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[144ff] Die Natur der Homerischen Gleichnisse ist kein Garten
Eden. Hier wird nicht geträumt. Hier herrscht schärfste Wachheit.
Eine Phantasie, die nicht spielt und nicht am Augenschein hängt,
sondern im Augenschein auf das Wirkliche dringt und so ein Bild des ernsthaft
Wirklichen errichtet. Charaktere des Wirklichen sind daher auch
die Grundzüge der Homerischen Gleichniswelt, wenn man sie in verschiedenen
Richtungen betrachtet. In dieser homerischen Natur gibt es kein Wesen, das sich in sich selber hegte, für sich allein da wäre und in diesem Für-Sich-Sein nichts als gefällig. Kein Tier spaziert hier ziellos durch die Welt. Alles tut und leidet, handelt zum Guten wie zum Bösen - was ist hier gut und böse? Kaum je im Gleichnis Homers ein reines Zustandsbild, fast stets bewegtes, zielstrebiges Geschehen, Handlung. Und darum: Die Natur der Homerischen Gleichnisse ist dramatisch. Im Tun und Leiden wirken Gegensätze aufeinander. Wesen wird wirksam nach seiner Eigenart. Der Sturm stürmt, Flüsse fließen, Felsen widerstehen. Der Löwe jagt und raubt, das Reh flieht. Der Mensch strebt, kämpft, baut, handelt. Alles leistet, funktioniert; alles ist 'am Werk': ἐνεργεῖ'. Und so zum dritten: Die Natur Homers ist energisch, und als energische ist sie Wirklichkeit. Nicht Traum und Märchen, Phantasmagorie. Wirklichkeit, die Ernst besitzt und Schicksal hat. Die Natur Homers ist keine Ansammlung von Erscheinungen, die 'schön' sind. Die homerische Natur ist durchaus nicht 'schön', aber sie ist. Wie kommt das? Das, was Homer in den Erscheinungen seiner Gleichnisse darstellt - Erscheinungen, die mit großer Augenschärfe wahrgenommen sind - ist gar nicht das Sichtbare an den Erscheinungen, sondern gerade jenes Unsichtbare, das in den Erscheinungen erscheint. Wenn der Sturm stürmt, das Meer anbrandet, der Felsen steht, die Eiche stürzt, der Wolf giert und raubt, wenn sich die Schlange zum Ansprung aufbäumt, ein Wurm im Sand krümmt, wenn ein Schneefeld leuchtet und auf dem Meer die Dünung unentschieden hin und her geht: so sind es Andrang, Wucht, Widerstand, Fallen, Gier, innerste Gespanntheit, elendigliches Vernichtetsein, Intensität des Lichts und Unentschiedenheit der Seele, worauf der Dichter sieht, was er in den Erscheinungen ersieht, was jene Erscheinungsbilder von innen steuert: Kräfte, Impulse, Schnelligkeiten, Bewegungsweisen, Intensitäten, Funktionen, Verhältnisse und Bezüge aller Art, sowie das Seelische in allen seinen Formen, Lagen und Schicksalen - alles Dinge, die man nicht 'sehen' kann. Sie fängt der Dichter im Gleichnis auf und lässt sie so im Bilde der sichtbaren Natur 'erscheinen'. Kurz, es sind Seins- und Wirkungsweisen, Geschehensweisen und Wesensarten, auf die der innere Blick Homers gerichtet ist, wenn er mit seinem Auge die Naturerscheinungen umfasst. Man könnte eine ganze Kategorientafel daraus zusammenstellen. Wir wagen zu sagen: Homer sieht die Natur im Gleichnis bildhaft-ontologisch. Weiter: Homer sieht die Natur bedeutungsvoll. Er sieht den Sturm, den Wogengang, den Baum, das wilde Tier, den Pflügenden, den Mäher und sieht zugleich
etwas im Sturm, im Baum, im Tier, das raubt, im Mäher: eben Andrang, festes Stehen, Wildheit, eine Tätigkeit,
die hinstreckt. Die Dinge der Natur bei Homer repräsentieren,
und so, als eine große Mannigfaltigkeit von Repräsentationen,
offenbart die Natur dem Dichter etwas, sagt ihm etwas. Die Natur
ist für ihn nicht bloß da, sondern spricht eine Sprache, und
diese Sprache befolgt der Dichter mit den Bild-Elementen seiner Gleichnisse.
Ein festes Bild-Vokabular entsteht so. 'Meer', 'Kornfeld', 'Wolke', 'Herde'
bedeuten die Menge, 'Felsen' ist Heerfürst, wie auch 'Hirte' oder
'Leitstier' Heerfürst sein kann. 'Wind' ist Impuls, 'Feuer' zerstörerische
Obmacht, 'Licht' Leben, Heil usw. 'Baum' ist soviel wie Mensch. Da lässt
sich die festgehaltene Grundvorstellung nach Umständen und Phasen
regelrecht deklinieren. Das junge Bäumchen ist der heranwachsende
Knabe, der festwurzelnde Eichbaum der standfeste Mann; stürzt er,
im Kampf 'gefällt', wird er zum Baum, den der Holzfäller anschlug.
Der Heerhaufe der Männer wird zum Wald, in dem - wenn die Heere kämpfen
- die Äste im Wind aneinander schlagen, denn 'Ast' ist wieder Speer.
Das geht so weiter bis zum gefällten Stamm - dem Toten -, den Maultiere
schleppen. Indem Homer in seinen Gleichnissen auf diese Weise das mit
dem leiblichen Auge (ὀφθαλμός)
ergriffene Stück Natur zugleich mit dem inneren Blick (νοῦς)
vernimmt, kommen Bilder herauf, die wirklich 'Bild' sind: Einheit von
Erscheinung und Bedeutung. - Die Naturbilder der Gleichnisse Homers
sind nicht lediglich Wiedergaben von Erscheinungen und noch weniger nackte
Zeichen. Sie sind lebendige Verkörperungen jenes Bedeutungsvollen
in der Natur, auf das auch das Auge des Sehers gerichtet ist. Wirklich
hat auch die Mantik , wie man vortrefflich sah, die Gestaltung des homerischen
Gleichnisbildes beeinflusst. Ein sympathetischer Zusammenhang, in dem
Verglichenes und Vergleich noch wirklich eins sind, ist in urtümlicher
Weise noch in manchen der Homerischen Gleichnisse verspürbar. Da vernimmt der Dichter im Löwen, der sich so und so verhält, das und das anrichtet, das 'Löwenhafte', nämlich ein kraftvoll Wildes, Edlers, Mutiges, gefährlich Blutgieriges, Erbarmungsloses. Ein solches Wildes, Mutiges sieht man auch im Wolf, jedoch in einer etwas anderen Weise: dieses Blutgierige greift in Rudeln an, ist in seiner Wildheit weniger mächtig, , weniger edel, doch gieriger - es ist das Wölfische. Und ähnlich bei Panther, Eber usw. - Das Wilde, Mutige, Starke usw. wird vom Dichter in der "Gattung" Raubtier vernommen und sofort je nach der "Art" modifiziert. Doch dieses Arthafte modifiziert sich weiter in das Besondere hinein, wenn der Dichter in seinem Gleichnis das besondere Tun des Tieres weiter verfolgt; man kennt die Art Homers, seine Vergleiche zu einem kleinen Vorgang auszuspinnen. Achilleus
bewaffnet seine Myrmidonen: Paris
eilt von der Stadt aufs Kampffeld: Das sind nicht lediglich dichterische 'Ausmalungen', so als ob Dichter nun einmal gern bei dem herangezogenen Stück Natur verweilen. Wer genauer hinblickt, unterscheidet in fast allen Homerischen Gleichnissen mit hinlänglicher Deutlichkeit zwei Elemente: ein substantielles, den 'Gleichnisträger', hier 'Wolf' und 'Pferd' und sodann ein modifizierendes: die an den Gleichnisträger anschließende Kette von Attributen (Appositionen und Relativsätzen), die sich zumeist zu einer kleinen Handlung auswachsen. [...] Für Homers ganze Art der Naturauffassung in den Gleichnissen ist diese bildhafte Urlogik sehr bemerkenswert. Hier ist keine bloß stimmungsmäßige 'Hingabe' an 'die' Natur, kein 'dionysisches' Sich-Auflösen in ihrem Kreis. Homers Naturauffassung ist durch und durch 'noetisch'. Der im Gleichnisvorgang herrschende Fortschritt vom Allgemein-Typischen zum Besonderen, vom allgemein umrissenen Vorstellungsumfang zum anschaulich erfüllten Charakteristisch-Individuellen beweist ein scharfes Dringen auf das Wesen in seiner Eigenart, ein präzises Bestimmen und Einengen , ein Artikulieren und Definieren. Und so sagen wir: Die Naturauffassung der Homerischen Gleichnisse ist definitorisch. Zusammenfassend: Homer sieht die Natur dynamisch und dramatisch; energisch erfährt er ihr Leben; auf die Bezüge und Verhältnisse, die Seinsweisen und Geschehensweisen ist sein Blick gerichtet; bedeutungsvoll stellen sich in ihm in 'Bildern' die Naturdinge dar; definitorisch entwickelt er den Gleichnisvorgang vom Typus auf den speziellen Charakter hin: alles, indem er diese verschiedenen Aspekte, die wir notgedrungen einzeln herausheben und getrennt aufführen mussten, naiv, bildhaft, total mit einem Blick erfasst. Worauf dies alles hinauswill? Homer sah die Natur als - 'Natur' an, nämlich als physis, um das Wort zu gebrauchen, das für alles Gesagte den Schlüssel gibt: physis als der lebendige gesetzmäßige innere Bau, der den Erscheinungen zugrunde liegt und sich in ihnen andeutend offenbart.
Griech. zu "Homer" und "Gleichnis" Literatur: zu "Homer" und "Gleichnis" 1577
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Zur Eigenart und Funktion von Gleichnissen im 16. Buch der Ilias
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