Homer, Ilias 6, 369-502
Welt des Krieges - Welt des Friedens: 2.) Hektor und
Andromache
Hom.Il.6,369-502 Hektor und Andromache |
|
Vasenbild zu Hektor und Andromache
 |
Bildzitat
Würzburg L 160: Helena, Paris,
Andromache, Hektor, Kebriones. Pferde und Vögel
|
Aufgaben:
- Bild und Text:
- Identifizieren Sie die dargestellten Personen
und Situationen!
- Ordnen Sie die einzelnen Bildgruppierungen
den bereits gelesenen oder noch ausstehenden
Textabschnitten zu!
Wir sehen in der
Paris - Helena - Gruppe keine
Darstellung der gerade erfolgten
Entrückung des Paris aus
dem Schlachtfeld durch Aphrodite im 3. Gesang der
Ilias (Flügelschuhe!) [wie
G.Beckel, H.Froning, E.Simon:
Werke der Antike im W.v.Wagner-Museum
der Univ. Würzburg, Mainz
1983, S. 46]. Die Flügelschuhe
können genauso die Eile und
nei gewonnene innere Bereitschaft
symbolisieren, mit der Paris wieder
mit Hektor in den Kampf zurückeilen
wird. |
- Wie gestaltet der Maler die Personengruppierungen?
Auf welche "Mitteilung" kommt
es ihm bei ihrer Darstellung jeweils an?
(Lösungsvorschlag)
- Lassen sich im Vergleich von Bild und
Text grundlegende Unterschiede in den künstlerischen
Mitteln und Ausdrucksformen festmachen?
|
1.) |
Hom.Il.6,369-389:
Suchen und Verfehlen |
|
369
|
ὣς ἄρα
φωνήσας
ἀπέβη κορυθαίολος
Ἕκτωρ·
|
Also sprechend, ging hinweg
der helmumflatterte Hektor, |
370
371
372
373
374 |
αἶψα δ' ἔπειθ'
ἵκανε δόμους
εὖ ναιετάοντας,
οὐδ' εὗρ'
Ἀνδρομάχην
λευκώλενον
ἐν μεγάροισιν,
ἀλλ' ἥ γε
ξὺν παιδὶ
καὶ ἀμφιπόλῳ
ἐϋπέπλῳ
πύργῳ ἐφεστήκει
γοόωσά τε
μυρομένη
τε. |
und geschwind
naht er dem Haus, dem so herrlich bewohnten,
und traf die weißarmige Andromache nicht
in den Gemächern, sondern sie stand mit
dem Knaben und der schöngekleideten Wärterin
auf dem Turm, seufzend und jammernd. |
375
376
377
378
379 |
Ἕκτωρ
δ' ὡς οὐκ
ἔνδον ἀμύμονα
τέτμεν ἄκοιτιν
ἔστη ἐπ' οὐδὸν
ἰών, μετὰ
δὲ δμῳῇσιν
ἔειπεν·
εἰ δ' ἄγε
μοι δμῳαὶ
νημερτέα
μυθήσασθε·
πῇ ἔβη Ἀνδρομάχη
λευκώλενος
ἐκ μεγάροιο;
ἠέ πῃ ἐς
γαλόων ἢ
εἰνατέρων
ἐϋπέπλων
ἢ ἐς Ἀθηναίης
ἐξοίχεται,
ἔνθά περ
ἄλλαι
|
Hektor
aber, als er nicht drinnen fand die unbescholtene
Gattin, stand an der Schwelle und sprach zu
den Mägden: "Auf! Mägde, saget
mir Wahrheit, wohin ging die weißarmige
Andromache aus den Gemächern? Ist sie
zu des Mannes Schwestern oder schöngekleideten
Schwägerfrauen gegangen, oder ist sie
zu Athene's Tempel gewallfahrtet, wo die anderen |
380
381
382
383
384 |
Τρῳαὶ
ἐϋπλόκαμοι
δεινὴν θεὸν
ἱλάσκονται;
τὸν δ' αὖτ'
ὀτρηρὴ ταμίη
πρὸς μῦθον
ἔειπεν·
Ἕκτορ ἐπεὶ
μάλ' ἄνωγας
ἀληθέα μυθήσασθαι,
οὔτέ πῃ ἐς
γαλόων οὔτ'
εἰνατέρων
ἐϋπέπλων
οὔτ' ἐς Ἀθηναίης
ἐξοίχεται,
ἔνθά περ
ἄλλαι
|
schönlockigen Troerinnen die schreckliche
Göttin versöhnen?" Ihm entgegnete
darauf die emsige Schaffnerin: "Hektor,
wenn du nun befiehlst, dir Wahres zu verkündigen:
nicht zu des Mannes Schwestern, noch schöngekleideten
Schwägerfrauen ist sie gegangen, noch
zu Athene's Tempel gewallfahrtet, wo die anderen |
385
386
387
388
389 |
Τρῳαὶ
ἐϋπλόκαμοι
δεινὴν θεὸν
ἱλάσκονται,
ἀλλ' ἐπὶ
πύργον ἔβη
μέγαν Ἰλίου,
οὕνεκ' ἄκουσε
τείρεσθαι
Τρῶας, μέγα
δὲ κράτος
εἶναι Ἀχαιῶν.
ἣ μὲν δὴ
πρὸς τεῖχος
ἐπειγομένη
ἀφικάνει
μαινομένῃ
ἐϊκυῖα·
φέρει δ' ἅμα
παῖδα τιθήνη. |
schöngelockten Troerinnen die schreckliche
Göttin versöhnen, sondern sie stieg
auf Ilions stattlichen Turm, weil sie gehört,
die Troer wären bedrängt, und gewaltig
sei der Achaier Obmacht; eilig rannte sie
da zur Mauer, wie eine Rasende, und die begleitende
Amme trägt das Kind." [Übersetzung
nach J.St.Zauper] |
|
|
Aufgaben:
- Wäre es für den Dichter nicht die einfachere
Lösung gewesen, Hektor Andromache genau so im
Haus antreffen zu lassen, wie er ihn zuvor Paris und
Helena hatte antreffen lassen (vgl. bes. 6, 321-324!)?
Welche Wirkung beabsichtigt und erreicht er also,
wenn er die kompliziertere Lösung sucht?
- Auch Bewegungen sind (wie Sachen)
bedeutungsvoll; sie können z.B.
menschliche Grundbefindlichkeiten wie
Nähe, Zugehörigkeit, Beisammensein
ein sich Finden, Begegnen oder sich
Trennnen, Verlieren (also die Beziehungen
zwischen den Dingen und Menschen) ausdrücken.
- Paris verkriecht sich (noch) zu Hause.
Wo sonst hätte er sein sollen.
Andromache nimmt an der Welt ihres Mannes
in dem Maße teil, in dem sie das
leisten kann. Diese "Sonderleistung"
Andromaches hebt der Dichter dadurch
hervor, dass er Hektor gezielt "normale"
alternative Erwartungen aussprechen
lässt (Haus der Schwägerinnen;
Bittgesandtschaft der Frauen) und enttäuscht.
- Paris ist nach seiner Niederlage vom
Schlachtfeld nach Hause zurückgekehrt:
Er rettet sich durch Rückzug. Sein
Rückzug nach Hause ist das eigentliche
Ziel, die Intention. Seine Rückkehr
in die Schlacht muss von außen
betrieben werden. Hektor geht in einer
gefährlichen Kampfessituation denselben
Weg, aber seine Heimkehr ist nur funktional;
er verweilt nicht [er weist sogar den
von Hekabe angebotenen Wein zurück
(264), seine Lanze behält er bei
Paris in der Hand (318) und schlägt
natürlich auch Helenas Einladung
aus (360); seine Verantwortung für
seine Familie], geschweige, dass er
sich wie Paris zu verliegen drohe. Er
bedarf keiner Motivation von außen,
sondern muss im Gegenteil äußere
Hemmnisse abwenden. Seine Intention
ist die Rückkehr in den Kampf,
wobei er, wie er weiß, sein Leben
aufs äußerste gefährden
wird.
- Hektor geht zwei Mal den Weg in ein
Haus. Die beiden Teilwege sind aufeinander
bezogen, weichen aber im entscheidenden
Aspekt (εἰσῆλθε
- ἔστη) voneinander
ab:
- der Weg ins Haus von Paris - Helena:
313 ῞Ἕκτωρ
δὲ πρὸς
δώματ'
᾿Ἀλεξάνδροιο
βεβήκει
318 ἔνθ' ῞Ἕκτωρ
εἰσῆλθε
Διῒ φίλος
(354· ἀλλ'
ἄγε νῦν
εἴσελθε
καὶ ἕζεο)
361 ἤδη γάρ
μοι θυμὸς
ἐπέσσυται
ὄφρ' ἐπαμύνω
| Τρώεσσ'
- der Weg ins eigene Haus:
370 αἶψα δ'
ἔπειθ'
ἵκανε
δόμους
εὖ ναιετάοντας
375 ἔστη ἐπ'
οὐδὸν
ἰών
390 ὃ δ' ἀπέσσυτο
δώματος
῞Ἕκτωρ
- Beide Wege lassen sich in ihrer Parallelität
und ihrem Kontrast ähnlich schematisch
darstellen, wie es das Bild zum folgenden
Textabschnitt zeigt. Skizzieren Sie
ein solches Schema!
- Andromache ist Hektor zum Skäischen
Tor entgegengeeilt, Hektor Andromache
zum Haus. Aber man trifft den anderen
jeweils nicht an dem vermuteten Ort,
obwohl er dort eigentlich sein sollte,
weil er dorthin gehört. Genau dadurch,
dass beide gleichzeitig dem jeweils
anderen in seine Welt entgegengehen,
müssen sie ihn offenbar verfehlen.
Hier steht aber nicht der Zufall Pate
(vgl. Pyramus und Thisbe), sondern es
ereignet sich Wesentliches und somit
Notwendiges. Beide werden sich schließlich
auch in entgegengesetzter Richtung wieder
trennen, jeder in seinen partiellen
Bereich. Zwischen Krieg und Haus scheint
auf Dauer ein ehrenhafter Kompromiss
ausgeschlossen zu sein. Am Wendepunkt
beider gegenläufiger Bewegungen
findet für kurze Zeit am Skäischen
Tor (der Grenzmarke zwischen Drinnen
und Draußen, Krieg und Frieden,
Leben und Tod) Begegnung statt
|
|
|
|
2.) |
Hom.Il.6,390-404:
Begegnung am Skäischen Tor |
|
390
391
392
393
394
|
ἦ ῥα γυνὴ
ταμίη, ὃ δ' ἀπέσσυτο
δώματος Ἕκτωρ
τὴν αὐτὴν ὁδὸν
αὖτις ἐϋκτιμένας
κατ' ἀγυιάς.
εὖτε πύλας
ἵκανε διερχόμενος
μέγα ἄστυ
Σκαιάς, τῇ ἄρ'
ἔμελλε διεξίμεναι
πεδίον δέ,
ἔνθ' ἄλοχος
πολύδωρος ἐναντίη
ἦλθε θέουσα
|
So sprach die Schaffnerin, und rasch eilte Hektor
aus dem Hause den nämlichen Weg zurück, über
die schöngepflasterten Straßen. Als er die große
Stadt durchschritten, und dem Skäischen Tore genaht, durch
das er in's Schlachtfeld gelangen sollte, kam ihm Andromache,
die vielbegabte Gattin, eiligen Schritts entgegen, |
395
396
397
398
399 |
Ἀνδρομάχη θυγάτηρ
μεγαλήτορος
Ἠετίωνος
Ἠετίων ὃς ἔναιεν
ὑπὸ Πλάκῳ ὑληέσσῃ
Θήβῃ Ὑποπλακίῃ
Κιλίκεσσ' ἄνδρεσσιν
ἀνάσσων·
τοῦ περ δὴ θυγάτηρ
ἔχεθ' Ἕκτορι
χαλκοκορυστῇ.
ἥ οἱ ἔπειτ' ἤντησ',
ἅμα δ' ἀμφίπολος
κίεν αὐτῇ
|
die Tochter
des herzhaften Äetion. Äetion, dieser wohnte unterhalb
des waldigen Plakos, im hypoplakischen Theben, über kilikische
Männer gebietend. Dessen Tochter nun war dem erzgerüsteten
Hektor vermählt, und diesem begegnete sie, und mit ihr
ging die Wärterin, |
400
401
402
403
404 |
παῖδ' ἐπὶ κόλπῳ
ἔχουσ' ἀταλάφρονα
νήπιον αὔτως
Ἑκτορίδην ἀγαπητὸν
ἀλίγκιον ἀστέρι
καλῷ,
τόν ῥ' Ἕκτωρ
καλέεσκε Σκαμάνδριον,
αὐτὰρ οἱ ἄλλοι
Ἀστυάνακτ'·
οἶος γὰρ ἐρύετο
Ἴλιον Ἕκτωρ.
ἤτοι ὃ μὲν μείδησεν
ἰδὼν ἐς παῖδα
σιωπῇ· |
den zarten, ganz unmündigen Knaben
am Busen tragend, Hektors geliebten Sohn, einem schönen
Sterne gleich; ihn nannte Hektor Skamandrios, die übrigen
aber Astyanax, denn allein Hektor beschützte Ilion; und
er lächelte still vor sich hin, als er den Knaben erblickte.
[Übersetzung nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Suchen Sie im gesamten Text gezielt nach Ortssadverbialien
und Ausdrücken der Bewegung und ordnen Sie sie, wenn
aussagekräftig, dem folgenden (stark vereinfachenden)
Schema zu:
- Stellen Sie dar, wie die beiden Paare (Paris - Helena;
Hektor - Andromache), was Absichten und Bewegungsintentionen
angeht, jeweils in der Innen- und Außenstruktur auf
einander bezogen sind!
- Paris verweilt (zu lange) in seinem Haus
(soll hinaus)
|
Hektor betritt nur
die Schwelle seines Hauses (will hinaus) |
- Helena treibt Paris an, in den Kampf zurückzukehren
(Politik, Krieg, Ehre)
|
Andromache will Hektor
zurückhalten (Privatheit, Familie, Liebe) |
- Obwohl Helena für Bewegung sorgen
will (soll) (363: ὄρνυθι
τοῦτον) bleibt
sie ruhig im Haus
|
Obwohl (weil) Andromache
ihren Mann in der Ruhe des Hauses zurückhalten
will, eilt sie wie rasend zur Mauer (388: ἐπειγομένη
ἀφικάνει) |
- Helena definiert sich von ihrem früheren
Mann her
|
Andromache definiert
sich von ihrem Vater her |
- Helena und Paris: nur persönliche Liebes-Bindung
(Mangel an Polis-Bindung)
|
Andromache und Hektor:
Bindung an kleinen Sohn (und in ihm an die Zukunft
der Stadt) |
- Welche Haltung drückt sich in dem Lächeln des
Vaters aus (ἤτοι ὃ μὲν
μείδησεν ἰδὼν
ἐς παῖδα σιωπῇ),
als er seinen kleinen Sohn sieht? - Weglassprobe: Hätte
der Dichter den letzten Satz des Textabschnitts nicht schadlos
auslassen können?
|
|
3.) |
Hom.Il.6,405-439: |
|
405
406
407
408
409 |
Ἀνδρομάχη
δέ οἱ ἄγχι παρίστατο
δάκρυ χέουσα,
ἔν τ' ἄρα οἱ φῦ
χειρὶ ἔπος
τ' ἔφατ' ἔκ τ' ὀνόμαζε·
δαιμόνιε φθίσει
σε τὸ σὸν μένος,
οὐδ' ἐλεαίρεις
παῖδά τε νηπίαχον
καὶ ἔμ' ἄμμορον,
ἣ τάχα χήρη
σεῦ ἔσομαι·
τάχα γάρ σε
κατακτανέουσιν
Ἀχαιοὶ
|
Aber Andromache stellte sich nahe zu ihm, und
vergoss Tränen, und ergriff ihm die Hand, und redete zu
ihm folgende Worte: "Liebster, verderben wird dich dieser
dein Mut, da du dich nicht des lallenden Kindes erbarmst, noch
meiner, der Trostlosen, die ich bald deine Witwe sein werde;
denn die Achaier werden dich zu töten eilen, |
410
411
412
413
414 |
πάντες ἐφορμηθέντες·
ἐμοὶ δέ κε κέρδιον
εἴη
σεῦ ἀφαμαρτούσῃ
χθόνα δύμεναι·
οὐ γὰρ ἔτ' ἄλλη
ἔσται θαλπωρὴ
ἐπεὶ ἂν σύ γε
πότμον ἐπίσπῃς
ἀλλ' ἄχε'· οὐδέ
μοι ἔστι πατὴρ
καὶ πότνια
μήτηρ.
ἤτοι γὰρ πατέρ'
ἁμὸν ἀπέκτανε
δῖος Ἀχιλλεύς,
|
und alle zugleich
auf dich losstürmen, mir aber wär' es besser, wenn
du mir fehlst, in die Erde hinunter zu sinken, denn kein anderer
Trost wird mir zu Teil, wenn du dein Los ereilt hast, sondern
nur Gram. Ich habe keinen Vater, keine verehrliche Mutter, denn
meinen Vater hat der göttliche Achilleus getötet, |
415
416
417
418
419 |
ἐκ δὲ πόλιν
πέρσεν Κιλίκων
εὖ ναιετάουσαν
Θήβην ὑψίπυλον·
κατὰ δ' ἔκτανεν
Ἠετίωνα,
οὐδέ μιν ἐξενάριξε,
σεβάσσατο γὰρ
τό γε θυμῷ,
ἀλλ' ἄρα μιν
κατέκηε σὺν
ἔντεσι δαιδαλέοισιν
ἠδ' ἐπὶ σῆμ' ἔχεεν·
περὶ δὲ πτελέας
ἐφύτευσαν |
und die so herrlich bewohnte Stadt der Kiliker zerstört,
Thebe mit hohen Toren; auch erschlug er den Äetion, doch
ohne ihn zu entwaffnen, vor heliger Scheu in der Seele, sondern
er verbrannte ihn samt den künstlich gefertigten Waffen,
und darüber häuft' er ein Grabmal, und es pflanzten
Ulmen herum |
420
421
422
423
424 |
νύμφαι ὀρεστιάδες
κοῦραι Διὸς
αἰγιόχοιο.
οἳ δέ μοι ἑπτὰ
κασίγνητοι
ἔσαν ἐν μεγάροισιν
οἳ μὲν πάντες
ἰῷ κίον ἤματι
Ἄϊδος εἴσω·
πάντας γὰρ
κατέπεφνε ποδάρκης
δῖος Ἀχιλλεὺς
βουσὶν ἐπ' εἰλιπόδεσσι
καὶ ἀργεννῇς
ὀΐεσσι. |
die Bergnymphen, des aigishaltenden Zeus Töchter.
Meine Brüder aber, deren sieben im Palaste waren, die stiegen
alle an einem Tag zum Ais hinab, denn alle erlegte der schnellfüßige,
göttliche Achilleus bei den trabenden Rindern und weißen
Schafen. |
425
426
427
428
429 |
μητέρα δ', ἣ βασίλευεν
ὑπὸ Πλάκῳ ὑληέσσῃ,
τὴν ἐπεὶ ἂρ
δεῦρ' ἤγαγ' ἅμ'
ἄλλοισι κτεάτεσσιν,
ἂψ ὅ γε τὴν ἀπέλυσε
λαβὼν ἀπερείσι'
ἄποινα,
πατρὸς δ' ἐν
μεγάροισι βάλ'
Ἄρτεμις ἰοχέαιρα.
Ἕκτορ ἀτὰρ
σύ μοί ἐσσι
πατὴρ καὶ πότνια
μήτηρ
|
Die Mutter, welche unter dem waldigen Plakos herrschte,
führt' er zwar hierher zugleich mit der andern Beute, aber
ließ sie wieder frei, ein reichliches Lösegeld nehmend;
doch in des Vaters Gemächern erschoss sie die der Pfeile
sich freuende Atemis. Hektor, du nun bist mir Vater und verehrte
Mutter, |
430
431
432
433
434 |
ἠδὲ κασίγνητος,
σὺ δέ μοι θαλερὸς
παρακοίτης·
ἀλλ' ἄγε νῦν
ἐλέαιρε καὶ
αὐτοῦ μίμν'
ἐπὶ πύργῳ,
μὴ παῖδ' ὀρφανικὸν
θήῃς χήρην
τε γυναῖκα·
λαὸν δὲ στῆσον
παρ' ἐρινεόν,
ἔνθα μάλιστα
ἀμβατός ἐστι
πόλις καὶ ἐπίδρομον
ἔπλετο τεῖχος. |
du Bruder, du auch mein blühender Gemahl; daher
habe diesmal Mitleid, und bleib auf dem Turm, dass du den Knaben
zum Waisden nicht machest, und das Weib zur Witwe; aber das
Volk stelle am Feigenbaum auf, wo zumeist ersteigbar die Stadt,
und die Mauer zu erstürmen; |
435
436
437
438
439 |
τρὶς γὰρ τῇ
γ' ἐλθόντες
ἐπειρήσανθ'
οἱ ἄριστοι
ἀμφ' Αἴαντε
δύω καὶ ἀγακλυτὸν
Ἰδομενῆα
ἠδ' ἀμφ' Ἀτρεΐδας
καὶ Τυδέος
ἄλκιμον υἱόν·
ἤ πού τίς σφιν
ἔνισπε θεοπροπίων
ἐῢ εἰδώς,
ἤ νυ καὶ αὐτῶν
θυμὸς ἐποτρύνει
καὶ ἀνώγει.
|
denn dreimal schon an diese
Stelle gekommen, versuchten es die besten um die zwei Aias,
und den hochberühmten Idomeneus, und die beiden Atreiden,
und des Thydeus rüstigen Sohn; entweder flüsterte
es ihnen ein wohlwissender Seher zu, oder ihre eigene Einsicht
hat sie ermuntert und angespornt. [Übersetzung nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Achten Sie im Anschluss an δάκρυ
χέουσα, 405f auf alle
sichtbaren Äußerungen von Gefühlen wie Weinen
und Lachen in der Begegnung von Hektor und Andromache. Stellen
Sie alle Belege zusammen und erklären Sie, welche inneren
Empfindungen sie jeweils ausdrücken!
- Der Textabschnitt erhält sein Gepräge durch
eine längere Ekphrasis (einer Spielform
der amplificatio).
- Geben Sie Beginn und Ende der Ekphrasis an!
- Wie ist die Ekphrasis motiviert? Durch welche Bezüge
erreicht der Dichter, dass sie in den Zusammenhang eingebunden
erscheint und nicht als Fremdkörper empfunden wird?
- Inwiefern lässt sich ohne Bruch an die Ekphrasis
der an Hektor gerichtete Appell anschließen?
- Wie stichhaltig ist der Vorwurf der Mitleidlosigkeit,
den Andromache Hektor gegenüber äußert (οὐδ'
ἐλεαίρεις
παῖδά τε νηπίαχον
καὶ ἔμ' ἄμμορον,
407) und der aus ihrem Appell, Mitleid zu zeigen (ἀλλ'
ἄγε νῦν ἐλέαιρε,
431) herausklingt? Was wird Hektor darauf entgegnen können?
|
|
4.) |
Hom.Il.6,440-465:
Andromaches Appell an den Ehemann |
|
440
441
442
443
444
|
τὴν δ' αὖτε
προσέειπε μέγας
κορυθαίολος
Ἕκτωρ·
ἦ καὶ ἐμοὶ τάδε
πάντα μέλει
γύναι· ἀλλὰ
μάλ' αἰνῶς
αἰδέομαι Τρῶας
καὶ Τρῳάδας
ἑλκεσιπέπλους,
αἴ κε κακὸς
ὣς νόσφιν ἀλυσκάζω
πολέμοιο·
οὐδέ με θυμὸς
ἄνωγεν, ἐπεὶ
μάθον ἔμμεναι
ἐσθλὸς
|
Zu ihr dagegen sprach der stattliche, helmbuschumflatterte
Hektor: "Auch mir liegt das alles am Herzen, Weib; aber
ich schäme mich tief vor den Troern und den gewandnachschleppenden
Troerinnen, wenn ich wie ein Feigling in der Ferne dem Kriege
ausweiche; auch mahnet mich mein Herz nicht dazu, zumal ich
gelernet, stets tapfer zu sein, |
445
446
447
448
449 |
αἰεὶ καὶ πρώτοισι
μετὰ Τρώεσσι
μάχεσθαι
ἀρνύμενος πατρός
τε μέγα κλέος
ἠδ' ἐμὸν αὐτοῦ.
εὖ γὰρ ἐγὼ τόδε
οἶδα κατὰ φρένα
καὶ κατὰ θυμόν·
ἔσσεται ἦμαρ
ὅτ' ἄν ποτ' ὀλώλῃ
Ἴλιος ἱρὴ
καὶ Πρίαμος
καὶ λαὸς ἐϋμμελίω
Πριάμοιο. |
und unter den vordersten Troern
zu kämpfen, schirmend des Vaters großen Ruhm und
meinen eignen. Zwar weiß ich wohl im Geist und in der
Seele, es wird ein Tag sein, an dem vielleicht das heilige Ilion
untergeht, und Priamos und das Volk des lanzenkundigen Priamos; |
450
451
452
453
454 |
ἀλλ' οὔ μοι Τρώων
τόσσον μέλει
ἄλγος ὀπίσσω,
οὔτ' αὐτῆς Ἑκάβης
οὔτε Πριάμοιο
ἄνακτος
οὔτε κασιγνήτων,
οἵ κεν πολέες
τε καὶ ἐσθλοὶ
ἐν κονίῃσι
πέσοιεν ὑπ'
ἀνδράσι δυσμενέεσσιν,
ὅσσον σεῦ, ὅτε
κέν τις Ἀχαιῶν
χαλκοχιτώνων
|
aber mich kümmert nicht so sehr der Troer künftiger
Jammer, nicht der Hekabe selbst und des Fürsten Priamos,
nicht der Brüder, die zahlreich und tapfer im Staube dahinstürzen
werden unter den feindlichen Männern, als du mich kümmerst,
wenn einer der erzbepanzerten Achaier |
455
456
457
458
459 |
δακρυόεσσαν
ἄγηται ἐλεύθερον
ἦμαρ ἀπούρας·
καί κεν ἐν Ἄργει
ἐοῦσα πρὸς
ἄλλης ἱστὸν
ὑφαίνοις,
καί κεν ὕδωρ
φορέοις Μεσσηΐδος
ἢ Ὑπερείης
πόλλ' ἀεκαζομένη,
κρατερὴ δ' ἐπικείσετ'
ἀνάγκη·
καί ποτέ τις
εἴπῃσιν ἰδὼν
κατὰ δάκρυ
χέουσαν·
|
die Weinende führt,
den Tag der Freiheit raubend, und du in Argos für eine
andre webst und Wasser schöpfest aus Messeis und Hypereia
voll Unmut, und eine harte Notwendigkeit dir obliegt, und wenn
dann einer sagt, der die Tränenvergießende sieht: |
460
461
462
463
464 |
Ἕκτορος ἥδε
γυνὴ ὃς ἀριστεύεσκε
μάχεσθαι
Τρώων ἱπποδάμων
ὅτε Ἴλιον ἀμφεμάχοντο.
ὥς ποτέ τις
ἐρέει· σοὶ
δ' αὖ νέον ἔσσεται
ἄλγος
χήτεϊ τοιοῦδ'
ἀνδρὸς ἀμύνειν
δούλιον ἦμαρ.
ἀλλά με τεθνηῶτα
χυτὴ κατὰ γαῖα
καλύπτοι |
'Das ist Hektors Weib, welcher der Beste im Kampf unter den
rossebändigenden Troern gewesen, als sie rings um Ilion
fochten.' So wird einst einer sagen, und ein neuer Schmerz wird
dich quälen, solch einen Mann zu vermissen zur Abwehr des
Tages der Knechtschaft. Aber ein Haufe Erde mag mich Toten eher
bedecken, |
465 |
πρίν γέ τι σῆς
τε βοῆς σοῦ
θ' ἑλκηθμοῖο
πυθέσθαι. |
als dass ich dein Gewimmer vernehme, und erfahre,
du seist fortgeschleppt." [Übersetzung nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Mit ἦ καὶ ἐμοὶ
τάδε πάντα
μέλει γύναι
(441) weist Hektor den Vorwurf der Mitleidlosigkeit zurück.
Worauf beruft er sich, um das Missverständnis seiner
scheinbaren Mitleidlosigkeit aufzulösen?
- er beruft sich auf seine αἰδώς
(ἀλλὰ μάλ'
αἰνῶς | αἰδέομαι,,
441f)und seinen θυμὸς
(οὐδέ με θυμὸς
ἄνωγεν, 444).
Beides zielt auf seine ἀρετή.
(Wenn Helena sich 350 einen ἀνὴρ
ἀμείνων
wünscht, so nennt sie als seine Qualitätsmerkmale
das Kennen und Beachten von νέμεσις
und αἶσχος ἀνθρώπων,
also die Qualität der αἰδώς.
Dass αἰδώς eine staatstragende
Tugend ist, geht am einleuchtendsten aus dem
Prometheusmythos in Platons Protagoras hervor:
ohne sie und ohne δίκη
können Menschen nicht in Gemeinschaft leben.)
Dabei fühlt Hektor sich den Troern, den
Troerinnen, dem Ruhm seines Vaters und auch
seinem eigenen Ruhm verpflichtet. Nichts aber
rührt ihn so an wie das zukünftige
Leid seiner Gattin.
|
- Wie wirkt sich Hektors Ausrichtung auf (ἔμμεναι
ἐσθλὸς, 444) auf die Ziele
seines äußerlichen Verhaltens aus?
als Held und
Krieger |
als Mann und
Vater |
- nicht: κακὸς ὣς
νόσφιν ἀλυσκάζω
πολέμοιο,
443
- sondern:
- αἰεὶ καὶ
πρώτοισι
μετὰ Τρώεσσι
μάχεσθαι,
445
- ἀρνύμενος
πατρός τε
μέγα κλέος
ἠδ' ἐμὸν
αὐτοῦ, 446
|
- empfänglich für das Τρώων
... ἄλγος ὀπίσσω,
450 Ἑκάβης ...
Πριάμοιο
ἄνακτος ...
κασιγνήτων.
- am stärksten empfänglich ist er aber
für Andromaches ἄλγος,
worin sich, wie in einem Brennglas, Hektors Verantwortung
für Andromaches äußere Zukunft
versammelt (als Teil seiner äußeren
ἀρετή) aber auch seine
persönliche Liebe zur Gattin: der ganze Hektor,
keine Kampfmaschine, sondern ein Mensch mit Herz
und Seele (ein Motiv, das in der folgenden Begegnung
mit dem Sohn noch weitergetrieben wird).
|
- Muss nicht die Gewissheit vom bevorstehenden Ende Trojas,
die ja mit der vorausschauenden Ahnung seines Todes korreliert,
deprimierend auf seinen Heldenmut (θυμός,
μένος) wirken? Warum sollte sich
dann der Einsatz eines Kampfes noch lohnen?
- Diese Frage kann man nur bejahen, wenn man
die Errettung der äußeren Existenz
(von Stadt und entsprechend auch des individuellen
Lebens (so: 487-489)) als den höchsten
Wert ansieht. Sieht man aber, wie Hektor, in
der ἀρετή den Höchstwert,
so hat der Bestand im Zielkonflikt nur sekundäre
Bedeutung. Alles spitzt sich, unabhängig
vom Ausgang, auf die Frage zu, ob es gelingt,
sich in der Grenzsituation als ἐσθλός
zu erweisen.
|
|
|
5.) |
Hom.Il.6,466-481:
Hektors Abschied von seinem Sohn |
|
466
467
468
469
|
ὣς εἰπὼν
οὗ παιδὸς ὀρέξατο
φαίδιμος Ἕκτωρ·
ἂψ δ' ὃ πάϊς πρὸς
κόλπον ἐϋζώνοιο
τιθήνης
ἐκλίνθη ἰάχων
πατρὸς φίλου
ὄψιν ἀτυχθεὶς
ταρβήσας χαλκόν
τε ἰδὲ λόφον
ἱππιοχαίτην,
|
Also sprechend, streckte die Hände nach dem
Knäblein aus der mannhafte Hektor; aber das Knäblein
schmiegte sich weinend zum Busen der schöngegürteten
Amme zurück, des lieben Vaters Antlitz scheuend, furchtsam
vor dem Erz und rossmähnigen Busch, |
470
471
472
473
474 |
δεινὸν ἀπ' ἀκροτάτης
κόρυθος νεύοντα
νοήσας.
ἐκ δ' ἐγέλασσε
πατήρ τε φίλος
καὶ πότνια
μήτηρ·
αὐτίκ' ἀπὸ κρατὸς
κόρυθ' εἵλετο
φαίδιμος Ἕκτωρ,
καὶ τὴν μὲν
κατέθηκεν ἐπὶ
χθονὶ παμφανόωσαν·
αὐτὰρ ὅ γ' ὃν
φίλον υἱὸν
ἐπεὶ κύσε πῆλέ
τε χερσὶν
|
den er schrecklich
von der Höhe des Helms herabsinken sah; und es lachte der
zärtliche Vater auf und die hoheitsvolle Mutter, und geschwind
nahm vom Haupte den Helm der stattliche Hektor, und legte zur
Erde den ringsschimmernden nieder; dann küsste er das geliebte
Söhnlein, und wiegte es in den Armen, |
475
476
477
478
479 |
εἶπε δ' ἐπευξάμενος
Διί τ' ἄλλοισίν
τε θεοῖσι·
Ζεῦ ἄλλοι τε
θεοὶ δότε δὴ
καὶ τόνδε γενέσθαι
παῖδ' ἐμὸν ὡς
καὶ ἐγώ περ
ἀριπρεπέα Τρώεσσιν,
ὧδε βίην τ' ἀγαθόν,
καὶ Ἰλίου ἶφι
ἀνάσσειν·
καί ποτέ τις
εἴποι πατρός
γ' ὅδε πολλὸν
ἀμείνων |
und rief, flehend
zum Zeus und den anderen Göttern: "Zeus und ihr übrigen
Götter, lasset auch meinen Sohn so werden, wie ich, ausgezeichnet
unter den Troern, auch kräftig und gut, und dass er mächtig
in Ilion herrsche. Dann wird man einst sagen: Er ist weit trefflicher
denn sein Vater, |
480
481 |
ἐκ πολέμου
ἀνιόντα· φέροι
δ' ἔναρα βροτόεντα
κτείνας δήϊον
ἄνδρα, χαρείη
δὲ φρένα μήτηρ. |
wenn er vom Schlachtfelde zurückkehrt;
und er bringe blutige Beute zurück vom erschlagenen Feind,
und es frohlocke das Herz der Mutter." [Übersetzung
nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Die Rollen des Vaters und des Helden scheinen sich genau
so zu widersprechen wie die Rollen des Ehemanns und des
Helden. Wie wird Hektor der Rolle sowohl des Vaters als
auch des Helden gerecht?
- Was drückt sich in den Gesten des Hochhebens (aus
den Armen der Amme) und des Zurückgebens des kleinen
Astyanax (in die Arme der Mutter!) aus?
Beachten Sie dabei die Gegenläufigkeit der Bewegungen
und die damit (ausgesprochen oder unausgesprochen) vebundenen
Emotionen:
- ὀρέξατο
φαίδιμος
Ἕκτωρ, 466
|
- ἂψ δ' ὃ πάϊς
...ἐκλίνθη,
467
- ἰάχων
- πατρὸς φίλου
ὄψιν ἀτυχθεὶς
- ταρβήσας
χαλκόν τε
ἰδὲ λόφον
- [470] δεινὸν
... νεύοντα
νοήσας.
|
- Hat das gemeinsame Lachen von Mann und Frau (ἐκ
δ' ἐγέλασσε
πατήρ τε φίλος
καὶ πότνια
μήτηρ, 471) außer dem gemeinsamen
Anlass auch einen gemeinsamen Grund? Was drückt sich
in diesem Lachen jeweils aus?
- Hektors Lachen setzt der unbedarften Furcht
des kleinen Kindes die Überlegenheit des
erfahren Kriegers entgegen, vielleicht auch
seine Unbedachtheit, sich dem Kind in voller
Rüstung zu nähern. Diese Rollendiskrepant
zwischen Vater und Sohn thematisiert auch das
anschließende Gebet, das den Wunsch ausspricht,
das Kind möge in die Rolle des Vater hinein-
oder sogar darüber hinauswachsen.
|
- Das Gebet selbst (476ff) denkt weit in die Zukunft. Steht
diese weitgespannte Zukunftsperspektive nicht im Widerspruch
zu der ahnungsvollen Todesgewissheit, die die ganze Szene
erfüllt?
- Die Todesgewissheit führt ἀρετή
nicht ad absurdum: Im Augenblick der Gefahr
für das Leben kann der Wert der Lebensrettung
nicht dazu führen, dass der Wert der ἀρετή
in das zweite Glied zurücktritt, auch wenn
er an Dringlichkeit gewinnt.
|
|
|
6.) |
Hom.Il.6,482-493 |
|
482
483
484
|
ὣς εἰπὼν
ἀλόχοιο φίλης
ἐν χερσὶν ἔθηκε
παῖδ' ἑόν· ἣ
δ' ἄρα μιν κηώδεϊ
δέξατο κόλπῳ
δακρυόεν γελάσασα·
πόσις δ' ἐλέησε
νοήσας,
|
Also sprechend, legt' er sein Knäblein in
die Hände der treuen Gemahlin; diese nahm es an den süßduftenden
Busen, und weinte lächelnd; der Gemahl bemerkt' es gerührt, |
485
486
487
488
489 |
χειρί τέ μιν
κατέρεξεν ἔπος
τ' ἔφατ' ἔκ τ' ὀνόμαζε·
δαιμονίη μή
μοί τι λίην
ἀκαχίζεο θυμῷ·
οὐ γάρ τίς μ'
ὑπὲρ αἶσαν
ἀνὴρ Ἄϊδι προϊάψει·
μοῖραν δ' οὔ
τινά φημι πεφυγμένον
ἔμμεναι ἀνδρῶν,
οὐ κακὸν οὐδὲ
μὲν ἐσθλόν,
ἐπὴν τὰ πρῶτα
γένηται. |
und, bei der Hand sie fassend, sprach er: "Trauteste, betrübe
dich nicht so sehr im Herzen; denn kein Mann wird gegen Bestimmung
mich zum Ais hinabsenden; aber keiner der Menschen, glaub' ich,
ist seinem Schicksal entfloh'n, nicht der Feige, nicht der Tapfere,
ist er einmal geboren. |
490
491
492
493 |
ἀλλ' εἰς οἶκον
ἰοῦσα τὰ σ' αὐτῆς
ἔργα κόμιζε
ἱστόν τ' ἠλακάτην
τε, καὶ ἀμφιπόλοισι
κέλευε
ἔργον ἐποίχεσθαι·
πόλεμος δ' ἄνδρεσσι
μελήσει
πᾶσι, μάλιστα
δ' ἐμοί, τοὶ Ἰλίῳ
ἐγγεγάασιν. |
Aber du gehe nun heim und bestelle deine
Geschäfte, Webstuhl und Rocken, und gebiete den Mägden,
ihr Tagwerk emsig zu tun; Krieg ist die Sorge der Männer
aller war, die in Ilion hausen, zumeist doch die meinige."
[Übersetzung nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Würdigen Sie in ihrer Bedeutung für die Entwicklung
der inneren Beziehung zwischen Hektor und Andromache:
- die Gesten des Zurückgebens des Kindes in die
Arme der Mutter (ἔθηκε, 482)
und seines Entgegennehmens (δέξατο
483)
- das oxymorische δακρυόεν
γελάσασα, 484
- Hektors Bekundung von Mitleid (πόσις
δ' ἐλέησε νοήσας,
484) und Zärtlichkeit (χειρί
τέ μιν κατέρεξεν,
485)
- Beurteilen Sie die rationale Argumentation mit der Schicksalsgebundenheit
der Menschen
- Ist sie glaubwürdig? Meint Hektor sie ernst oder
geht es ihm allein darum, Andromache zu trösten
und sich selbst Mut für die bevorstehende Auseinandersetzung
zu machen?
- Kann man das Argument im Sinne Hektors oder des Dichters
so verstehen, dass es angesichts der unausweichlichen
Gebundenheit des Menschen an den Tod nicht auf das Überleben,
sondern nur noch auf die Frage der ἀρετή
(οὐ κακὸν οὐδὲ
μὲν ἐσθλόν,
489) ankommt?
- Inwiefern stellt die Argumentation auf jeden Fall
einen guten Übergang dar zwischen der emotional
anrührenden Grundstimmung des Abschieds und der
Zurückweisung der Frau in ihren spezifischen Wirk-
und Lebensbereich (οἶκον,
ἔργα, 490)?
|
|
7.) |
Hom.Il.6,494-502 |
|
494
|
ὣς ἄρα φωνήσας
κόρυθ' εἵλετο
φαίδιμος Ἕκτωρ
|
Also sprechend, nahm der treffliche Hektor den
Helm |
495
496
497
498
499 |
ἵππουριν· ἄλοχος
δὲ φίλη οἶκον
δὲ βεβήκει
ἐντροπαλιζομένη,
θαλερὸν κατὰ
δάκρυ χέουσα.
αἶψα δ' ἔπειθ'
ἵκανε δόμους
εὖ ναιετάοντας
Ἕκτορος ἀνδροφόνοιο,
κιχήσατο δ'
ἔνδοθι πολλὰς
ἀμφιπόλους,
τῇσιν δὲ γόον
πάσῃσιν ἐνῶρσεν. |
mit dem Rossschweif auf, und die treue Gattin ging heim,
oft sich umwendend, und reichliche Tränen vergießend.
Ungesäumt kam sie darauf in die schön zu bewohnende
Behausung des männertilgenden Hektor, und traf dort viele
Dienerinnen, denen allen sie Jammer erregte, |
500
501
502 |
αἳ μὲν ἔτι ζωὸν
γόον Ἕκτορα
ᾧ ἐνὶ οἴκῳ·
οὐ γάρ μιν ἔτ'
ἔφαντο ὑπότροπον
ἐκ πολέμοιο
ἵξεσθαι προφυγόντα
μένος καὶ χεῖρας
Ἀχαιῶν. |
die den noch lebenden
Hektor in seinem Hause betrauerten;
denn sie meinten, er werde
schon nimmer aus dem Kriege wiederkehren, entflohen dem Mut
und den Händen der Achaier. [Übersetzung nach J.St.Zauper] |
|
Aufgaben:
- Sowohl auf dem Vasenbild als auch im Text kommt Hektors
Helm eine ausdrucksstarke Bedeutung zu. Sammeln Sie im Rückblick
die entsprechenden Textstellen und arbeiten Sie den Bedeutungszusammenhang
heraus!
- Zeigen Sie, wie sich nun in dem Bereich des Faktischen
das fraglos vollzieht und zur Ruhe kommt, was an Motiven,
Überlegungen und Stimmungen die handelnden Personen
zuvor in einer inneren Spannung gezeigt hatte!
- Dissens in der Zuwendung - Konsens in der
Trennung (Reflektierte Annahme des gemeinsamen
und jeweils einzelnen Schicksals)
|
|
|
Sententiae excerptae: Griech. zu "Hom.Il"803
ὅς κε θεοῖς ἐπιπείθηται μάλα τ' ἔκλυον αὐτοῦ.
Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder.
Hom.Il.1,218
804
πάντων μὲν κρατέειν ἐθέλει, πάντεσσι δ' ἀνάσσειν
Allen will er gebieten im Heer, und alle beherrschen.
Hom.Il.1,288
897
ἀργαλέος γὰρ Ὀλύμπιος ἀντιφέρεσθαι.
schwer ist es, dem Olympier sich zu widersetzen.
Hom.Il.1,589
805
οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη· εἷς κοίρανος ἔστω.
Niemals frommt Vielherrschaft im Volk; nur einer sei Herrscher.Staatsmann
Hom.Il.2,204
806
ἀλλ’ ἔκ τοι ἐρέω, τὸ δὲ καὶ τετελεσμένον ἔσται.
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet!
Hom.Il.2,257
807
αἴθ' ὄφελες ἄγονός τ' ἔμεναι ἄγαμός τ' ἀπολέσθαι.
Wärest du nie doch geboren, das wünscht' ich dir, oder gestorben!
Hom.Il.3,40
808
οὔ τοι ἀπόβλητ' ἐστὶ θεῶν ἐρικυδέα δῶρα | ὅσσά κεν αὐτοὶ δῶσιν, ἑκὼν δ' οὐκ ἄν τις ἕλοιτο.
Unverwerflich ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben, | Welche sie selber verleihn, und nach Willkür keiner empfänget.
Hom.Il.3,65f.
811
τρεῖν μ' οὐκ ἐᾷ Παλλὰς Ἀθήνη.
Furcht wehret mir Pallas Athene. (Es lässt mich nicht zittern Athene.)
Hom.Il.5,256
812
αἰδομένων ἀνδρῶν πλέονες σόοι ἠὲ πέφανται.
Denn wo sich ehrt ein Volk, stehn mehrere Männer (sind mehr gerettet) als fallen.
Hom.Il.5,531.Hom.Il.15,563.
1
ἀνδρὶ δὲ κεκμηῶτι μένος μέγα οἶνος ἀέξει
dem ermüdeten Mann stählt der Wein die Kraft gar sehr
Hom.Il.6,261
34
νίκη δ' ἐπαμείβεται ἄνδρας
der Sieg wechselt unter den Männern
Hom.Il.6,339
93
Τὸν Κυπρίδος κεστόν
Den Gürtel der Aphrodite (der Schönheit verleiht) (cestum Veneris)
vgl.Hom.Il.14,214ff.
176
αὐτόματοι δ’ ἀγαθοὶ ἀγαθῶν ἐπὶ δαῖτας ἵενται.
von selbst (ohne Einladung) eilen die Tüchtigen zu der Tüchtigen Mahl.
Zenob2,19; Plat.Symp.174b; vgl.Hom.Il.2,438
Literatur: zu "Homer" und "Helena"2696
Lange, Klaus
Euripides und Homer. Untersuchungen zur Homernachwirkung in "Elektra", "Iphigenie im Taurerland", "Helena", "Orestes" und "Kyklops"
Stuttgart, Steiner 2002
3354
Schmitzer, U.
Die Bändigung der schönen Helena in Homers Odyssee
in: Gymn.110/2003, S.23-40
- /Grie/hom/HomIl140.php - Letzte Aktualisierung: 17.07.2024 - 15:54 |