.
alter agebatur post sacra iugalia mensis,
cum me cornigeris tendentem retia cervis
vertice de summo semper florentis Hymetti
lutea mane videt pulsis Aurora tenebris
invitumque rapit. liceat mihi vera referre
Fortgang nahm nach dem Fest der Vermählung der andere Monat,
Als mich, während das Garn vielendigen Hirschen ich stellte,
Früh nach vertriebener Nacht von des immer begrünten Hymettos
Oberstem Gipfel erblickt die safranfarb'ne Aurora
Und trotz Wehrens entführt. Nicht wird mir die Göttin verargen
pace deae: quod sit roseo spectabilis ore,
quod teneat lucis, teneat confinia noctis,
nectareis quod alatur aquis, ego Procrin amabam;
pectore Procris erat, Procris mihi semper in ore.
sacra tori coitusque novos thalamosque recentes
Treuen Bericht. Ob lieblich sie sei mit dem rosigen Antlitz,
Ob sie dem Licht und der Nacht angrenzend sich hält in der Mitte,
Ob sie sich nährt von nektarischem Trank: ich liebte nur Prokris;
Prokris trug ich im Sinn und Prokris beständig im Munde.
Auf den geweihten Bund, das Liebesumfangen, das Brautbett
primaque deserti referebam foedera lecti:
mota dea est et "siste tuas, ingrate, querellas;
Procrin habe!" dixit, "quod si mea provida mens est,
non habuisse voles." meque illi irata remisit.
cum redeo mecumque deae memorata retracto,
Wies ich hin und den ersten Verein im verlassenen Lager.
Nachgab jene und sprach: "Lass, Undankbarer, die Klage:
Dir sei Prokris gewährt. Doch bald, wenn ich Richtiges ahne,
Wird ihr Besitz dich gereun." Und sie ließ mich zürnend von hinnen.
Während ich heimwärts ging und erwog die Worte der Göttin,
esse metus coepit, ne iura iugalia coniunx
non bene servasset: facies aetasque iubebat
credere adulterium, prohibebant credere mores;
sed tamen afueram, sed et haec erat, unde redibam,
criminis exemplum, sed cuncta timemus amantes.
Stieg allmählich die Furcht, dass Prokris die ehlichen Pflichten
Treu nicht habe bewahrt. In Verdacht wohl brachten die Treue
Jugend und schöne Gestalt; den Verdacht ließ schweigen der Wandel.
Aber ich war doch fern, und ein Beispiel gab des Vergehens
Jene, von welcher ich kam, und wir Liebenden fürchten ja alles.
quaerere, quod doleam, statuo donisque pudicam
sollicitare fidem; favet huic Aurora timori
inmutatque meam (videor sensisse) figuram.
Palladias ineo non cognoscendus Athenas
ingrediorque domum; culpa domus ipsa carebat
Kränkung zu suchen für mich und die züchtige Treu' zu berücken
War ich gewillt mit Geschenk. Aurora begünstigt den Argwohn,
Denn sie verleiht - so kam es mir vor - mir veränderte Bildung.
Nicht zu erkennen betret' ich die pallasgeweihte Athenai,
Und geh' ein in das Haus. Nichts zeugte von Schuld in dem Hause;
castaque signa dabat dominoque erat anxia rapto:
vix aditus per mille dolos ad Erecthida factus.
ut vidi, obstipui meditataque paene reliqui
temptamenta fide; male me, quin vera faterer,
continui, male, quin, et oportuit, oscula ferrem.
Ehrbar war's und in Angst, den geraubten Gebieter vermissend.
Kaum gab vielfache List zu der Erechthide mir Zutritt.
Wie ich sie sah, erstaunt' ich und hätte beinahe dem Vorsatz,
Sie zu versuchen, entsagt; kaum könnt' ich mich halten, die Wahrheit
Ihr zu gestehn, kaum, wie ich gesollt, ihr Küsse zu geben.
tristis erat (sed nulla tamen formosior illa
esse potest tristi) desiderioque dolebat
coniugis abrepti: tu collige, qualis in illa,
Phoce, decor fuerit, quam sic dolor ipse decebat!
quid referam, quotiens temptamina nostra pudici
Traurig war ihr Gemüt, doch schöner als sie in der Trauer
Ist wohl nimmer ein Weib; und sie glühte von heißem Verlangen
Nach dem entführten Gemahl. Du magst urteilen, o Phokos,
Wie liebreizend sie war, die reizend erschienen im Schmerze.
Was erst soll ich erzählen, wie oft sie mit züchtiger Sitte
reppulerint mores, quotiens "ego" dixerit "uni
servor; ubicumque est, uni mea gaudia servo."
cui non ista fide satis experientia sano
magna foret? non sum contentus et in mea pugno
vulnera, dum census dare me pro nocte loquendo
Mein Bemühn abwies, wie oft sie gesagt: 'Ich verbleibe
Einem, wo immer er sei; mein soll nur einer sich freuen.'
Welchem verständigen Mann nicht hätte zur Probe der Treue
Solches genügt? Es genügt mir nicht, und schmerzliche Wunde
Schlag' ich mir selbst, da ich Lohn für die Nacht ihr reichlich verheißend
muneraque augendo tandem dubitare coegi.
exclamo male victor: "adest, mala, fictus adulter!
verus eram coniunx! me, perfida, teste teneris."
illa nihil; tacito tantummodo victa pudore
insidiosa malo cum coniuge limina fugit;
Und stets mehrend den Preis am Ende sie bringe zum Wanken.
‚Leider ein anderer ist's!' so rief ich, ,der trügliche Buhle
War dein eigner Gemahl. Mein Zeugnis, Falsche, entlarvt dich.'
Sie sprach nichts; nur niedergedrückt von stiller Beschämung
Floh sie den bösen Gemahl und die Arglist hegende Schwelle.
offensaque mei genus omne perosa virorum
montibus errabat, studiis operata Dianae.
tum mihi deserto violentior ignis ad ossa
pervenit: orabam veniam et peccasse fatebar
et potuisse datis simili succumbere culpae
Hassend das Männergeschlecht, weil ich ihr bereitet die Kränkung,
Schweifte sie in dem Gebirg, obliegend dem Werke Dianas.
Nun, da verlassen ich war, drang noch viel stärkeres Feuer
Mir in das Mark. Ich bekannte die Schuld und erflehte Verzeihung.
Und ich gestand, dass Lohn mich selber zu gleichem Vergehen
me quoque muneribus, si munera tanta darentur.
haec mihi confesso, laesum prius ulta pudorem,
redditur et dulces concorditer exigit annos;
dat mihi praeterea, tamquam se parva dedisset
dona, canem munus; quem cum sua traderet illi
Hätte vermocht, wenn Lohn so reich mir wäre geboten.
Als ich solches bekannt und zuvor sie gerächt die Verführung,
Wird sie versöhnt und verlebt glückselige Jahre der Eintracht.
Auch, als hätte sie mir mit sich zu wenig gegeben,
Gibt sie dazu mir den Hund, den früher die kynthische Göttin
Cynthia, "currendo superabit" dixerat "omnes."
dat simul et iaculum, manibus quod, cernis, habemus.
Ihr mit den Worten geschenkt: 'Im Lauf wird keiner ihm gleich
Sein', Gibt mir den Spieß auch noch, den hier in den Händen ich halte.
  12. Laelaps (757-793)


muneris alterius quae sit fortuna, requiris?
accipe mirandum: novitate movebere facti!
'Carmina Laiades non intellecta priorum
Was mit dem andren Geschenk sich begeben, verlangst du zu wissen.
Hör' es denn an. Neu wird das Begebnis sein und befremdend.
Jenen verfänglichen Spruch, den vorher keiner verstanden,
solverat ingeniis, et praecipitata iacebat
inmemor ambagum vates obscura suarum:
protinus Aoniis inmittitur altera Thebis
[scilicet alma Themis nec talia linquit inulta!]
pestis, et exitio multi pecorumque suoque
Hatte gelöst des Laios Sohn, und des Rätsels vergessend
Lag von der Höhe gestürzt die Verkünderin dunkeler Worte.
Denn nicht straflos lässt dergleichen die heilige Themis.
Gleich sucht heim ein schreckliches Tier die aonische Thebai,
Und mit Verderben des Viehs und mit eigenem mästen den Unhold
rurigenae pavere feram; vicina iuventus
venimus et latos indagine cinximus agros.
illa levi velox superabat retia saltu
summaque transibat postarum lina plagarum:
copula detrahitur canibus, quas illa sequentes
Viele vom ländlichen Volk. Wir Jünglinge all' aus der Nähe
Kommen herbei und umstellen den Raum mit weiter Umgarnung.
Jener entzieht sich im hurtigen Satz leichtfüßig den Netzen,
Über das hohe Geflecht der gestellten Garne sich schwingend.
Jetzt von der Koppel entlässt man die Hunde; doch vor den Verfolgern
effugit et coetum non segnior alite ludit.
poscor et ipse meum consensu Laelapa magno
(muneris hoc nomen): iamdudum vincula pugnat
exuere ipse sibi colloque morantia tendit.
vix bene missus erat, nec iam poteramus, ubi esset,
Flieht er behend und betrügt so schnell wie ein Vogel die Meute.
Nunmehr fordern von mir einstimmig sie alle den Lailaps:
Also hieß das Geschenk. Der ringt schon längst, von der Fessel
Loszukommen, und spannt mit dem Halse die hemmende Leine.
Kaum nun war er befreit, so konnten wir, wo er geblieben,
scire; pedum calidus vestigia pulvis habebat,
ipse oculis ereptus erat: non ocior illo
hasta nec excussae contorto verbere glandes
nec Gortyniaco calamus levis exit ab arcu.
collis apex medii subiectis inminet arvis:
Nicht mehr sehn. Der glühende Sand wies deutlich die Fährte,
Aber den Augen entrückt war Lailaps. Rascher als dieser
Fliegt kein Speer, noch Kugeln versandt vom geschwungenen Riemen,
Auch kein schwebendes Rohr, das schnellt der gortynische Bogen.
Ragend inmitten der Flur ist ein spitzzugehender Hügel.
tollor eo capioque novi spectacula cursus,
quo modo deprendi, modo se subducere ab ipso
vulnere visa fera est; nec limite callida recto
in spatiumque fugit, sed decipit ora sequentis
et redit in gyrum, ne sit suus inpetus hosti:
Diesen ersteig' ich und weide den Blick an dem seltenen Rennen,
Wie bald schien von den Zähnen gepackt, bald wieder dem Bisse
Sich zu entziehen das Tier. Gradaus nicht, noch in die Weite
Flieht er mit schlauem Bedacht; des Verfolgenden Schnauze betrügend
Dreht er sich hurtig im Kreis, dass Halt nicht finde der Gegner.
inminet hic sequiturque parem similisque tenenti
non tenet et vanos exercet in aera morsus.
ad iaculi vertebar opem; quod dextera librat
dum mea, dum digitos amentis addere tempto,
lumina deflexi. revocataque rursus eodem
Dicht ist der Hund stets hinter ihm her, und dem Haltenden gleichend
Hält er doch nicht und tut in die Luft nichts packende Bisse.
Jetzt denn nahm ich zu Hilfe den Spieß. Weil den in der Rechten
Wägend ich hob und die Finger versucht' in den Riemen zu fügen,
Wandt' ich die Augen hinweg; und ich hatte sie kaum nach der Gegend
rettuleram: medio (mirum) duo marmora campo
adspicio; fugere hoc, illud captare putares.
scilicet invictos ambo certamine cursus
esse deus voluit, si quis deus adfuit illis.'
Wieder gelenkt, da sah ich, o Wunder, inmitten des Feldes
Zwei Steinbilder: zu fliehn schien eines, das andre zu bellen.
Denn dass beide zugleich als Sieger beständen im Wettlauf,
Wollte ein Gott, wenn anders ein Gott auf jene Bedacht nahm."
  13. Tod der Procris (794-865)
hactenus, et tacuit; 'iaculo quod crimen in ipso est?' So weit sprach er und schwieg. "Was trägt", fragt Phokos, "der Jagdspieß
Phocus ait; iaculi sic crimina reddidit ille:
'Gaudia principium nostri sunt, Phoce, doloris:
illa prius referam. iuvat o meminisse beati
temporis, Aeacide, quo primos rite per annos
coniuge eram felix, felix erat illa marito.
Aber für Schuld?" Und die Schuld des Spießes verkündet er also:
"Freuden, o Phokos, und Glück sind Anfang unserer Leiden.
Jene erzähl' ich zuerst. Wie gern, Aiakide, gedenk' ich
Noch an die selige Zeit, wo ich in den ersten der Jahre
War durch die Gattin beglückt und jene beglückt durch den Gatten!
mutua cura duos et amor socialis habebat,
nec Iovis illa meo thalamos praeferret amori,
nec me quae caperet, non si Venus ipsa veniret,
ulla erat; aequales urebant pectora flammae.
sole fere radiis feriente cacumina primis
Beiderseitige Sorg' und gemeinsame Liebe verband uns.
Iupiters Bett nicht hätte gewählt vor meiner Umarmung
Prokris und mich kein Weib, ja wär' auch Venus gekommen,
Je zu betören vermocht. Gleich brannte die Glut in den Herzen.
Früh, wenn die Sonne zuerst die Gipfel der Berge bestrahlte,
venatum in silvas iuvenaliter ire solebam
nec mecum famuli nec equi nec naribus acres
ire canes nec lina sequi nodosa solebant:
tutus eram iaculo; sed cum satiata ferinae
dextera caedis erat, repetebam frigus et umbras
Pflegt' ich mit Jünglingslust auf die Jagd in die Wälder zu gehen.
Niemals ließ ich Gefolg', noch Rosse und witternde Hunde
Mit mir ziehn, auch nie nachtragen geflochtene Garne;
Sicher vertraut' ich dem Spieß. Wenn dann sich der Arm an des Wildes
Morde Genüge getan, so sucht' ich mir Schatten und Kühle
et quae de gelidis exibat vallibus aura:
aura petebatur medio mihi lenis in aestu,
auram exspectabam, requies erat illa labori.
"aura" (recordor enim), "venias" cantare solebam,
"meque iuves intresque sinus, gratissima, nostros,
Und frischgehenden Zug, der wehte vom luftigen Tale.
Säuselnde Luft war dann mir erwünscht in der Schwüle des Mittags;
Auf sie wartet' ich nur; sie war nach den Mühen Erholung.
‚Liebliches Lüftchen, o komm und erfreue mich', pflegt' ich zu singen;
Gar wohl weiß ich es noch, 'und schmiege dich mir an den Busen;
utque facis, relevare velis, quibus urimur, aestus!"
forsitan addiderim (sic me mea fata trahebant),
blanditias plures et "tu mihi magna voluptas"
dicere sim solitus, "tu me reficisque fovesque,
tu facis, ut silvas, ut amem loca sola: meoque
Lindere, wie du gewohnt, mir die Glut, daran ich verschmachte.'
Mehr noch fügt' ich vielleicht - so riss mich fort das Verhängnis -
Schmeichelnde Worte dazu, und vielleicht auch pflegt' ich zu sagen
,Du bist Wonne für mich; du gibst mir Erquickung und Labsal;
Du machst, dass ich den Wald, dass einsame Stätten ich liebe;
spiritus iste tuus semper captatur ab ore."
vocibus ambiguis deceptam praebuit aurem
nescio quis nomenque aurae tam saepe vocatum
esse putat nymphae: nympham mihi credit amari.
criminis extemplo ficti temerarius index
Lechzend erstrebt mein Mund stets deinen erfrischenden Atem.'
Jemand aber vernahm mit betrogenem Ohre der Worte
Doppelten Sinn, und er hält für eine der Nymphen das Lüftchen,
Das ich zum öfteren rief, und vermeint, ich liebe die Nymphe.
Schleunig zu Prokris begibt sich der allzu eifrige Bote
Procrin adit linguaque refert audita susurra.
credula res amor est: subito conlapsa dolore,
ut mihi narratur, cecidit; longoque refecta
tempore se miseram, se fati dixit iniqui
deque fide questa est et crimine concita vano,
Nichtiger Schuld und erzählt das Gehörte mit flüsternder Zunge.
Gläubig ist Liebe so leicht. Sie sank, da ihr wurde die Kunde,
Plötzlich zu Boden im Schmerz und erwacht nach langer Betäubung,
Jammert sie über ihr Los und nennt sich verfolgt von dem Schicksal,
Klagt um gebrochene Treu, und gekränkt durch gewähntes Vergehen,
quod nihil est, metuit, metuit sine corpore nomen
et dolet infelix veluti de paelice vera.
saepe tamen dubitat speratque miserrima falli
indiciique fidem negat et, nisi viderit ipsa,
damnatura sui non est delicta mariti.
Fürchtet sie, was nicht ist, den körperentbehrenden Namen,
Und es verzehrt sie der Gram, als wäre die Buhle vorhanden.
Oft hegt Zweifel jedoch und hofft sich zu irren die Ärmste,
Schenkt dem Bericht nicht Glauben und will nicht eher verdammen,
Bis sie es selber gesehn, das schuldige Tun des Gemahles.
postera depulerant Aurorae lumina noctem:
egredior silvamque peto victorque per herbas
"aura, veni" dixi "nostroque medere labori!"
et subito gemitus inter mea verba videbar
nescio quos audisse; "veni" tamen "optima!" dicens
Als nun wieder die Nacht vor dem Licht der Aurora gewichen,
Geh' ich hinaus und streife im Wald, und nach glücklichem Waidwerk
Sag' ich, gelagert im Gras: 'Komm, Lüftchen, und schaffe mir Linderung.'
Da kam's plötzlich mir vor, als ob ich inmitten der Worte
Etwas wie Seufzen gehört. Gleichwohl: 'Komm, trautestes!' rief ich.
fronde levem rursus strepitum faciente caduca
sum ratus esse feram telumque volatile misi:
Procris erat medioque tenens in pectore vulnus
"ei mihi" conclamat! vox est ubi cognita fidae
coniugis, ad vocem praeceps amensque cucurri.
Wieder erhob sich ein leises Geräusch im gefallenen Laube,
Und ich vermutet' ein Wild und versandte den flüchtigen Wurfspieß.
Prokris war's, und gerad' in die Brust von dem Eisen getroffen
Ruft sie: 'Wehe mir!' aus. So wie ich die Stimme der treuen
Gattin erkannt, lief eilends ich hin, nicht mächtig der Sinne.
semianimem et sparsas foedantem sanguine vestes
et sua (me miserum!) de vulnere dona trahentem
invenio corpusque meo mihi carius ulnis
mollibus attollo scissaque a pectore veste
vulnera saeva ligo conorque inhibere cruorem
Schon halbtot, das bespritzte Gewand mit Blute befleckend,
Ziehend ihr eignes Geschenk - Unseliger ich! - aus der Wunde
Find ich sie nun und richte den Leib, mir teurer als meiner,
Auf mit behutsamer Hand. Zum Verband für die schreckliche Wunde
Reiß' ich vom Busen das Kleid und suche zu stillen den Blutstrom,
neu me morte sua sceleratum deserat, oro.
viribus illa carens et iam moribunda coegit
haec se pauca loqui: "per nostri foedera lecti
perque deos supplex oro superosque meosque,
per si quid merui de te bene perque manentem
Flehend, sie möge doch nicht so ganz mich Frevler verwaisen.
Jene, der Kräfte beraubt und ringend bereits mit dem Tode,
Sprach dies Wenige noch mühvoll: 'Bei dem Bunde des Lagers
Bitt' ich flehentlich dich, bei den himmlischen Göttern und meinen,
Auch bei dem, was Gutes ich je dir getan, bei der Liebe,
nunc quoque, cum pereo, causam mihi mortis amorem,
ne thalamis Auram patiare innubere nostris!"
dixit, et errorem tum denique nominis esse
et sensi et docui. sed quid docuisse iuvabat?
labitur, et parvae fugiunt cum sanguine vires,
Die mir brachte den Tod, die jetzt noch währt, da ich sterbe:
Lass nicht unser Gemach einnehmen als Gattin das Lüftchen!'
So sprach Prokris, und nun erst merkt' und belehrt' ich, der Name
Habe sie irre geführt. Doch was half noch diese Belehrung?
Ach, sie sinkt, und es fliehn mit dem Blute die wenigen Kräfte.
dumque aliquid spectare potest, me spectat et in me
infelicem animam nostroque exhalat in ore;
sed vultu meliore mori secura videtur.'
Flentibus haec lacrimans heros memorabat, et ecce
Aeacus ingreditur duplici cum prole novoque
Mich sieht immer sie an, so lang sie zu sehen vermögend,
Und sie verhaucht in mich und an meinem Munde die Seele.
Ruhiger schien sie jedoch zu verscheiden mit heiterer Miene."
So zu den Weinenden sprach mit Tränen der Heros, und siehe,
Aiakos kommt mit dem Paar der Söhne zugleich und den neuen
milite; quem Cephalus cum fortibus accipit armis. Streitern und weist sie dem Kephalos zu mit den rüstigen Waffen.
     
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Sententiae excerptae:
Lat. zu "Ov" und "met"
49
bella gerant alii, tu, felix Austria, nube! bella gerant alii, Protesilaus amet!)
Andere mögen Krieg führen, du, glückliches Österreich heirate! Andere mögen Krieg führen, du Protesilaos liebe!)
*Ov.her.13,82

224
perlucidior vitro
durchsichtiger als Glas
Hor.c.1,18,16 (cf.Ov.met.13,791)

105
Labitur occulte fallitque volatilis aetas.
Unbemerkt entgleitet und täuscht uns die flüchtige Zeit.
Ov.met.10,519

120
nihil est annis velocius
nichts ist schneller als die Jahre
Ov.met.10,520

860
Qui timet amicum, vim non novit nominis.
Wer Angst hat vor dem Freund, verkennt des Wortes Sinn.
Publil.Syr.Q40


Literatur:
zu "Ovid" und "met.7,"
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