|
Inhalt | Einleitung | Vorzeit | Tempeltypen | Peripteros | Dor.Ordnung | Ion.Ordnung | Vergleich | Anhang |
DIE VORZEIT
Bereits in den Ruinen von Jericho finden sich Vorstufen zu jener Bauform, die so entscheidenden Einfluss auf die griechische Architektur nahm, dem Megaron. Im 3. Jahrtausend v.Chr. drang es bis an die Küste Kleinasiens vor und wurde zur bevorzugten Bauform der feudalen Herrenschicht. So finden sich schon in den Überresten von Troja I, das zwischen 2600-2400 v. Chr. angesiedelt wird, auf Lesbos und auf Samos solche Baukörper. In der vorgriechischen Epoche erlebte das Megaron im Bereich der Ägäis seine erste Blütezeit (s. Abb. 2). In der Schicht von Troja II bilden dann schon mehrere parallel angeordnete Megaronbauten die zentrale Baugruppe der Burg.
Bei dem Megaron handelt es sich um einen Baukörper von elementarer Einfachheit. Es ist ein frei stehender Rechtecksbau mit geschlossenen Seitenwänden, einem Giebeldach, ein er großen Halle und ein oder zwei Nebenräumen. Der Stimseite ist meist ein offener Vorraum mit seitlich vorspringenden Mauerzungen, den Anten, zwischen denen auch zwei Stützen stehen können, vorgelagert (s. Abb. 2). Es bildeten sich im Bereich der Ägäis zwei verschiedene Varianten: eine gedrungene Form mit einem Verhältnis von 1 : 2 von Stirnseite zu Längsseite, z.B. in Dimini und Sesklo, und eine langgestreckte Form mit einem Verhältnis von 1 : 3, die auch trojanisches Herrenhaus genannt wird. Die Verwandtschaft zum Megaron ist jedoch so groß (vergl. Abb. 1), dass es nicht notwendig ist, jenes als eigene Bauform zu zählen. Denn das trojanische Herrenhaus stellt tatsächlich nur eine Variante des Megarons dar. Es handelt sich beim Megaron um einen nach außen abgeschlossenen Richtungsbau. Diese Wirkung wird durch die lange Form, den nach außen gerichteten, dem Bau vorgestellten Vorraum und die Anordnung der Zugänge zu den Räumen entlang der Längsachse erreicht. Das Megaron ist zu Gunsten einer klaren Form ein auf die wesentlichsten Elemente reduzierter Baukörper. Neben der kontinentalen Bautradition des Megarons existierte jedoch auch die Bautradition der maritimen und orientalischen Kulturen, die sich am deutlichsten in den Labyrinthbauten der kretisch - minoischen Kultur äußert.
Die charakteristischen Elemente der minoischen Kultur sind durchlaufende Hauptmauern, Mauerzungen und Mauerkreuzungen. Die Räume sind additiv aneinander gereiht und wechseln in Grundriss, Lage, Zugang und Größe. Häufig sind die Räume längs umschließender Mauern angeordnet und erschlossen. Der gesamte Komplex ist meist um einen Hof gruppiert und kann problemlos erweitert werden, indem einfach weitere Räume und Zimmerfluchten angelagert werden. Der Baukomplex wächst von innen nach außen. Die gesamte Bauweise zielt auf gleitende Übergänge, Gleichwertigkeit der Richtungen durch das Vermeiden durchlaufender Achsen und Überraschung durch ständige Abwechslung. Sie vermittelt ein fließendes, richtungsloses, mehrdeutiges und unplanmäßiges Raumerlebnis (vgl. Abb. 1).
Dieser Architektur steht das Megaron des Ägäischen Bereiches mit seiner klaren Ausrichtung, seiner eindeutigen, reduzierten Form und seiner freistehenden Konzeption antithetisch gegenüber. Dennoch sollte die kretisch - minoische Bauweise zunächst einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Architektur in Griechenland nehmen.
Um 2000 v. Chr. kam es zur Einwanderung der Protogriechen, oder wie Homer sie nennt, der Achäer, indogermanischer Volksstämme, die gegen Ende der Steinzeit aus den Ebenen der mittleren Donau nach Süden zogen. Die Einwanderung erfolgte nicht in einem großen Zug, sondern durch allmähliches Eindringen. Den Einwanderern wurden die Ureinwohner Griechenlands nach und nach untertan. Architektonisch scheinbar unbedarft, übernahmen die Protogriechen die vorgefundenen Bauformen bruchlos. Durch die Begegnung mit der kretisch - minoischen Großmacht entstand jedoch ein tiefer Einschnitt. Kulturell unterlegen mussten die Achäer zumindest einige Elemente der kretischen Architektur übernehmen. Sie entwickelten jedoch daraus eine eigene Architektur, die zwar stark von Kreta beeinflusst ist, sich aber in wesentlichen Punkten von der kretischen Bauweise unterscheidet. Diese Vermengung der antithetischen Strukturen des Richtungsbaus Megaron mit seiner Konzeption und der additiven, orientalischen Bauweise äußert sich in der mykenischen Mischkultur. Dennoch scheint die Labyrinthbauweise den Einwohnern Griechenlands und der Ägäis im innersten fremd geblieben zu sein. Denn auch in der kretisch beeinflussten Bauweise zeigen sich bereits einige für die griechische Architektur typischen Elemente: Heraushebung eines Zentralbaus (Megarons) in Größe und Lage innerhalb der baulichen Anlagen und eine elementare Monumentalität durch klare Formen der Baukörper und Reduzierung der Bauelemente auf das Wesentlichste.
Gegen Ende der Bronzezeit in der Zeitspanne zwischen 1200 und 1000 v.Chr. erfolgte durch die dorische Einwanderung ein weiterer tiefer Einschnitt (s. Abb. 3). Unter dem Druck der zum Mittelmeer vorstoßenden Illyrer setzten sich indogermanische Volksstämme nach Süden in Bewegung. Gegen diese Einwanderer, die Dorer, setzten sich die Alteingesessenen, die Autochthonen, zur Wehr oder wichen nach Kleinasien aus. Sie besiedelten als Ioner und Aioler die Westküste Kleinasiens und konnten sich in Attika, Euboia und den Kykladen behaupten. Die zugewanderten Dorer besetzten zu Lande die meisten Gebiete der Peloponnes und erreichten zu Wasser Kreta und Südwestkleinasien (Kos / Knidos / Rhodos). Das Ergebnis war ein zweifaches. Es kam zu einer Spaltung der Griechen in mehrere verschiedene Volksstämme, wobei vor allem die Dorer, loner und Aioler zu nennen wären. Eine eindeutige Unterscheidung dieser Volksstämme war schon bald darauf nicht mehr möglich, zu vielfältig waren dazu die Berührungspunkte, zu oft kam es zur Vermischung der Volksstämme im Laufe der Einwanderung. Dennoch waren sich die Griechen der Verschiedenheit ihres Ursprungs bewusst und entwickelten verschiedene Dialekte, den dorischen, den ionischen u.a., und später auch unterschiedliche Baustile, die sogenannten Säulenordnungen. Darüber hinaus wurde durch die Einwanderungswelle die mykenische Zwitterkultur völlig zerstört. Denn erstaunlicherweise griffen weder die Dorer die vorgefundene höherstehende Kultur auf, noch bewahrten die bedrängten oder vertriebenen Ioner (Aioler) ihre Kultur. Es folgten die dunklen Jahrhunderte der schriftlosen Zeit.
Als gegen 800 v.Chr. mit dem Übergang zur bildhaften Verehrung der griechische Tempelbau einen Neuanfang nahm, wurde der Charakter des freistehenden, in sich ruhenden, ausgerichteten Megarons bestimmend für die griechischen Tempel. Die orientalisch - kretischen Einflüsse unterliegen der klaren Konzeption des einfachen Baus, der die Anlagen des monumentalen griechischen Zentralbaus bereits in sich trug und dem κόσμος der Griechen mit seiner klaren Ordnung weit mehr zusagen musste.