1. Der Antrag des Otanes für die Demokratie (III
80)
(1) Sedato tumultu ,
quum nondum quinque dies essent praeterlapsi, hi, qui Magos per seditionem
invaserant, de summa rerum deliberarunt. Habiti sunt sermones, incredibiles
quidem Graecis ninnullis, habiti tamen utique. |
(3,80,1)
Ἐπείτε δὲ κατέστη ὁ θόρυβος καὶ ἐντὸς πέντε ἡμερέων ἐγένετο, ἐβουλεύοντο
οἱ ἐπαναστάντες τοῖσι μάγοισι περὶ τῶν πάντων πρηγμάτων, καὶ ἐλέχθησαν
λόγοι ἄπιστοι μὲν ἐνίοισι Ἑλλήνων, ἐλέχθησαν δ' ὦν. |
(1) Als das Getümmel
sich gelegt hatte und noch keine fünf Tage verflossen waren,
berieten sich die, die wider die Magier aufgestanden waren, miteinander
über die gesamte Lage des Reiches . Dabei wurden Reden gehalten,
die manchen Hellenen unglaublich
sind, aber darum doch gehalten wurden. |
(2) Et Otanes quidem,
imperium summum Persis in medio deponendum censens, haec verba fecit:
"Mihi videtur", inquit, "non amplius debere unum e
nobis summa imperii potiri. Nec enim iucundum hoc fuerit nec bonum. |
(2)
Ὀτάνης μὲν ἐκέλευε ἐς μέσον Πέρσῃσι καταθεῖναι τὰ πρήγματα, λέγων
τάδε· "Ἐμοὶ δοκέει ἕνα μὲν ἡμέων μούναρχον μηκέτι γενέσθαι· οὔτε
γὰρ ἡδὺ οὔτε ἀγαθόν. |
(2) Otanes nämlich
war der Meinung, die Regierung des Reichs in die Hände aller Perser zu legen,
und äußerte sich darüber so: "Ich halte es nicht
für gut, dass wieder einer von uns Alleinherrscher werde; denn
es ist weder angenehm noch gut. |
(3) Videtis enim Cambysis
contumeliam, quousque progressa sit, et Magi insolentiam estis experti.
Et quo pacto bene composita res fuerit unius imperium, cui licet nulli
rationi reddendae obnoxio facere, quidquid libuerit? Tale quidem imperium,
si viro etiam omnium optimo committatur, extra consuetos animi sensus
facile eum abripiet. |
(3)
Εἴδετε μὲν γὰρ τὴν Καμβύσεω ὕβριν ἐπ' ὅσον ἐπεξῆλθε, μετεσχήκατε δὲ
καὶ τῆς τοῦ μάγου ὕβριος. Κῶς δ' ἂν εἴη χρῆμα κατηρτημένον μουναρχίη,
τῇ ἔξεστι ἀνευθύνῳ ποιέειν τὰ βούλεται; Καὶ γὰρ ἂν τὸν ἄριστον ἀνδρῶν
πάντων στάντα ἐς ταύτην τὴν ἀρχὴν ἐκτὸς τῶν ἐωθότων νοημάτων στήσειε. |
(3) Ihr wisst ja, wie
weit des Kambyses Übermut gegangen ist, und ebenso habt ihr ja auch den Übermut
des Magiers empfunden. Wie aber könnte die Alleinherrschaft eine
wohlgeordnete Sache sein, wo jeder tun kann, was er will, ohne alle
Verantwortlichkeit? Denn selbst den besten Mann von allen, wenn er
in eine solche Herrschaft einträte, würde sie außerhalb
des Kreises seiner gewohnten Anschauungen versetzen. |
(4) Nam praesentes opes
insolentiam ei ingenerant; invidia autem principio innata est homini.
Et haec duo habens omnem habet pravitatem: alia enim scelesta multa
insolentia repletus faciet, alia invidia. |
(4)
Ἐγγίνεται μὲν γάρ οἱ ὕβρις ὑπὸ τῶν παρεόντων ἀγαθῶν, φθόνος δὲ ἀρχῆθεν
ἐμφύεται ἀνθρώπῳ. Δύο δ' ἔχων ταῦτα ἔχει πᾶσαν κακότητα· τὰ μὲν γὰρ
ὕβρι κεκορημένος ἔρδει πολλὰ καὶ ἀτάσθαλα, τὰ δὲ φθόνῳ. |
(4) Denn Übermut
entsteht in ihm in Folge der ihm zu Gebote stehenden Güter, Neid
aber ist schon von Anfang an dem Menschen angeboren. Wenn einer nun
diese beiden Dinge hat, so hat er damit alles Schlimme: denn teils
von Übermut gesättigt, teils aus Neid verübt er mancherlei
Frevel. |
(5) Quamquam virum in
regia dignitate constitutum oportebat utique invidia vacare, quippe
bonis rebus omnibus abundantem. At contrarium huius ei accidere adversus
cives solet: invidet enim optimis quibusque, quod supersint vivantque;
et gaudet pessimis horumque adversus illos calumnias facillime admittit. |
(5)
Καίτοι ἄνδρα γε τύραννον ἄφθονον ἔδει εἶναι, ἔχοντά γε πάντα τὰ ἀγαθά·
τὸ δὲ ὑπεναντίον τούτου ἐς τοὺς πολιήτας πέφυκε· φθονέει γὰρ τοῖσι
ἀρίστοισι περιεοῦσί τε καὶ ζώουσι, χαίρει δὲ τοῖσι κακίστοισι τῶν
ἀστῶν, διαβολὰς δὲ ἄριστος ἐνδέκεσθαι. |
(5) Und doch sollte ein
Herrscher frei von allem Neid sein, da er ja alle Güter besitzt;
so aber zeigt er gerade das Gegenteil davon gegen seine Mitbürger,
denn er beneidet die Besten, weil sie wohl und am Leben sind, während
er an den schlechtesten Bürgern seinen Gefallen findet. Verleumdungen
anzunehmen ist er gern geneigt. |
(6) Quod vero maxime
omnium incongruum est: si modice eum admiraris, aegre fert, quod non
summopere colatur; si quis eum summopere colit, offenditur, adulatorem
esse existimans. Denique ut dicam, quae sunt maxima: instituta mutat
patria, vim adfert mulieribus occidit iniudicatos. |
(6)
Ἀναρμοστότατον δὲ πάντων· ἤν τε γὰρ αὐτὸν μετρίως θωμάζῃς, ἄχθεται
ὅτι οὐ κάρτα θεραπεύεται, ἤν τε θεραπεύῃ τις κάρτα, ἄχθεται ἅτε θωπί.
Τὰ δὲ δὴ μέγιστα ἔρχομαι ἐρέων· νόμαιά τε κινέει πάτρια καὶ βιᾶται
γυναῖκας κτείνει τε ἀκρίτους. |
(6) Was aber am wenigsten
zusammenpasst: Wenn du ihn mit Maß bewunderst, so nimmt er es
übel, dass man ihn nicht mehr verehrt; verehrt ihn aber jemand
allzu sehr, so nimmt er es demselben als einem Schmeichler übel.
Das Ärgste aber ist das, was ich nun angeben will: er rüttelt
an den väterlichen Einrichtungen, er tut den Frauen Gewalt an
und tötet ohne Verhör und Urteil. |
(7) At populi imperiumprimum
nomen habet omnium honestissimum, iuris aequabilitatem; deinde eorum,
quae patrat, is, qui unus imperat, nihil facit. Sorte gerit imperia
et magistratus; potestatem habet rationi reddendae obnoxiam; consilia
omnia ad commune civium refert. |
(7)
Πλῆθος δὲ ἄρχον πρῶτα μὲν οὔνομα πάντων κάλλιστον ἔχει, ἰσονομίην.
Δεύτερα δὲ τούτων τῶν ὁ μούναρχος ποιέει οὐδέν· πάλῳ μὲν γὰρ ἀρχὰς
ἄρχει, ὑπεύθυνον δὲ ἀρχὴν ἔχει, βουλεύματα δὲ πάντα ἐς τὸ κοινὸν ἀναφέρει. |
(7) Wenn aber das Volk
herrscht, so hat dies zuerst den schönsten Namen von allen, die
Gleichheit vor dem Gesetz. Zum anderen aber tut es nichts von dem,
was der Alleinherrscher tut: Es besetzt die Ämter durchs Los,
und jedes Amt ist zur Rechenschaft verpflichtet; alle Entscheidungen
aber überlässt es der Allgemeinheit. |
(8) Quare sic ego censeo,
misso facto unius imperio multitudini imperium potestatemque esse
permittendam; nam in multitudine insunt omnia." Hanc Otanes sententiam
dixit. |
(8)
Τίθεμαι ὦν γνώμην μετέντας ἡμέας μουναρχίην τὸ πλῆθος ἀέξειν· ἐν γὰρ
τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα." |
(8) Darum gebe ich nun
meine Meinung dahin ab, wir wollen die Alleinherrschaft aufgeben und
dem Volk alle Macht überlassen; denn in dem Volke ist alles enthalten. |
Deutsche Übersetzung nach: J.Chr.F.Bähr |
ὁ θόρυβος
καθίσταται – die
Unruhe legt sich | ἐντὸς (ἐκτὸς) πέντε
ἡμερέων ἐγένετο
– fünf Tage waren noch nicht um (waren schon um) | ἐπανίσταμαι
– empöre, verschwöre mich | βουλεύμαι
περὶ τῶν πάντων
πρηγμάτων – berate mich
über die Gesamtlage, über die Einrichtung des Staatswesens
| ἄπιστος – unglaubwürdig
(dass sie so wirklich gehalten wurden) | τὰ πρήγματα
ἐς μέσον κατατιθἑναι
– die Macht auf alle verteilen, demokratische Verhältnisse einrichten
| ἐπ' ὅσον <ἡ ὕβρις>
ἐπεξῆλθε – wie weit sich
seine Hybris verstieg | μετεσχήκατε
τῆς ὕβριος – ihr habt
seine Hybris zu spüren bekommen | καταρτάω
– hänge daran (χρῆμα κατηρτημένον
– eine wohl eingerichtete, zweckmäßige Sache | ὁ
θώψ, θωπός – Schmeichler
| ἀνεύθυνος, ον
– rechenschaftspflichtig, verantwortlich | ἵστασθαι
ἐς ἀρχήν – in ein Amt eintreten
| τὰ ἐωθότα νοήματα
– die gewohnte Denkhaltung | στήσειε
– Sbj. = ἡ μουναρχίη
| ἀρχῆθεν – von Anfang an, grundsätzlich
| ἐμφύεται = ἔνεστιν
ἐν τῇ φύσει | κεκορημένος
– PPP v. κορέννυμι –
sättige | ἕρδω – tue (= πράττω,
ἐργάζομαι) | ἀτάσθαλος,
ον – unbesonnen, frevelhaft (ἡ ἄτη)
| τὸ ὑπεναντίον
τούτου – das Gegenteil davon | διαβολὰς
δὲ ἄριστος ἐνδέκεσθαι
– er eignet sich am besten, auf Verleumdungen zu hören| ἀνάρμοστος,
ον – ganz ungereimt | ἅτε θωπί
= ὡς θωπί | τὰ νόμαια
πάτρια – das Herkommen der Väter
| κινῶ - h.: mache zunichte | ἄκριτον
κτεῖναί τινα
– jdn. ohne Gerichtsverfahren hinrichten lassen | πλῆθος
ἄρχον = eine Volksherrschaft (Demokratie)
| ἡ ἰσονομία – Gleichheit
vor dem Gesetz, Rechtsgleichheit | οὐδὲν
τούτων, τῶν (= ὧν)
= οὐδὲν τούτων,
ἅ (Kasusattraktion des Relativpronomens) | ὁ πάλος
– das Los | ἀρχὰς ἄρχειν
– Ämter besetzen (fig. etymol.) | ὑπεύθυνος
– verantwortlich, kontolliert | ἐς τὸ
κοινὸν ἀναφέρειν
– vor die Volksversammlung bringen | τὴν γνώμην
τίθεσθαι – seine Stimme abgeben,
einen Antrag stellen | μεθίημι
– lasse gehen, gebe auf | τὸ πλῆθος
ἀέξειν – das Volk aufwerten, an die
Macht bringen | ἔνι = ἔνεστιν |
Aufgaben:
- Kann man den einleitenden Worten Herodots entnehmen, wie er
zur Historizität der Debattenreden steht (80,1: ἐλέχθησαν
λόγοι ἄπιστοι μὲν ἐνίοισι Ἑλλήνων, ἐλέχθησαν δ' ὦν)?
- Welche sprachliche Wendungen des Textes haben (außerhalb
der Argumentation) eine demokratische Einfärbung?
- 80,1 ἐβουλεύοντο... περὶ τῶν πάντων πρηγμάτων
- 80,2 ἐς μέσον... καταθεῖναι τὰ πρήγματα
- 80,2 ἐμοὶ δοκέει
- 80,6 τίθεμαι ὦν γνώμην
- 80,6 τὸ πλῆθος ἀέξειν ("mehr Demokratie wagen")
- 80,6 ἐν γὰρ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα. (abschließende
Gnome)
|
- Welche Kritik übt Otanes an der Monarchie?
- Hybris des Monarchen (Kambyses und der Mager als Beispiele; Megabyzos wird 3,82,6 Kyros als Gegenbeispiel anführen: der Monarch
als Garant der Freiheit) (3,80,3).
- Mangelnde Kontrolle und daher Willkür:
μουναρχίῃ ἔξεστι ἀνευθύνῳ ποιέειν τὰ βούλεται (3,80,3)
- Die Monarchie verdirbt Moral und Charakter:
Καὶ γὰρ ἂν τὸν ἄριστον ἀνδρῶν πάντων στάντα ἐς ταύτην
τὴν ἀρχὴν ἐκτὸς τῶν ἐωθότων νοημάτων στήσειε (3,80,3).
- Hybris (ἐγγίνεται μὲν γάρ οἱ ὕβρις ὑπὸ τῶν παρεόντων
ἀγαθῶν, 83,4)
- Neid und Missgunst (φθόνος δὲ ἀρχῆθεν ἐμφύεται
ἀνθρώπῳ, 83,4), was zu Geringachtung fremder Leistung
und zu Freude an fremdem Versagen führt.
- Grundsätzliches Misstrauen gegen alle
(persönliche Parameter statt sachlicher Kriterien).
- Selbstherrlichkeit des Monarchen führt
zur Auflösung überkommener Normen
- νόμαιά τε κινέει πάτρια
- βιᾶται γυναῖκας
- κτείνει τε ἀκρίτους
|
- Ist der φθόνος, der den Menschen von ihrer Natur mitgegeben
sein soll, vergleichbar mit dem von Herodot oft bemühten
"Neid der Götter"
(z.B. ὁ θεὸς φθονερὸς εὑρίσκεται ἐών, 7,46)?
- In beiden Fällen missgönnt man einem anderen,
sich auf die gleiche Rangstufe zu erheben.
- bei den Menschen ist Neid (artimmanent
gegen Menschen) ein moralischer Mangel, weil alle
Menschen nach demokratischem Verständnis
ἰσονομίη beanspruchen können. Dazu gehört
als Minimum das Recht auf Leben (φθονέει γὰρ τοῖσι
ἀρίστοισι περιεοῦσί τε καὶ ζώουσι, 80,5);
- bei den Göttern ist der φθόνος gegenüber
den Menschen das Korrektiv für deren Überheblichkeit
und als Garant einer höheren Ordnung anzusehen.
|
- Welche Vorzüge der Demokratie nennt Otanes?
- Rechtsgleichheit (ἰσονομίη)
- Gleichberechtigte Vergabe der Ämter (πάλῳ μὲν γὰρ ἀρχὰς ἄρχει)
- Verantwortung und Kontrolle (ὑπεύθυνον
δὲ ἀρχὴν ἔχει)
- Öffentlichkeit der Politik (βουλεύματα
δὲ πάντα ἐς τὸ κοινὸν ἀναφέρει)
|
- Vergleichen Sie die Charakterisierung, die Aristoteles <Aristot.Polit.1317a40-1317b30>
der Demokratie widmet:! Dieser Vergleich kann zugleich darüber
Aufschluss geben, in wie weit die Argumente des Otanes griechischer Herkunft sind.
- Lässt der Text erkennen, dass Otanes griechische Überzeugungen vorträgt, die einem Perser der damaligen Zeit eigentlich fremd sein mussten ("interpretatio
Graeca")?
|
Sententiae excerptae: Griech. zu "Herod"38
Οὐδεὶς οὕτω ἀνόητός ἐστι, ὅστις πόλεμον πρὸ εἰρήνης αἱρέεται· ἐν μὲν γὰρ τῇ οἱ παῖδες τοὺς πατέρας θάπτουσι, ἐν δὲ τῷ οἱ πατέρες τοὺς παῖδας.
niemand ist so töricht, den Krieg dem Frieden vorzuziehen; denn in dem einen begraben die Söhne die Väter, in dem andern aber die Väter ihre Söhne.
Herod.1,87
57
ἐπὶ ξυροῦ ἀκμή
auf des Messers Schneide
Hom. Il 10, 173; Herod. 6, 11
Literatur: zu "Herod" und "Verfassung"115
Bringmann, K.
Verfassungsdebatte bei Herodot 3,80-82 und Dareios' Aufstieg..
in: Herm.104/1976,266
30
Huber, A.
Verfassungsdebatte bei Herodot (III 80-82) als ein Beitrag zur politischen Bildung
in: Anreg.3/1977 S.163ff.
69
Lasserre, F.
Herodote et Protagoras: Le debat sur les constitutions (Hdt.3,80-82)
in: Mus.Helv.33/1976,65-84
- /Grie/herod/hdt03080.php - Letzte Aktualisierung: 17.07.2024 - 15:55 |