6. Die große Flut (1,253-312) | ||
Iamque erat in totas
sparsurus fulmina terras; sed timuit, ne forte sacer tot ab ignibus aether |
Und schon wollt' er den
Blitz auf alle die Länder versenden, Doch er besorgt, dass Feuer vielleicht der heilige Aither |
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conciperet flammas longusque
ardesceret axis: esse quoque in fatis reminiscitur, adfore tempus, quo mare, quo tellus correptaque regia caeli ardeat et mundi moles obsessa laboret. tela reponuntur manibus fabricata cyclopum; |
Fange von so viel Glut
und brenne die Achse des Weltalls, Und er erwäget, es sei verhängt, einst werde die Zeit sein, Wo mit der Erde das Meer und die Feste des Himmels ergriffen Stehen in Brand und wanke der Welt mühvolles Gefüge. Drum bleibt ruhn das Geschoss von der Hand der Kyklopen geschmiedet. |
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poena placet diversa,
genus mortale sub undis perdere et ex omni nimbos demittere caelo. Protinus Aeoliis Aquilonem claudit in antris et quaecumque fugant inductas flamina nubes emittitque Notum. madidis Notus evolat alis, |
Andere Strafe beliebt:
das Menschengeschlecht zu vernichten Unter der Flut und rings Platzregen zu gießen vom Himmel. Schleunig verschließet er nun den Nord in des Aiolos Höhlen, Alle die Winde dazu, die jagen verhüllende Wolken, Und lässt schnauben den Süd. Der aber mit triefenden Schwingen |
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terribilem picea tectus caligine vultum; barba gravis nimbis, canis fluit unda capillis; fronte sedent nebulae, rorant pennaeque sinusque. utque manu lata pendentia nubila pressit, fit fragor: hinc densi funduntur ab aethere nimbi; |
Stürmt hinaus, pechschwarz
umschattet das schreckliche Antlitz. Schwer ist von Regen der Bart; Flut strömt vom graulichen Haupthaar; Nebel benetzen die Stirn; nass tropfen die Brust und die Flügel. Jetzt, wie er drückt mit der Hand die weithin hangenden Wolken, Tönt ein Gekrach, und gedrängt nun stürzen von oben die Güsse. |
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nuntia Iunonis varios
induta colores concipit Iris aquas alimentaque nubibus adfert. sternuntur segetes et deplorata coloni vota iacent, longique perit labor inritus anni. Nec caelo contenta suo est Iovis ira, sed illum |
Iunos Botin im Schmuck
des schillernden Farbengewandes, Iris, schöpfet die Flut und bringt Zuwachs dem Gewölke. Niedergestreckt ist die Saat, und des Landmanns sehnliche Hoffnung Lieget beweint, und des Jahrs langwierige Müh' ist verloren. Iupiters Zorne genügt noch nicht sein Himmel: zum Beistand |
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caeruleus frater iuvat
auxiliaribus undis. convocat hic amnes: qui postquam tecta tyranni intravere sui, 'non est hortamine longo nunc' ait 'utendum; vires effundite vestras: sic opus est! aperite domos ac mole remota |
Schickt mithelfende Flut
nun auch sein bläulicher Bruder. Dieser beruft die Ströme gesamt, und als sie gehorsam Füllten des Königs Haus: "Nicht will ich mit langer Ermahnung", Sprach er, "vergeuden die Zeit: lasst strömen, soviel ihr vermöget. Solches ist nötig. Die Häuser erschließt und die Dämme beseitigt |
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fluminibus vestris totas
inmittite habenas!' iusserat; hi redeunt ac fontibus ora relaxant et defrenato volvuntur in aequora cursu. Ipse tridente suo terram percussit, at illa intremuit motuque vias patefecit aquarum. |
Und lasst schießen
zumal die Zügel den drängenden Wogen." So der Befehl. Sie gehn und lockern den Quellen die Mündung, Und nun wälzen sie sich mit entfesseltem Lauf in die Meerflut. Aber den Dreizack stach er selbst in den Grund, und die Erde Bebte vom Stoß und erschloss mit dem Ruck Auswege den Wassern. |
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exspatiata ruunt per
apertos flumina campos cumque satis arbusta simul pecudesque virosque tectaque cumque suis rapiunt penetralia sacris. si qua domus mansit potuitque resistere tanto indeiecta malo, culmen tamen altior huius |
Außer der Bahn
nun stürzen durch offne Gefilde die Flüsse; Saaten zugleich und Gehölz und Herden und Männer und Häuser Raffen sie mit und samt den Gebilden die heiligen Kammern. Wo noch stehet ein Bau, der solches Verderben vermochte Unverrückt zu bestehn, da geht doch höher die Woge |
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unda tegit, pressaeque
latent sub gurgite turres. iamque mare et tellus nullum discrimen habebant: omnia pontus erat, derant quoque litora ponto. Occupat hic collem, cumba sedet alter adunca et ducit remos illic, ubi nuper arabat: |
Über den First,
und vom Strudel bedrängt verschwinden die Türme. Schon war zwischen der See und dem Land kein sichtbarer Abstand; Alles umher war Meer, und das Meer war ohne Gestade. Dieser erklimmet die Höh'; im gebogenen Nachen gesessen Rudert der andere dort, wo er unlängst hatte gepflüget; |
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ille supra segetes
aut mersae culmina villae navigat, hic summa piscem deprendit in ulmo. figitur in viridi, si fors tulit, ancora prato, aut subiecta terunt curvae vineta carinae; et, modo qua graciles gramen carpsere capellae, |
Der schifft über
die Saat und des untergegangenen Landguts Firsten, und jener ergreift den Fisch im Wipfel der Ulme. Zufall fügt, dass der Anker sich senkt auf grünende Wiese Oder der bauchige Kiel anstreift an Rebengelände. Wo noch eben sich Gras abrupften schmächtige Ziegen, |
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nunc ibi deformes ponunt
sua corpora phocae. mirantur sub aqua lucos urbesque domosque Nereides, silvasque tenent delphines et altis incursant ramis agitataque robora pulsant. nat lupus inter oves, fulvos vehit unda leones, |
Strecken sich jetzt
mit gedunsenem Leib unförmige Robben. Nereus' Töchter erstaunt sehn Haine und Häuser und Städte Unter der Flut. Delphine durchziehen die Wälder und rennen Wider das hohe Gezweig und schlagen die schwankenden Stämme. Schafen gesellt schwimmt ängstlich der Wolf; gelbmähnige Löwen |
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unda vehit tigres;
nec vires fulminis apro, crura nec ablato prosunt velocia cervo, quaesitisque diu terris, ubi sistere possit, in mare lassatis volucris vaga decidit alis. obruerat tumulos inmensa licentia ponti, |
Trägt und Tiger
die Flut; nicht frommet dem Eber des Blitzes Kraft, und der flüchtige Fuß hilft nichts dem entführeten Hirsche. Wenn er lange gespäht nach Land, wo zu fußen vergönnt sei, Fällt mit ermüdetem Flug in die See der schweifende Vogel. Über die Hügel ergoss sich des Meers unermessliche Willkür, |
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pulsabantque novi montana
cacumina fluctus. maxima pars unda rapitur; quibus unda pepercit, illos longa domant inopi ieiunia victu. |
Und an die obersten
Höhn schlug brandend das neue Gewoge. Wellen entrafften die meisten, und deren geschonet die Wellen, Diese bezwingt bei dürftiger Kost langwieriger Hunger. |