10. Daphne (1,452-567) | ||
Primus amor Phoebi Daphne
Peneia, quem non fors ignara dedit, sed saeva Cupidinis ira, Delius hunc nuper, victa serpente superbus, |
Phoibos liebte zuerst
die peneische Daphne, wofür nicht Blindes Geschick ihn entflammt, nein, der rächende Zorn des Cupido. Den jüngst hatte gesehn, wie die Hörner er bog am gespannten |
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viderat adducto flectentem
cornua nervo 'quid' que 'tibi, lascive puer, cum fortibus armis?' dixerat: 'ista decent umeros gestamina nostros, qui dare certa ferae, dare vulnera possumus hosti, qui modo pestifero tot iugera ventre prementem |
Strange, der delische
Gott, noch stolz auf der Schlange Besiegung. "Was soll die kräftige Wehr bei dir, mutwilliger Knabe?", Spottet' er, "solches Gerät ist meinen Schultern geziemend, Der ich sicher das Wild wie den Feind zu treffen verstehe, Der ich Python erlegt, der gebläht mit dem giftigen Bauche |
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stravimus innumeris
tumidum Pythona sagittis. tu face nescio quos esto contentus amores inritare tua, nec laudes adsere nostras!' filius huic Veneris 'figat tuus omnia, Phoebe, te meus arcus' ait; 'quantoque animalia cedunt |
So viel' Hufen beschwert,
unlängst mit unzähligen Pfeilen. Wenn du entfachst mit der Fackel ich weiß nicht welches Verlangen, Lass' es Genüge dir sein: nicht eigne dir meinen Ruhm an!" Venus' Knabe versetzt: "Dein Bogen, o Phoibos, erreiche Alles, der meinige dich! So weit vor dem Gott die Geschöpfe |
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cuncta deo, tanto minor
est tua gloria nostra.' dixit et eliso percussis aere pennis inpiger umbrosa Parnasi constitit arce eque sagittifera prompsit duo tela pharetra diversorum operum: fugat hoc, facit illud amorem; |
Weichen gesamt, so weit
steht dein Ruhm unter dem meinen." Sprach's und säumte nicht und teilte rasch mit bewegten Schwingen die Luft und stand auf der schattigen Höh' des Parnassos. Zwei der Geschosse entnimmt er dem pfeilumschließenden Köcher, Ungleichartig an Kraft. Eins scheucht, eins wecket die Liebe. |
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quod facit, auratum
est et cuspide fulget acuta, quod fugat, obtusum est et habet sub harundine plumbum. hoc deus in nympha Peneide fixit, at illo laesit Apollineas traiecta per ossa medullas; protinus alter amat, fugit altera nomen amantis |
Welches sie weckt, ist
golden und glänzt mit spitziger Schärfe; Welches sie scheucht, ist stumpf, und Blei ist unter dem Rohre. Dieses versendet der Gott zur peneischen Nymphe; das andre Schnellt er durch das Gebein ins innerste Mark dem Apollo. Der fühlt Liebe sogleich; sie flieht vor der Liebenden Namen: |
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silvarum latebris captivarumque
ferarum exuviis gaudens innuptaeque aemula Phoebes: vitta coercebat positos sine lege capillos. multi illam petiere, illa aversata petentes inpatiens expersque viri nemora avia lustrat |
Nur an der Wälder
Versteck und am Fang des erbeuteten Wildes Findet sie Lust nach dem Bilde der stets jungfräulichen Phoibe. Fesselnd schlang sich ein Band um das kunstlos liegende Haupthaar. Viele wohl warben um sie; doch jene den Werbenden abhold, Flüchtig und scheu vor dem Mann, durchstreift Einöden der Wälder, |
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nec, quid Hymen, quid
Amor, quid sint conubia curat. saepe pater dixit: 'generum mihi, filia, debes,' saepe pater dixit: 'debes mihi, nata, nepotes'; illa velut crimen taedas exosa iugales pulchra verecundo suffuderat ora rubore |
Und sie bekümmert
sich nicht um Hymen und Amor und Ehe. "Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "ich harre des Eidams." "Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "du schuldest mir Enkel." Sie, der wie ein Vergehn hochzeitliche Fackeln verhasst sind, Steht im schönen Gesicht von züchtiger Röte begossen, |
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inque patris blandis
haerens cervice lacertis 'da mihi perpetua, genitor carissime,' dixit 'virginitate frui! dedit hoc pater ante Dianae.' ille quidem obsequitur, sed te decor iste quod optas esse vetat, votoque tuo tua forma repugnat: |
Und mit schmeichelndem
Arm umschlingend den Nacken des Vaters Bittet sie: "Wehre mir nicht, jungfräulich, geliebtester Vater, Immer zu sein. Einst hat es Dianen vergönnt der Erzeuger." Jener gestattet es zwar; doch nicht lässt sein dich der Liebreiz, Was du begehrst, und deine Gestalt wehrt deinem Verlangen. |
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Phoebus amat visaeque
cupit conubia Daphnes, quodque cupit, sperat, suaque illum oracula fallunt, utque leves stipulae demptis adolentur aristis, ut facibus saepes ardent, quas forte viator vel nimis admovit vel iam sub luce reliquit, |
Phoibos liebt und ersehnt
der geschauten Daphne Umarmung Und hofft, was er ersehnt. Ihn trügt sein eignes Orakel. So wie, der Ähren beraubt, verbrennen die nichtigen Stoppeln, Wie von der Fackel der Zaun aufflammt, die ein Wanderer sorglos Näherte oder vielleicht in der Frühe des Morgens zurückließ: |
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sic deus in flammas
abiit, sic pectore toto uritur et sterilem sperando nutrit amorem. spectat inornatos collo pendere capillos et 'quid, si comantur?' ait. videt igne micantes sideribus similes oculos, videt oscula, quae non |
So ist entfacht zur
Flamme der Gott, und im ganzen Gemüte Lodert er auf und nährt die vergebliche Liebe mit Hoffnung. Kunstlos sieht er das Haar ihr hangen im Nacken und denket: "Wie, wenn es wäre gepflegt?" Die Augen von Feuer erglänzend Schaut er licht wie Sterne. Er schaut den Mund, und Genüge |
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est vidisse satis;
laudat digitosque manusque bracchiaque et nudos media plus parte lacertos; si qua latent, meliora putat. fugit ocior aura illa levi neque ad haec revocantis verba resistit: 'nympha, precor, Penei, mane! non insequor hostis; |
Findet er nicht am Schaun.
Er preist die Finger und Hände, Preist den Arm und die Achsel entblößt bis über die Hälfte. Was sich verbirgt, dünkt schöner ihm noch. Sie flieht wie ein Lufthauch Eilends davon und steht nicht still, wie er solches ihr nachruft: "Nymphe, du Kind des Peneios, bleibe! Nicht folg' ich ein Feind dir. |
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nympha, mane! sic agna
lupum, sic cerva leonem, sic aquilam penna fugiunt trepidante columbae, hostes quaeque suos: amor est mihi causa sequendi! me miserum! ne prona cadas indignave laedi crura notent sentes et sim tibi causa doloris! |
Nymphe, bleibe! So flieht
das Lamm vor dem Wolf, vor dem Löwen Also der Hirsch, vor dem Aar mit zitternder Schwinge die Taube, Jedes vom Feinde gescheucht. Mich nötigt Liebe zu folgen. Ach, wenn du nur nicht fällst, und den Fuß zu gut der Verletzung Nur nicht ritzet ein Dorn, und Schmerz durch mich du erleidest! |
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aspera, qua properas,
loca sunt: moderatius, oro, curre fugamque inhibe, moderatius insequar ipse. cui placeas, inquire tamen: non incola montis, non ego sum pastor, non hic armenta gregesque horridus observo. nescis, temeraria, nescis, |
Rauh ist der Weg, auf
welchem du eilst. Sei mäßig im Laufe – Höre mich - hemme die Flucht! Selbst will ich dir mäßiger folgen. Wem du gefällst, erforsche doch erst. Kein Mann vom Gebirge Bin ich oder ein Hirt; nicht hab' ich auf Rinder noch Schafe Acht hier, lässig im Aussehn. Du weißt nicht, Törin, du weißt nicht, |
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quem fugias, ideoque
fugis: mihi Delphica tellus et Claros et Tenedos Patareaque regia servit; Iuppiter est genitor; per me, quod eritque fuitque estque, patet; per me concordant carmina nervis. certa quidem nostra est, nostra tamen una sagitta |
Wem du entfliehst; drum
fliehest du nur. Die delphische Landschaft, Tenedos huldigt mir und Klaros und Pataras Hofburg. Iupiter hat mich gezeugt. Durch mich wird kund, was gewesen, Was sein wird und was ist. Durch mich stimmt Sang zu den Saiten. Sicher ist mein Geschoss; doch sicherer trifft als das meine |
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certior, in vacuo quae
vulnera pectore fecit! inventum medicina meum est, opiferque per orbem dicor, et herbarum subiecta potentia nobis. ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes!' |
Eins noch, welches mir
schlug im ruhigen Busen die Wunde. Heilende Kunst ist erfunden von mir, und Helfer auf Erden Werd' ich genannt, und mir sind dienstbar die Kräfte der Kräuter. Ach, dass keines vermag von den Kräutern die Liebe zu heilen, Und dem Besitzer die Kunst nicht nützt, die jeglichem nützet!" |
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Plura locuturum timido
Peneia cursu fugit cumque ipso verba inperfecta reliquit, tum quoque visa decens; nudabant corpora venti, obviaque adversas vibrabant flamina vestes, et levis inpulsos retro dabat aura capillos, |
Mehr noch hätt'
er gesagt; doch ängstlich entfloh des Peneios Tochter und ließ ihn selbst und die unvollendete Rede, Reizend zu sehn auch da. Den Körper enthüllten die Winde, Und das Gewand ward flatternd bewegt vom begegnenden Hauche, Und das gehobene Haar trieb rückwärts der drängende Luftzug. |
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auctaque forma fuga
est. sed enim non sustinet ultra perdere blanditias iuvenis deus, utque monebat ipse Amor, admisso sequitur vestigia passu. ut canis in vacuo leporem cum Gallicus arvo vidit, et hic praedam pedibus petit, ille salutem; |
Flucht zeigt schöner
den Wuchs. Da mag der unsterbliche Jüngling Nicht mehr das schmeichelnde Wort aufwenden, und wie ihn Cupido Selbst antrieb, so folgt er beschleunigten Laufes den Schritten. Wie wenn im offenen Felde den Hasen der gallische Spürhund Schaut und dieser mit Hast nach dem Fang strebt, jener nach Rettung; |
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alter inhaesuro similis
iam iamque tenere sperat et extento stringit vestigia rostro, alter in ambiguo est, an sit conprensus, et ipsis morsibus eripitur tangentiaque ora relinquit: sic deus et virgo est hic spe celer, illa timore. |
Immer erscheint einholend
der Hund; jetzt, jetzt ihn zu packen Hofft er und streift ganz nah mit der schnappenden Schnauze die Läufe; Jener vermeint bestürzt, schon sei er gefangen, und reißt sich Los von dem beißenden Zahn und verlässt den berührenden Rachen: So ist eilig in Furcht das Mädchen, der Gott in Erwartung. |
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qui tamen insequitur
pennis adiutus Amoris, ocior est requiemque negat tergoque fugacis inminet et crinem sparsum cervicibus adflat. viribus absumptis expalluit illa citaeque victa labore fugae spectans Peneidas undas |
Doch der Verfolgende
rennt, von den Fittichen Amors gefördert, Schneller und gönnt nicht Rast, und dicht an der Fliegenden Rücken Ist er gebeugt und behaucht im Nacken das fliegende Haupthaar. Nun, da versagt die Kraft, erblasst sie, und von der Mühsal Flüchtigen Laufes erschöpft, die peneischen Wellen gewahrend, |
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'fer, pater,' inquit
'opem! si flumina numen habetis, qua nimium placui, [tellus, aut hisce, vel istam quae facit, ut laedar,] mutando perde figuram!' vix prece finita torpor gravis occupat artus, mollia cinguntur tenui praecordia libro, |
Fleht sie: "Vater,
ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben! Lass die Erd' mich verschlingen, auf der zu sehr ich gefallen, Oder verwandle diese Gestalt, die Grund meiner Kränkung." Wie sie kaum es erfleht, fasst starrende Lähmung die Glieder, Und mit geschmeidigem Bast umzieht sich der schwellende Busen. |
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in frondem crines,
in ramos bracchia crescunt, pes modo tam velox pigris radicibus haeret, ora cacumen habet: remanet nitor unus in illa. Hanc quoque Phoebus amat positaque in stipite dextra sentit adhuc trepidare novo sub cortice pectus |
Grünend erwachsen
zu Laub die Haare, zu Ästen die Arme; Fest hangt, jüngst noch flink, ihr Fuß an trägem Gewurzel. Wipfel verdeckt das Gesicht; nichts bleibt als die glänzende Schönheit. So auch liebt sie der Gott. An den Stamm die Rechte gehalten Fühlt er, wie noch bebt in der bergenden Rinde der Busen, |
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conplexusque suis ramos
ut membra lacertis oscula dat ligno; refugit tamen oscula lignum. cui deus 'at, quoniam coniunx mea non potes esse, arbor eris certe' dixit 'mea! semper habebunt te coma, te citharae, te nostrae, laure, pharetrae; |
Und mit den Armen die
Äste, als wären es Glieder, umfangend, Gibt er Küsse dem Holz. Den Küssen entzieht sich das Holz auch. "Weil du", sprach er sodann, "nicht mein kannst werden als Gattin, Werde denn mein als Baum. Dich soll nun ständig die Leier, Dich soll tragen das Haar, dich ständig der Köcher, o Lorbeer! |
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tu ducibus Latiis aderis,
cum laeta Triumphum vox canet et visent longas Capitolia pompas; postibus Augustis eadem fidissima custos ante fores stabis mediamque tuebere quercum, utque meum intonsis caput est iuvenale capillis, |
Latiums Führern
gesellt sei du, wenn fröhliche Stimmen Jubeln Triumph und zum Capitol lang wallet der Festzug. Treulicher Wächter zugleich den augustischen Pfosten in Zukunft Sollst du stehn vor dem Tor und inmitten die Eiche behüten. Und wie jugendlich trägt mein Haupt frei wachsende Locken, |
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tu quoque perpetuos
semper gere frondis honores!' finierat Paean: factis modo laurea ramis adnuit utque caput visa est agitasse cacumen. |
Habe du fort und fort
die beständige Zierde des Laubes." Paian hatt' es gesagt. Der Lorbeer nickte mit jungen Zweigen dazu und schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel. |