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M.Tullius Cicero
Brutus

Hortensius als Höhepunkt der römischen Beredsamkeit 

und Cicero in seiner Nachfolge 

Cic.Brut.301-319 

 
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aus den Rhethorischen Schriften:
Inhalt |Cic.Brut.301-319 | Cic.inv.1-5 | Cic.or.7-19 | Cic. De orat.

Cic.Brut.301-319: Cicero schildert seinen Werdegang als Redner

[301] Hortensius igitur cum admodum adulescens orsus esset in foro dicere, celeriter ad maiores causas adhiberi coeptus est; <et> quamquam inciderat in Cottae et Sulpici aetatem, qui annis decem maiores <erant>, excellente tum Crasso et Antonio, dein Philippo, post Iulio, cum his ipsis dicendi gloria comparabatur. primum memoria tanta, quantam in nullo cognovisse me arbitror, ut quae secum commentatus esset, ea sine scripto verbis eisdem redderet, quibus cogitavisset. hoc adiumento ille tanto sic utebatur, ut sua et commentata et scripta et nullo referente omnia adversariorum dicta meminisset.  Nachdem nun Hortensius sehr jung seine Laufbahn auf dem Forum begonnen hatte, wurde er nun bald bei wichtigeren Rechtsfällen herangezogen. Obgleich aus der Periode von Cotta und Sulpicius, die zehn Jahre älter waren als er, während noch Crassus und Antonius, dann Philippus, dann Iulius der Reihe nach blühten, wurde er bald diesen Männern im Ruhme der Beredsamkeit an die Seite gestellt. Fürs erste hatte er ein so großes Gedächtnis, wie ich bei keinem je gefunden habe, so dass er alles, was er bei sich entworfen hatte, ohne Schrift, mit den selben Worten, wie er es gedacht hatte, wiedergeben konnte. Dieses Hilfsmittel kam ihm so trefflich zustatten, dass er nicht nur seine Gedanken und Aufsätze, sondern auch alle Worte der Gegner, ohne dass ihm jemand berichtete, im Gedächtnis behielt. 
[302] ardebat autem cupiditate sic, ut in nullo umquam flagrantius studium viderim. nullum enim patiebatur esse diem, quin aut in foro diceret aut meditaretur extra forum. saepissume autem eodem die utrumque faciebat. adtuleratque minime volgare genus dicendi; duas quidem res quas nemo alius: partitiones, quibus de rebus dicturus esset, et conlectiones, memor et quae essent dicta contra quaeque ipse dixisset. Dabei hatte er eine solche Leidenschaft für die Sache, dass ich noch bei keinem einen brennenderen Eifer gesehen habe. Denn er ließ keinen Tag hingehen, wo er nicht auf dem Forum sprach oder sich außerhalb des Forums übte. Sehr oft tat er beides an einem Tag. Er brachte aber eine keineswegs gemeine Art von Beredsamkeit mit: Die Einteilung der Sachen, über die er sprechen wollte und ihre Zusammensetzung, indem er sich stets an das, was der Gegner gesagt und was er selbst gesagt hatte, erinnerte. 
[303] erat in verborum splendore elegans, compositione aptus, facultate copiosus; eaque erat cum summo ingenio tum exercitationibus maxumis consecutus. rem complectebatur memoriter, dividebat acute, nec praetermittebat fere quicquam, quod esset in causa aut ad confirmandum aut ad refellendum. vox canora et suavis, motus et gestus etiam plus artis habebat, quam erat oratori satis. hoc igitur florescente Crassus est mortuus, Cotta pulsus, iudicia intermissa bello, nos in forum venimus. Mit einem glänzenden Ausdruck verband er feinen Geschmack, in seiner Verbindung der Teile war Einklang, in seiner Darstellungsgabe Reichtum. Und diese Vorzüge hatte er teils durch seinen ausgezeichneten Geist, teils durch außerordentliche Übung erworben. Seinen Gegenstand fasste er ins Gedächtnis, zerteilte ihn scharf und überging nicht leicht etwas, was zur Bestätigung oder Widerlegung eines Falles gehörte. Seine Stimme war melodisch und angenehm. In seiner Bewegung und Haltung lag noch mehr Kunst, als der Redner eigentlich braucht. Zur Zeit seines Aufblühens starb Crassus, Cotta wurde vertrieben, die Gerichte unter dem Krieg ausgesetzt, und ich begann meine Laufbahn auf dem Forum. 
[304] Erat Hortensius in bello primo anno miles, altero tribunus militum, Sulpicius legatus; aberat etiam M. Antonius; exercebatur una lege iudicium Varia, ceteris propter bellum intermissis; cui frequens aderam, quamquam pro se ipsi dicebant oratores non illi quidem principes, L.Memmius et Q. Pompeius, sed oratores tamen teste diserto uterque Philippo, cuius in testimonio contentio et vim accusatoris habebat et copiam. Hortensius war im Krieg das erste Jahr als Soldat, das zweite Jahr als Legionstribun, Sulpicius als Legat;  auch Marcus Antonius war abwesend; vor Gericht trieb man sich allein mit dem VorverweisVarischen Gesetz um; die übrigen hatte man wegen des Krieges ausgesetzt. Ich war eifrig dabei, obgleich die Redner, die nur sich selbst verteidigten, Lucius Memmius und Quintus Pompeius, nicht eben die ersten Redner, aber doch Redner waren, die einen beredten Zeugen an Philippus hatten, der seinem Zeugnis durch die Macht der Darstellung den Ausdruck und die Wirkung einer Anklage zu geben wusste.  
[305] Reliqui, qui tum principes numerabantur, in magistratibus erant cotidieque fere a nobis in contionibus audiebantur. erat enim tribunus plebis tum C.Curio, quamquam is quidem silebat, ut erat semel a contione universa relictus; Q.Metellus Celer non ille quidem orator, sed tamen non infans; diserti autem Q.Varius, C.Carbo, Cn.Pomponius, et hi quidem habitabant in rostris; C. etiam Iulius aedilis curulis cotidie fere accuratas contiones habebat. sed me cupidissumum audiendi primus dolor percussit, Cotta cum est expulsus. reliquos frequenter audiens acerrumo studio tenebar cotidieque et scribens et legens et commentans oratoriis tantum exercitationibus contentus non eram. iam consequente anno Q.Varius  sua lege damnatus excesserat. Die übrigen, die damals unter die ersten gezählt wurden, begleiteten Staatsämter und wurden von mir fast täglich in den Volksversammlungen gehört. Gaius Curio war Vorverweisdamals Volkstribun, obwohl er schwieg, seit ihm einmal die ganze Volksversammlung davongelaufen war. Quintus Metellus Celer war kein Redner, aber auch nicht ohne die Gabe der Rede; beredte Männer waren Quintus Varius, Gaius Carbo, Gnaeus Pomponius, und diese waren auf der Rednerbühne zu Hause. Auch der kurulische Aedil Gaius Iulius hielt fast täglich seine wohlgesetzten Vorträge an das Volk. Der erste Schmerz traf mich, als Cotta vertrieben wurde, wie ich eben voller Begierde war, ihn zu hören. Indem ich aber vom lebhaftesten Eifer beseelt war, die anderen fleißig zu hören, täglich zu schreiben, zu lesen, zu studieren, ließ ich es doch bei den bloßen Redeübungen nicht bewenden. Schon im folgenden Jahr war Quintus Varius durch sein eigenes Gesetz verdammt abgegangen. 
[306] ego autem iuris civilis  studio multum operae dabam Q.Scaevolae P. f., qui quamquam nemini <se> ad docendum dabat, tamen consulentibus respondendo studiosos audiendi docebat. atque huic anno proxumus Sulla consule et Pompeio fuit. tum P.Sulpici in tribunatu cotidie contionantis totum genus dicendi penitus cognovimus; eodemque tempore, cum princeps Academiae Philo cum Atheniensium optumatibus Mithridatico bello domo profugisset Romamque venisset, totum ei me tradidi admirabili quodam ad philosophiam studio concitatus; in quo hoc etiam commorabar adtentius ‑ etsi rerum ipsarum varietas et magnitudo summa me delectatione retinebat â€‘ , sed tamen sublata iam esse in perpetuum ratio iudiciorum videbatur.  Aus Neigung zur Rechtswissenschaft hielt ich mich fest an Quintus Scaevola, den Sohn des Publius, der sich zwar nicht förmlich zum Lehrer hergab, aber durch die Gutachten, die er erteilte, für die Wissbegierigen belehrend war. Das nächste Jahr, das folgt, war das VorverweisKonsulatsjahr des Sulla und des Pompeius. Damals lernte ich die ganze Redeweise des Publius Sulpicius, der in seinem Tribunat täglich vor dem Volk Reden hielt, genau kennen. Als in der selben Zeit Philo, der Vorsteher der Akademie, mit den vornehmsten Athenern wegen des VorverweisMithridatischen Krieges von Hause flüchtig geworden und nach Rom gekommen war, widmete ich mich ganz diesem Mann und fühlte mich von einer wunderbaren Liebe zur Philosophie ergriffen. Bei dieser Wissenschaft verweilte ich mit so starker Aufmerksamkeit, als mich nicht nur die Mannigfaltigkeit und Größe ihrer Wahrheiten ungemein fesselte, sondern auch bereits die Gerichtsverfassung für immer aufgehoben schien.  
[307] occiderat Sulpicius illo anno tresque proxumo trium aetatum oratores erant crudelissume interfecti, Q.Catulus M.Antonius C.Iulius. eodem anno etiam Moloni Rhodio Romae dedimus operam et actori summo causarum et magistro. haec etsi videntur esse a proposita ratione diversa, tamen idcirco a me proferuntur, ut nostrum cursum perspicere, quoniam voluisti, Brute, possis ‑ nam Attico haec nota sunt â€‘ et videre, quem ad modum simus in spatio Q.Hortensium ipsius vestigiis persecuti. In diesem Jahr war Sulpicius umgekommen und im folgenden Jahr wurden drei Redner aus drei Perioden , Quintus Catulus, Marcus Antonius und Gaius Iulius grausam ermordet. In dem selben Jahr genoss ich in Rom auch den Unterricht des Rhodiers Molon, eines ausgezeichneten Sachwalters und Lehrers. So wenig das Gesagte zur Sache zu gehören scheint, so führe ich es an, Brutus, damit du, wie du gewünscht (denn dem Atticus sind es bekannte Dinge), meinen ganzen Lauf überschauen und sehen kannst, wie ich auf meiner Bahn dem Hortensius in seinen Fußstapfen gefolgt bin. 
[308] triennium fere fuit urbs sine armis; sed oratorum aut interitu aut discessu aut fuga ‑ nam aberant etiam adulescentes M.Crassus et Lentuli duo ‑ primas in causis agebat Hortensius, magis magisque cotidie probabatur Antistius, Piso saepe dicebat, minus saepe Pomponius, raro Carbo, semel aut iterum Philippus. at vero ego hoc tempore omni noctes et dies in omnium doctrinarum meditatione versabar. Ungefähr drei Jahre1 ) war Waffenruhe in der Stadt; aber nach dem Untergang, der Entfernung oder der Flucht der Redner (denn auch die Jünglinge Marcus Crassus und die beiden Lentulus waren abwesend) spielte nun Hortensius die erste Rolle vor Gericht; Antistius verschaffte sich täglich mehr und mehr Anerkennung; Piso sprach oft; weniger oft Pomponius, selten Carbo; ein- oder zweimal Philippus. Ich beschäftigte mich in dieser ganzen Zeit Tag und Nacht mit dem Studium aller Wissenschaften.  
[309] eram cum Stoico Diodoto, qui, cum habitavisset apud me <me>cumque vixisset, nuper est domi meae mortuus. a quo cum in aliis rebus tum studiosissime in dialectica exercebar, quae quasi contracta et astricta eloquentia putanda est; sine qua etiam tu, Brute, iudicavisti te illam iustam eloquentiam, quam dialecticam esse dilatatam putant, consequi non posse. huic ego doctori et eius artibus variis atque multis ita eram tamen deditus ut ab exercitationibus oratoriis nullus dies vacuus esset. Ich war zusammen mit dem Stoiker Diodotus, der bei mir wohnte, mit mir lebte und kürzlich in meinem Haus starb. Bei diesem übte ich mich, um anderer Dinge nicht zu gedenken, mit angestrengtem Fleiß in der Dialektik, die man als eine ins Kurze gezogene, gedrängte Redekunst zu betrachten hat, ohne die auch nach deinem Urteil, Brutus, die eigentümliche Beredsamkeit, gleichsam eine erweiterte Dialektik, nicht erreichbar ist. Diesem Lehrer und seinen vielen und mannigfaltigen Talenten huldigte ich, jedoch ohne einen Tag die Redeübungen einzustellen. 
[310] commentabar declamitans ‑ sic enim nunc loquuntur ‑ saepe cum M.Pisone et cum Q.Pompeio aut cum aliquo cotidie, idque faciebam multum etiam Latine, sed Graece saepius, vel quod Graeca oratio plura ornamenta suppeditans consuetudinem similiter Latine dicendi adferebat, vel quod a Graecis summis doctoribus, nisi Graece dicerem, neque corrigi possem neque doceri. Ich hielt als Studien meine Deklamationen (wie man jetzt sagt), oft mit Marcus Piso und mit Quintus Pompeius oder mit irgend jemandem, alle Tage; dies tat ich vielmals in lateinischer, noch häufiger in griechischer Sprache: teils weil das Griechische mehr Redeschmuck liefert, und die Nachbildung der lateinischen Sprache dadurch befördert wurde, teils weil mich die größten griechischen Lehrer, wenn ich nicht griechisch redete, weder verbessern noch belehren konnten.  
[311] tumultus interim recuperanda re publica et crudelis interitus oratorum trium, Scaevolae, Carbonis, Antisti, reditus Cottae, Curionis, Crassi, Lentulorum, Pompei; leges et iudicia constituta, recuperata res publica; ex numero autem oratorum Pomponius, Censorinus, Murena sublati. tum primum nos ad causas et privatas et publicas adire coepimus, non ut in foro disceremus, quod plerique fecerunt, sed ut, quantum nos efficere potuissemus, docti in forum veniremus. Indessen erfolgte jener Sturm, um die Ordnung im Staat herzustellen; der grausame Untergang von drei Rednern: Scaevola, Carbo, Antistius2 ). Cotta, Curius, Crassus, die Lentuler, Pompeius kehrten zurück3 ); Recht und Gesetz wurden wieder eingeführt, die Republik hergestellt; aus der Zahl der Redner treten Pomponius, Censorinus, Murena ab. Damals war es, dass ich Staats- und Privatsachen zu übernehmen anfing; nicht dass ich, wie es gewöhnlich geschieht, auf dem Forum lernen wollte, sondern weil ich mich mit möglichster Anstrengung ausgebildet hatte, um auf dem Forum aufzutreten. 
[312] eodem tempore Moloni dedimus operam; dictatore enim Sulla legatus ad senatum de Rhodiorum praemiis venerat. itaque prima causa publica pro Sex. Roscio dicta tantum commendationis habuit, ut non ulla esset, quae non digna nostro patrocinio videretur. deinceps inde multae, quas nos diligenter elaboratas et tamquam elucubratas adferebamus. Zur selben Zeit widmete ich mich dem Molon, der unter Sullas Diktatur wegen der Belohnung der Rhodier als Gesandter an den Senat gekommen war. Die erste öffentliche Verteidigungsrede nun, die ich für Sextus Roscius hielt, verschaffte mir so viel Empfehlung, dass keine Sache jetzt mehr für meine Anwaltschaft zu wichtig schien. Weiterhin folgten viel Rechtshändel, die ich ebenso sorgfältig durchgedacht und mit nächtlichem Fleiß bearbeitet hatte. 
[313] Nunc quoniam totum me non naevo aliquo aut crepundiis sed corpore omni videris velle cognoscere, complectar nonnulla etiam, quae fortasse videantur minus necessaria. erat eo tempore in nobis summa gracilitas et infirmitas corporis, procerum et tenue collum: qui habitus et quae figura non procul abesse putatur a vitae periculo, si accedit labor et laterum magna contentio. eoque magis hoc eos, quibus eram carus, commovebat, quod omnia sine remissione, sine varietate, vi summa vocis et totius corporis contentione dicebam.  Weil du mich aber doch wohl ganz, nicht an einem Muttermal oder an einem Spielzeug, sondern der ganzen Person nach kennen lernen willst, so werde ich noch einige Umstände zusammenfassen, die vielleicht weniger wesentlich scheinen. Ich hatte damals einen sehr hageren und schwachen Körper, einen langen und dünnen Hals - kurz, eine Aussehen und eine Körperbildung, die, wie man sonst glaubt, Lebensgefahr nicht ferne liegt, zumal wenn Arbeit und große Anstrengung der Brust dazukommt. Diejenigen, denen ich lieb war, wurden durch diesen Umstand um so mehr beunruhigt, weil ich alles, ohne den Ton herabzustimmen oder zu wechseln, mit der ganzen Kraft der Stimme und mit Anstrengung des ganzen Körpers sprach. 
[314] itaque cum me et amici et medici hortarentur, ut causas agere desisterem, quodvis potius periculum mihi adeundum quam a sperata dicendi gloria discedendum putavi. sed cum censerem remissione et moderatione vocis et commutato genere dicendi me et periculum vitare posse et temperatius dicere, ut consuetudinem dicendi mutarem, ea causa mihi in Asiam proficiscendi fuit. itaque, cum essem biennium versatus in causis et iam in foro celebratum meum nomen esset, Roma sum profectus.  Als mir nun Freunde und Ärzte rieten, ich solle das Geschäft eines Sachwalters aufgeben, so wollte ich mich lieber jeder Gefahr aussetzen als dem erhofften Ruhm des Redners entsagen. Weil ich aber glaubte, ich könne durch Herabstimmen und Mäßigung der Stimme nicht nur die Lebensgefahr vermeiden, sondern auch sanfter reden, so lag in der Absicht, meine Manier zu ändern, die Veranlassung meiner Reise nach Asien 4 ). Nachdem ich mich bereits zwei Jahre mit Rechtssachen beschäftigt hatte und mein Name auf dem Forum schon gefeiert war, reiste ich von Rom ab.
[315] Cum venissem Athenas, sex menses cum Antiocho veteris Academiae nobilissumo et prudentissumo philosopho fui studiumque philosophiae numquam intermissum a primaque adulescentia cultum et semper auctum hoc rursus summo auctore et doctore renovavi. eodem tamen tempore Athenis apud Demetrium Syrum, veterem et non ignobilem dicendi magistrum, studiose exerceri solebam. post a me Asia tota peragrata est cum summis quidem oratoribus, quibuscum exercebar ipsis lubentibus; quorum erat princeps Menippus Stratonicensis meo iudicio tota Asia illis temporibus dissertissimus; et, si nihil habere molestiarum nec ineptiarum Atticorum est, hic orator in illis numerari recte potest.  In Athen angelangt blieb ich sechs Monate bei Antiochos, dem berühmtesten und geschicktesten Philosophen der alten Akademie; und hier, unter diesem großen Meister und Lehrer erneuerte ich mein Studium der Philosophie, das ich nie ausgesetzt, von meiner ersten Jugend an gepflegt und immer erweitert hatte. Zu der selben Zeit übrigens übte ich mich zu Athen jedoch auch bei dem Syrer Demetrios, einem alten und nicht unberühmten Redelehrer, mit allem Eifer. Meine Wanderung ging hierauf durch ganz Asien, wo ich mich in der Gesellschaft der größten Redner, die dazu gerne bereit waren, übte. Unter diesen war Menippos aus Stratonicea der erste und nach meinem Urteil damals in ganz Asien der beredteste; ja, wenn es Charakter der Attiker ist, nichts Übertriebenes, nichts Geschmackloses zu haben, so kann dieser Redner mit Recht ihnen beigezählt werden.  
[316] adsiduissime autem mecum fuit Dionysius Magnes; erat etiam Aeschylus Cnidius, Adramyttenus Xenocles. hi tum in Asia rhetorum principes numerabantur. quibus non contentus Rhodum veni meque ad eundem, quem Romae audiveram, Molonem adplicavi cum actorem in veris causis scriptoremque praestantem tum in notandis animadvertendisque vitiis et instituendo docendoque prudentissimum. is dedit operam, si modo id consequi potuit, ut nimis redundantis nos et supra fluentis iuvenili quadam dicendi impunitate et licentia reprimeret et quasi extra ripas diffluentis coerceret. ita recepi me biennio post non modo exercitatior sed prope mutatus. nam et contentio nimia vocis resederat et quasi deferverat oratio lateribusque vires et corpori mediocris habitus accesserat. Mein unzertrennlicher Begleiter aber war Dionysios aus Magnesia. Auch Aischylos aus Cnidus, Xenokles aus Adramyttium fanden sich zu mir. Diese zählten in Asien damals unter die ersten in der Redekunst. Nicht zufrieden damit begab ich mich nach Rhodus und schloss mich dem selben Molon an, den ich in Rom gehört hatte, der nicht allein als Sachwalter und Verfasser von Schriftstücken in wirklichen Rechtssachen vortrefflich war, sondern auch im Beobachten und Rügen von Fehlern, im Unterrichten und Belehren sehr geschickt war. Seine Bemühung war, wenn sie anders gelungen ist, dahin gerichtet, die schwelgerische Üppigkeit, die in jugendlich kecker Ungebundenheit ausschweifte, zu zügeln und den gleichsam über die Ufer tretenden Strom einzudämmen. Nach zwei Jahren begab ich mich zurück5 ); nicht bloß geübter, sondern beinahe umgeschaffen. Die übertriebene Heftigkeit meiner Stimme hatte sich gelegt, meine Rede war - ich möchte sagen - ausgegoren und meine Brust hatte an Kraft, so wie mein Körper an fester Haltung, mäßig gewonnen. 
[317] Duo tum excellebant oratores, qui me imitandi cupiditate incitarent, Cotta et Hortensius; quorum alter remissus et lenis et propriis verbis comprendens solute et facile sententiam, alter ornatus, acer et non talis, qualem tu eum, Brute, iam deflorescentem cognovisti, sed verborum et actionis genere commotior. itaque cum Hortensio mihi magis arbitrabar rem esse, quod et dicendi ardore eram propior et aetate coniunctior. etenim videram in isdem causis, ut pro M.Canuleio, pro Cn.Dolabella consulari, cum Cotta princeps adhibitus esset, priores tamen agere  partis Hortensium. acrem enim oratorem, incensum et agentem et canorum concursus hominum forique strepitus desiderat. Zwei Redner zeichneten sich damals aus, die meinen Wetteifer anregten, Cotta und Hortensius; von diesen kleidete der eine seine Gedanken ruhig und sanft in das ungezwungene und leichte Gewand eigentlicher Worte, der andere war schmuckreich, lebhaft, und nicht so, wie du, Brutus, ihn schon im Verblühen gekannt hast, sondern im Ausdruck und im Vortrag  voll Affekt. Daher glaubte ich es mehr mit Hortensius zu tun zu haben, weil ich ihm teil im Feuer der Rede ähnlicher , teils im Alter näher war. Ich hatte nämlich auch bemerkt, dass bin den selben Prozessen, wie z.B. für Marcus Canuleius, für den Konsular Gnaeus Dolabella, obgleich Cotta als der erste aufgestellt war, doch Hortensius die Hauptrolle spielte. Denn der Zustrom des Volkes und der Lärm des Forums erfordert einen lebhaften, feurigen Redner, der Vortrag und ein helles Organ hat.  
[318] unum igitur annum, cum redissemus ex Asia, causas nobilis egimus, cum quaesturam nos, consulatum Cotta, aedilitatem peteret Hortensius. interim me quaestorem Siciliensis excepit annus, Cotta ex consulatu est profectus in Galliam, princeps et erat et habebatur Hortensius. cum autem anno post ex Sicilia me recepissem, iam videbatur illud in me, quicquid esset, esse perfectum et habere maturitatem quandam suam. nimis multa videor de me, ipse praesertim; sed omni huic sermoni propositum est, non ut ingenium et eloquentiam meam perspicias, unde longe absum, sed ut laborem et  industriam. Nach meiner Rückkehr aus Asien führt ich das erste Jahr berühmte Rechtssachen, damals, als ich mich um die Quaestur, Cotta sich um das Konsulat und Hortensius sich um das Amt des Aedilen bewarb. Inzwischen trat ich mein Quaestorenjahr in Sizilien an6 ). Cotta reiste von seinem Konsulat weg nach Gallien. Hortensius galt als Meister und war es. Als ich mich nach einem Jahr aus Sizilien zurückbegeben hatte, schien das, was irgend an mir sein mochte, ausgebildet zu sein und gewissermaßen seine Reife zu haben. Doch ist es wohl de Redens allzu viel von mir, besonders da ich selber rede: indessen liegt es in der Absicht meiner Erzählung, dich nicht meinen Geist und meine Beredsamkeit sehen zu lassen, wovon ich weit entfernt bin, sondern nur mein Schaffen und mein Streben. 
[319] cum igitur essem in plurumis causis et in principibus patronis quinquennium fere versatus, tum in patrocinio Siciliensi maxume in certamen veni designatus aedilis cum designato consule Hortensio. Nachdem ich nun in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren als einer der ersten Sachwalter eine Menge Rechtshändel geführt hatte, bekam ich als designierter Aedil7 7) mit dem designierten Konsul Hortensius die merkwürdige Fehde durch die sizilische Anwaltschaft.   
1) Zur Anmerkung zurück 86-84 v.Chr.: Während Sullas Abwesenheit zum 2. Mithridatischen Krieg
2) Zur Anmerkung zurück Sie wurden Opfer der Marianer
3) Zur Anmerkung zurück Mit dem Sieg Sullas über die Marianer
4) Zur Anmerkung zurück 79-77 v.Chr.
5) Zur Anmerkung zurück 77 v.Chr., ein Jahr nach Sullas Tod. VorverweisSulla hatte sich 79 v.Chr. ins Privatleben zurückgezogen und war 78 v.Chr. gestorben
6) Zur Anmerkung zurück 76 v.Chr. Ciceros Quaestur auf Sizilien
7) Zur Anmerkung zurück 69 v.Chr. Ciceros Aedilität
Aufgabenvorschläge:
  1. Informieren Sie sich über die biographischen Daten der wichtigsten genannten Persönlichkeiten, Hortensius, Cotta, ...!
  2. Auf welche Qualitätsmerkmale legt Cicero bei der Würdigung des Hortensius Wert?
    • Untersuchen Sie, ob Cicero die Vorzüge des Hortensius an allen fünf "officia oratoris" misst oder ob er Schwerpunkte setzt!
  3. Vergleiche Ciceros Ausbildung nach Art und Inhalten mit der eines heutigen Studenten!  Überwiegen Parallelen oder Divergenzen?
Sententiae excerptae:
Lat. zu "Cic" und "rhet"
Literatur:
zu "Cic" und "rhet"
646
Albrecht, M.v.
Ciceros rhetorisches Bildungsideal in "De oratore".. Sokrates
in: Neukamp: Dialog XXV München 1991
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683
Büchner, K.
Cicero. Bestand und Wandel seiner geistigen Welt
Heidelberg (Winter) 1964
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686
Burck, E.
Ciceros rhetorische Schriften
in: AU IX 1,98
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4468
Cicero / Firnkes
Marcus Tullius Cicero, Firnkes, Manfred: Reden gegen Catilina : erste Rede, zweite Rede (in Auszügen) / hrsg., eingel. und erl. von Manfred Firnkes ; Kommentar ; Übersetzungshilfen und lernzielorientierter Aufgabenteil
Bamberg : Buchner, 4/2003
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4467
Cicero / Hirt, A.
Hirt, Annette (Hg.), Cicero gegen Catilina: die erste Rede, lateinisch und deutsch ; Übersetzung, Text und Lösungen
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2008
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4245
Cicero M.T. / Krüger
Marcus Tullius Cicero: Rede für Sextus Roscius aus Ameria (lat. u. dtsch), übersetzt und herausgegeben v. Gerhard Krüger
Stuttgart : Reclam, 1980
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705
Cicero, M.T. / Kühner, R.
Drei Bücher vom Redner. Übersetzt und erklärt von Raphael Kühner.
Berlin, Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung,o.J. (3/ca. 1909); München, Goldmann, o.J.
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4096
Cicero, Marcus Tullius
Philippische Reden gegen M. Antonius; lateinisch/deutsch. Ãœb. und hg. von Marion Giebel. Erste und zweite Rede 1998
Universal-Bibliothek (2233) 1998
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4097
Cicero, Marcus Tullius
Philippics I & II. Ed. with introd. & notes by J. D. Denniston
Bristol Classical Press, 1998 (Ndr.)
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4098
Cicero, Marcus Tullius
Ciceros Philippische Reden, für den Schulgebrauch hg. v. Hermann Nohl
Leipzig 1995
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4099
Cicero, Marcus Tullius
Cicero, sechste philippische Rede, mit Texten zur Rhetorik, bearb. von Wilfried Olbrich
Bamberg, Buchner (Ratio 26 ), 2/1993 (Ndr.)
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4100
Cicero, Marcus Tullius
Philippische Reden gegen M. Antonius (lateinisch/deutsch)
Stuttgart, Reclam 1989
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4102
Cicero, Marcus Tullius
Ciceros Ausgewählte Reden, erklaert von Karl Halm. Bd. 8: Ciceros dritte, vierte, fünfte und sechste philippische Rede, erkl. von Wilhelm Sternkopf
Sammlung griechischer und lateinischer Schriftsteller
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4103
Cicero, Marcus Tullius
Ciceros ausgewählte Reden, erklaert von Karl Halm. Bd. 9: Ciceros siebente, achte, neunte und zehnte philippische Rede, erkl. von Wilhelm Sternkopf
Sammlung griechischer und lateinischer Schriftsteller
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4104
Cicero, Marcus Tullius
Ciceros Ausgewählte Reden, erklaert von Karl Halm. Bd. 6: Ciceros erste und zweite Philippische Rede, besorgt von G. Laubmann
Berlin, Weidmann, 8/1905
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4105
Cicero, Marcus Tullius
Tullius Ciceros erste, vierte und vierzehnte Philippische Rede / für den Schulgebrauch hg. von Ernst Reinhard Gast
Leipzig, Teubner1891
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4094
Cicero, Marcus Tullius
Ciceros Philippische Reden. Eine Textauswahl, bearb. von Stefan Kliemt
Göttingen, V& R, 2008
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4095
Cicero, Marcus Tullius
Cicero, Philippika, die Macht des Wortes in der Politik. In Antonium (Oratio IV), hg. v. Mühl, Klaus
Bamberg,Buchner, 1999
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710
Clarke, M.L.
Ciceros Redekunst
in: Kytzler: Cicero, WBG 1973 (WdF 240)
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711
Clarke, M.L.
Rhetorik bei den Römern. Cicero.Quintilian.Christentum...
Göttingen (Vandenhoeck & Rupr.) 1968
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716
Curtius, E.R.
Antike Rhetorik und vergleichende Literaturwissenschaft. Cicero
in: Büchner: Cicero, WBG 1971 (WdF 27)
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479
Eulenberg, H.
Cicero, der Rechtsanwalt, Redner, Denker und Staatsmann..
Berlin (Wolff) 1932
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485
Fricek, A.
Rhetor. Beobachtungen an Ciceros Catilinaria I
in: Anr 35/4,1989,231
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493
Fuhrmann, M.
Redekunst am Beispiel Ciceros (Konzepte, Techniken)
Stuttgart (Klett) 1997
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496
Gelzer, M.
Cicero. Ein biographischer Versuch
Wiebaden (Steiner) 1969
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498
Gelzer, M./Kroll/Philippson/..
Marcus Tullius Cicero Stuttgart
(Druckenmüller, SD RE) o.J.
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500
Giebel, M.
Cicero
Reinbek (rm 261) 1989
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507
Gilson, E.
Beredsamkeit und Weisheit bei Cicero
in: Büchner: Cicero, WBG 1971 (WdF 27)
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4135
Jäger, G. u.a.
Rede und Rhetorik im Lateinunterricht : zur Lektüre von Ciceros Reden / Gerhard Jäger u.a.
Bamberg : Buchner, 1992
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541
Keßler, M.
..Ciceros 2.Rede über das Siedlergesetz.. im Lektürebereich Rhetorik
in: Anr 36/1,1990,13
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