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Divus Claudius (10 v.Chr.- 54 n.Chr.)29-40 Persönliche Neigungen und Verhaltensmuster:
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Untaten unter dem Einfluss seiner Freigelassenen und Frauen |
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29. Diese Freigelassenen beherrschten ihn, wie gesagt, und seine Frauen; so agierte er nicht als Kaiser, sondern als Diener. Nach dem Interesse eines jeden von ihnen oder auch nach dessen Neigung und Laune verteilte er Ämter, militärische Kommandos, Straffreiheit und Strafen und obendrein meist unbewusst und ohne Sachkenntnis. Um nicht auch noch jede Kleinigkeit im einzelnen aufzuzählen - die widerrufenen Gnadenerweise, die kassierten Gerichtsurteile, die untergeschobenen oder auch offen revidierten Bestallungen -, nur das wichtigste: Er ließ den Appius Silanus, den Schwiegervater seiner Tochter, die beiden Iulien, die eine des Drusus, die andere des Germanicus Tochter, auf ganz unsichere Beschuldigungen hin ohne die Möglichkeit einer Verteidigung hinrichten; ebenso Gnaeus Pompeius, den Mann seiner älteren Tochter, und Lucius Silanus, den Verlobten der jüngeren. | (29,1) his, ut dixi, uxoribusque addictus, non principem se, sed ministrum egit, compendio cuiusque horum vel etiam studio aut libidine honores exercitus impunitates supplicia largitus est, et quidem insciens plerumque et ignarus. ac ne singillatim minora quoque enumerem, revocatas liberalitates eius, iudicia rescissa, suppositos aut etiam palam immutatos datorum officiorum codicillos: Appium Silanum consocerum suum Iuliasque, alteram Drusi, alteram Germanici filiam, crimine incerto nec defensione ulla data occidit, item Cn. Pompeium maioris filiae virum et L. Silanum minoris sponsum. |
Von diesen wurde Pompeius in den Armen eines von ihm geliebten Knaben erstochen, Silanus gezwungen, die Prätur am 29. Dezember niederzulegen und am Neujahrstag, der zugleich der Tag von Claudius’ und Agrippinas Vermählung war, den Tod zu erleiden. Die Todesurteile gegen dreißig Senatoren und mehr als dreihundert römische Ritter vollzog er mit solcher Leichtigkeit, dass er, als der Centurio ihm über die Hinrichtung eines Mannes von konsularischem Rang mit den Worten Meldung machte, sein Befehl sei vollzogen, in Abrede stellte, irgendeinen Befehl erteilt zu haben, trotzdem aber das Geschehene guthieß, weil seine Freigelassenen ihm vorsagten, die Soldaten hätten damit nur ihre Pflicht getan, dass sie von sich aus gegen eine Straftat an ihrem Kaiser vorgegangen seien. | (29,2)
ex quibus Pompeius in concubitu dilecti adulescentuli confossus est,
Silanus abdicare se praetura ante IIII. Kal. Ian. morique initio anni
coactus die ipso Claudii et Agrippinae nuptiarum. in quinque et triginta
senatores trecentosque amplius equites Romanos tanta facilitate animadvertit,
ut, cum de nece consularis viri renuntiante centurione factum esse, quod imperasset, negaret quicquam se imperasse,
nihilo minus rem comprobaret, affirmantibus libertis officio milites
functos, quod ad ultionem imperatoris ultro procucurrissent. |
Indessen dürfte ganz unglaubwürdig sein, dass er sogar den Ehevertrag der Messalina mit ihrem Geliebten Silius selbst mitunterzeichnet habe. Man hätte ihn glauben lassen, das Ganze sei eine gezielte Scheinzeremonie, um von seinem Haupt ein Unheil, das ihm angeblich durch allerhand Vorzeichen angedroht werde, abzuwenden und auf einen anderen zu übertragen. | (29,3) nam illud omnem fidem excesserit, quod nuptiis, quas Messalina cum adultero Silio fecerat, tabellas dotis et ipse consignaverit, inductus, quasi de industria simularentur ad avertendum transferendumque periculum, quod imminere ipsi per quaedam ostenta portenderetur. |
Äußere Erscheinung und Gesundheit |
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30. An imponierender Würde der äußeren Erscheinung fehlte es ihm keineswegs, sei es, dass er stand oder saß und vor allem, wenn er ruhte. Denn er hatte eine große und dabei nicht magere Figur, schönes graues Haar und einen vollen Nacken. Aber beim Gehen beeinträchtigen ihn seine allzu schwachen Beine, und im heiteren wie beim ernsten Reden verunstaltete ihn mehreres: ein unanständiges Lachen und noch mehr ein häßliches Aussehen, wenn ihm im Zorn der Schaum vor den Mund trat und die Nase floss. Dazu kam ein stotterndes Anstoßen mit der Zunge und ein fortwährendes Wackeln mit dem Kopf, das sich bei jeder noch so geringen Handlung zu einem Höchstmaß steigerte. | (30,1) Auctoritas dignitasque formae non defuit et stanti vel sedenti ac praecipue quiescenti, nam et prolixo nec exili corpore erat et specie canitieque pulchra, opimis cervicibus; ceterum et ingredientem destituebant poplites minus firmi, et remisse quid vel serio agentem multa dehonestabant: risus indecens, ira turpior spumante rictu, umentibus naribus, praeterea linguae titubantia caputque cum semper tum in quantulocumque actu vel maxime tremulum. |
31. Seine früher schwächliche Gesundheit kräftigte sich seit seiner Thronbesteigung auf das glücklichste; außer den Magenschmerzen, die ihn, wie er sagt, manchmal sogar an Selbstmord denken ließen. | (31,1) valitudine sicut olim gravi, ita princeps prospera usus est excepto stomachi dolore, quo se correptum etiam de consciscenda morte cogitasse dixit. |
Essen, Schlafen, Leidenschaften |
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32. Gelage veranstaltete er reichlich und häufig und fast immer in sehr weiten Räumlichkeiten, so dass gewöhnlich sechshundert auf einmal zu Tisch lagen. Er veranstaltete sogar ein Gastmahl bei der Ablassung des Fucinersees, wobei er von dem Wasser, das beim Durchbruch des Dammes mit großer Gewalt hervorbrach, beinahe ertränkt worden wäre. Zu seiner Tafel zog er regelmäßig auch seine Kinder mit anderen edelgeborenen Knaben und Mädchen, die nach alter Sitte zu Füßen der Tischsofas saßen und aßen. Einen seiner Gäste, den man verdächtigte, er habe tags zuvor heimlich einen goldenen Becher eingesteckt, lud er auf den nächsten Tag wieder ein und setzte ihm eine tönerne Trinkschale vor. Man sagt auch, er habe ernsthaft ein Edikt erwogen, man dürfe bei Tisch stille und laute Blähungen entlassen; der er hatte erfahren, dass sich ein Gast schamhaft zurückgehalten hatte und deswegen lebensgefährlich erkrankt war. | (32,1) Convivia agitavit et ampla et assidua ac fere patentissimis locis, ut plerumque sesceni simul discumberent. convivatus est et super emissarium Fucini lacus ac paene summersus, cum emissa impetu aqua redundasset. adhibebat omni cenae et liberos suos cum pueris puellisque nobilibus, qui more veteri ad fulcra lectorum sedentes vescerentur. convivae, qui pridie scyphum aureum subripuisse existimabatur, revocato in diem posterum calicem fictilem apposuit. dicitur etiam meditatus edictum, quo veniam daret flatum crepitumque ventris in convivio emittendi, cum periclitatum quendam prae pudore ex continentia repperisset. |
33. Zum Essen und Weintrinken hatte er überall und zu jeder Zeit große Lust. Er saß einmal zu Gericht auf dem Augustusforum, als er von dem Duft eines Frühstücks, das man in dem naheliegenden Marstempel für die Salier bereitete, angelockt wurde und sofort das Tribunal verließ, zu den Priestern hinaufging und sich an ihrer Tafel niederließ. Auch erhob er sich niemals einfach so von der Tafel, ohne sich vollgegessen und vollgetrunken zu haben, so dass man ihm sofort, wenn er mit offenem Mund auf dem Rücken schlief, eine Feder in den Schlund steckte, um seinen Magen zu entlasten. | (33,1) Cibi vinique quocumque et tempore et loco appetentissimus, cognoscens quondam in Augusti foro ictusque nidore prandii, quod in proxima Martis aede Saliis apparabatur, deserto tribunali ascendit ad sacerdotes unaque decubuit. nec temere umquam triclinio abscessit nisi distentus ac madens, et ut statim supino ac per somnum hianti pinna in os inderetur ad exonerandum stomachum. |
Sein Schlaf war überaus kurz, denn vor Mitternacht blieb er meistens wach; doch schlief er zuweilen am hellen Tag beim Rechtsprechen ein, so dass ihn die Advokaten, die absichtlich lauter sprachen, kaum aufwecken konnten. Zum weiblichen Geschlecht hatte er einen übermäßigen Hang, zum männlichen gar keinen. Das Würfelspiel betrieb er leidenschaftlich und schrieb über diese Kunst sogar ein Buch; ja, er pflegte sogar beim Fahren zu spielen, wobei der Spieltisch so im Wagen befestigt war, dass das Spiel nicht in Verwirrung geraten konnte. | (33,2) somni brevissimi erat. nam ante mediam noctem plerumque vigilabat, ut tamen interdiu nonnumquam in iure dicendo obdormisceret vixque ab advocatis de industria vocem augentibus excitaretur. libidinis in feminas profusissimae, marum omnino expers. aleam studiosissime lusit, de cuius arte librum quoque emisit, solitus etiam in gestatione ludere, ita essedo alveoque adaptatis ne lusus confunderetur. |
34. Dass er von Natur aus grausam und blutrünstig war, zeigte sich in großen und kleinen Dingen. Verhöre unter der Folter und Hinrichtungen von Vatermördern ließ er unverzüglich und in seiner Gegenwart vollziehen. Als ihn einmal in Tibur die Lust anwandelte, eine Hinrichtung nach alter Weise zu sehen, und die Verbrecher bereits an den Pfahl gebunden waren, es aber an einem Henker fehlte, ließ er einen aus der Hauptstadt holen und wartete geduldig bis zum Abend auf seine Ankunft. Bei jedem Gladiatorenspiel, mochte er oder ein anderer es veranstalten, ließ er immer auch denen, die zufällig zu Boden gegangen waren, den Todesstreich geben - besonders den Netzfechtern -, um beim Verröcheln ihre Mienen zu beobachten. | (34,1) Saevum et sanguinarium natura fuisse, magnis minimisque apparuit rebus. tormenta quaestionum poenasque parricidarum repraesentabat exigebatque coram. cum spectare antiqui moris supplicium Tiburi concupisset et deligatis ad palum noxiis carnifex deesset, accitum ab urbe vesperam usque opperiri perseveravit. quocumque gladiatorio munere, vel suo vel alieno, etiam forte prolapsos iugulari iubebat, maxime retiarios, ut expirantium facies videret. |
Als einmal ein Fechterpaar an den gegenseitig beigebrachten Wunden gefallen war, befahl er, ihm aus jedem Schwert unverzüglich ein kleines Messer zu seinem Gebrauch zu machen. Die Tierhetzen und Vorstellungen um die Mittagszeit gefielen ihm so sehr, dass er bereits frühmorgens von seinem Palast zu dem Schauplatz hinabging und auch über Mittag, wenn das Volk zum Mittagessen entlassen wurde, auf seinem Platz sitzen blieb. Ja, er verurteilte auch außer den regulären Fechtern, hier und da aus einem geringfigügigen und einem dem Augenblick entspringenden Grund Mechaniker, Hilfsarbeiter und derartige Leute zum Kampf miteinander, wenn ihnen etwa ein Automat, ein Gerüst oder sonst etwas dieser Art nicht gehörig geraten war. Er schickte sogar einmal einen seiner Nomenklatoren, so wie er mit der Toga bekleidet war, in die Arena. | (34,2) cum par quoddam mutuis ictibus concidisset, cultellos sibi parvulos ex utroque ferro in usum fieri sine mora iussit. bestiaris meridianisque adeo delectabatur, ut et prima luce ad spectaculum descenderet et meridie dimisso ad prandium populo persederet praeterque destinatos etiam levi subitaque de causa quosdam committeret, de fabrorum quoque ac ministrorum atque id genus numero, si automatum vel pegma vel quid tale aliud parum cessisset. induxit et unum ex nomenculatoribus suis, sic ut erat togatus. |
Ängstlichkeit und Misstrauen |
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35. Aber kein Charakterzug an ihm kam seiner Furchtsamkeit und seinem Mißtrauen gleich. An den ersten Tagen seiner Regierung wagte er, obwohl er, wie gesagt, gern seine populäre Schlichtheit zur Schau trug, es dennoch niemals, einem Gastmahl anders beizuwohnen, als dass ihn Leibwächter mit Lanzen umstanden und Soldaten als Aufwärter dienten; auch besuchte er keinen Kranken, ohne zuvor das Schlafgemach visitieren und sogar Polster und Decken sorgfältig und gründlich durchsuchen zu lassen; ja, in der Folgezeit ließ er seine Besucher ausnahmslos durch besonders dazu angestellte Visitatoren auf das schärfste untersuchen. | (35,1) Sed nihil aeque quam timidus ac diffidens fuit. primis imperii diebus, quanquam, ut diximus, iactator civilitatis, neque convivia inire ausus est nisi ut speculatores cum lanceis circumstarent militesque vice ministrorum fungerentur, neque aegrum quemquam visitavit nisi explorato prius cubiculo culcitisque et stragulis praetemptatis et excussis. reliquo autem tempore salutatoribus scrutatores semper apposuit, et quidem omnibus et acerbissimos. |
Erst nach langer Zeit gab er widerwillig so weit nach, dass man wenigstens Frauen, Knaben, die noch die Prätexta trugen, und junge Mädchen nicht mehr körperlich betastete und dass man den Begleitern und Sekretären der Besucher nicht die Schreibzeug- und Griffelbüchsen abnahm. Als ihn während eines Aufstandes Camillus in der sicheren Hoffnung, ihn auch ohne Krieg einschüchtern zu können, in einem Brief voll Beschimpfungen und frechen Drohungen aufforderte, von der Regierung abzutreten und als Privatmann ohne Staatsgeschäfte in Ruhe weiterzuleben, berief er die ersten Männer des Staates zu einer Beratung, weil er im Zweifel war, ob er nicht gehorchen solle. | (35,2) sero enim ac vix remisit, ne feminae praetextatique pueri et puellae contrectarentur et ne cuius comiti aut librario calamariae et graphiariae thecae adimerentur. motu civili cum eum Camillus, non dubitans etiam citra bellum posse terreri, contumeliosa et minaci et contumaci epistula cedere imperio iuberet vitamque otiosam in privata re agere, dubitavit adhibitis principibus viris, an optemperaret. |
36. Mehrere unbegründete Anzeigen von Anschlägen setzten ihn so in Schrecken, dass er sich versucht fühlte, die Regierung niederzulegen. Als man einmal jemanden, wie ich oben erzählt habe, mit einem Dolch in seiner Nähe, während er ein Opfer vollzog, ergriffen hatte, ließ er schleunigst den Senat durch Herolde zusammenrufen und beklagte unter Tränen und Jammergeschrei sein Los, dass er nirgendwo sicher sei, und erschien lange Zeit nicht mehr öffentlich. Selbst seiner glühenden Liebe zu Messalina entsagte er nicht so sehr wegen der schmachvollen Beleidigungen, die er von ihr hatte erleiden müssen, als vielmehr aus Furcht vor dem Risiko, weil er glaubte, dass sie ihren Liebhaber Silius an die Macht zu bringen beabsichtigte. Damals flüchtete er sich schmählich und vor Furcht bebend ins Lager und fragte während des ganzen Weges immer nur das eine, ob er denn noch an der Macht sei. | (36,1) quasdam insidias temere delatas adeo expavit, ut deponere imperium temptaverit. quodam, ut supra rettuli, cum ferro circa sacrificantem se deprehenso, senatum per praecones propere convocavit lacrimisque et vociferatione miseratus est condicionem suam, cui nihil tuti usquam esset, ac diu publico abstinuit. Messalinae quoque amorem flagrantissimum non tam indignitate contumeliarum quam periculi metu abiecit, cum adultero Silio adquiri imperium credidisset; quo tempore foedum in modum trepidus ad castra confugit, nihil tota via quam, essetne sibi salvum imperium, requirens. |
37. Und so war denn kein Verdacht, keine Anzeige so unbedeutend, dass er durch sie selbst beim geringsten Argwohn nicht zu Vorsicht und Rache angetrieben worden wäre. Ein Prozessführender machte ihm seine Aufwartung, nahm ihn zur Seite und versicherte, er habe geträumt, dass irgendwer den Kaiser ermorde. Gleich darauf zeigte er, als ob er den Mörder wiedererkenne, auf seinen Gegner, der gerade eine Bittschrift überreichen wollte, und sofort wurde der, als habe man ihn bei der Tat ertappt, zur Hinrichtung geschleppt. | (37,1) nulla adeo suspicio, nullus auctor tam levis extitit, a quo non mediocri scrupulo iniecto ad cavendum ulciscendumque compelleretur. unus ex litigatoribus seducto in salutatione affirmavit, vidisse se per quietem occidi eum a quodam; dein paulo post, quasi percussorem agnosceret, libellum tradentem adversarium suum demonstravit: confestimque is pro deprenso ad poenam raptus est. |
Auf gleiche Art soll Appius Silanus sein Leben verloren haben. Messalina und Narcissus hatten nämlich beschlossen, ihn zu verderben; in verteilten Rollen stürzte er vor Tagesanbruch wie verstört in das Schlafgemach seines Herrn und versicherte, er habe geträumt, dass Appius ihm Gewalt antue; sie aber erzählte mit verstelltem Erstaunen, auch sie habe schon seit einigen Nächten den selben Traum gesehen. Gleich darauf wurde, wie gleichfalls abgekartet, gemeldet, Appius eile herbei - ihm war nämlich tags zuvor bestellt worden, er solle sich um diese Zeit im Palast einfinde -; und da man dies als sichere Bestätigung des Traumes ansah, wurde sofort befohlen, ihn zu verhaften und hinzurichten. Ja, Claudius scheute sich nicht, tags darauf den ganzen Hergang dem Senat vorzutragen und seinem Freigelassenen Dank abzustatten, dass er selbst im Schlaf für seine Sicherheit wache! | (37,2) pari modo oppressum ferunt Appium Silanum: quem cum Messalina et Narcissus conspirassent perdere, divisis partibus alter ante lucem similis attonito patroni cubiculum inrupit, affirmans somniasse se vim ei ab Appio inlatam; altera in admirationem formata sibi quoque eandem speciem aliquot iam noctibus obversari rettulit; nec multo post ex composito inrumpere Appius nuntiatus, cui pridie, ad id temporis ut adesset, praeceptum erat, quasi plane repraesentaretur somnii fides, arcessi statim ac mori iussus est. nec dubitavit postero die Claudius ordinem rei gestae perferre ad senatum ac liberto gratias agere, quod pro salute sua etiam dormiens excubaret. |
38.Er war sich bewusst zu Wut und Jähzorn zu neigen; er entschuldigte beide in einem Edikt, indem er unterschiedlich versprach, die eine werde kurz und unschädlich, der andere nicht ungerecht sein. Als die Einwohner von Ostia ihm einmal bei seiner Einfahrt in den Tiber keine Kähne entgegengeschickt hatten, schalt er sie in einem Brief erst heftig aus, mit dem erbitterten Zusatz, sie hätten ihn böswillig wie einen gemeinen Soldaten behandelt, verzieh ihnen aber dann plötzlich in einer Weise, die fast einer Entschuldigung gleichkam. | (38,1) irae atque iracundiae conscius sibi, utramque excusavit edicto distinxitque, pollicitus alteram quidem brevem et innoxiam, alteram non iniustam fore. Ostiensibus, quia sibi subeunti Tiberim scaphas obviam non miserint, graviter correptis eaque cum invidia, ut in ordinem se coactum conscriberet, repente tantum non satis facientis modo veniam dedit. |
Mehrmals trieb er Leute, die ihn öffentlich zur Unzeit ansprachen, mit eigener Hand zurück. Ebenso verbannte er einen Quästurschreiber und einen Senator, der bereits die Prätur bekleidet hatte, ohne Verhör und unschuldig, den ersten, weil er sich seiner, als er noch Privatmann war, bei einem Prozess allzu heftig angenommen hatte, den anderen, weil er als Ädil Mietsleute seiner (des Claudius) Güter, die gegen das Verbot gekochte Speisen verkauften, bestraft und den einschreitenden Verwalter gepeitscht hatte. Aus diesem Grund nahm er den Ädilen zugleich das Recht, die Garküchen zu überwachen. | (38,2) quosdam in publico parum tempestive adeuntis manu sua reppulit. item scribam quaestorium itemque praetura functum senatorem inauditos et innoxios relegavit, quod ille adversus privatum se intemperantius affuisset, hic in aedilitate inquilinos praediorum suorum contra vetitum cocta vendentes multasset vilicumque intervenientem flagellasset. qua de causa etiam coercitionem popinarum aedilibus ademit. |
Dummheit und Zerstreutheit |
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Selbst aus seiner Dummheit machte er keinen Hehl und bezeugte in einigen kurzen Stellungnahmen, dass er sie unter Gaius nur geheuchelt habe, weil er sonst keine Chance gehabt hätte davonzukommen und zu seiner gegenwärtigen Stellung zu gelangen. Doch konnte er niemanden überzeugen, denn binnen kurzem erschien eine Schrift mit dem (griechischen) Titel: „Die Auferstehung der Toren", deren Inhalt war, dass keiner Torheit fingiere. | (38,3) Ac ne stultitiam quidem suam reticuit simulatamque a se ex industria sub Gaio, quod aliter evasurus perventurusque ad susceptam stationem non fuerit, quibusdam oratiunculis testatus est; nec tamen persuasit, cum intra breve tempus liber editus sit, cui index erat μωρῶν ἐπανάστασις, argumentum autem stultitiam neminem fingere. |
39. Unter anderem wunderten sich die Leute bei ihm besonders über seine Vergesslichkeit und Unüberlegtheit oder, um es griechisch zu sagen, über seine "Abgehobenheit"und seine "Kurzsichtigkeit". Als z. B. Messalina getötet worden war, fragte er, bald nachdem er sich zu Tisch gelegt hatte, warum die Herrin nicht komme. Viele von denen, die er mit dem Tod bestraft hatte, ließ er gleich tags darauf zur Beratung oder zum Würfelspiel bitten und dann durch Boten, gleichsam als wären sie verspätet, als Schlafmützen ausschelten. | (39,1) Inter cetera in eo mirati sunt homines et oblivionem et inconsiderantiam, vel ut Graece dicam, μετεωρίαν et ἀβλεψίαν. occisa Messalina, paulo post quam in triclinio decubuit, cur domina non veniret, requisiit. multos ex iis, quos capite damnaverat, postero statim die et in consilium et ad aleae lusum admoneri iussit et, quasi morarentur, ut somniculosos per nuntium increpuit. |
Als er vorhatte, gegen das Recht Agrippina zu heiraten, hörte er doch nicht auf, sie in jeder Rede als seine Tochter, sein Pflegekind zu bezeichnen, die er von Geburt an auf seinem Schoß gehalten und aufgezogen habe. Als er Nero durch Adoption seinen Namen geben wollte, ließ er wiederholt - gleich als wäre es noch nicht genug Tadel, dass er, obwohl er doch bereits einen erwachsenen Sohn habe, einen Stiefsohn adoptiere - vernehmen, niemand sei bisher in die claudische Familie adoptiert worden. | (39,2) ducturus contra fas Agrippinam uxorem, non cessavit omni oratione filiam et alumnam et in gremio suo natam atque educatam praedicare. adsciturus in nomen Neronem, quasi parum reprehenderetur, quod adulto iam filio privignum adoptaret, identidem divulgavit neminem umquam per adoptionem familiae Claudiae insertum. |
Unangemessenes Reden |
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40. Gegenüber seiner Redeweise und den Sachverhalten zeigte er nun gar oft eine solche Achtlosigkeit, dass er offenbar weder wusste noch bedachte, wer oder zu wem oder wann oder wo er sprach. Als im Senat über die Metzger und Schankwirte verhandelt wurde, rief er in der Kurie aus: „Ich bitte euch, wer kann denn ohne sein Stück Wurst leben?" und beschrieb sogleich die reichhaltige Ausstattung der alten Tavernen, aus denen er einst gewöhnlich selbst seinen Wein geholt habe. | (40,1) Sermonis vero rerumque tantam saepe neglegentiam ostendit, ut nec quis nec inter quos, quove tempore ac loco verba faceret, scire aut cogitare existimaretur. cum de laniis ac vinariis ageretur, exclamavit in curia: 'rogo vos, quis potest sine offula vivere?' descripsitque abundantiam veterum tabernarum, unde solitus esset vinum olim et ipse petere. |
Bei einem Bewerber um die Quaestur führte er unter den Gründen, weshalb er seine Bewerbung unterstütze, auch den an, dass dessen Vater ihm in einer Krankheit rechtzeitig einen Trunk frischen Wassers gereicht habe. Eine Zeugin führte er im Senat mit den Worten ein: „Diese Person war eine Freigelassene und Friseuse meiner Mutter, doch hat sie mich immer als ihren Heern geachtet. Ich sage das deswegen, weil es noch jetzt einige in meinem Haus gibt, die mich nicht als Heern betrachten." | (40,2) de quaesturae quodam candidato inter causas suffragationis suae posuit, quod pater eius frigidam aegro sibi tempestive dedisset. inducta teste in senatu: 'haec,' inquit, 'matris meae liberta et ornatrix fuit, sed me patronum semper existimavit; hoc ideo dixi, quod quidam sunt adhuc in domo mea, qui me patronum non putant.' |
Als ihm einmal die Ostienser öffentlich ein Gnadengesuch vortrugen, wurde er zornig und schrie ihnen sogar vom Tribunal herab zu, er habe gar keinen Grund, sich ihnen gefällig zu erweisen; er sei so gut wie sonst einer frei in seinen Entscheidungen! Dazu kamen seine gewöhnlichen Redensarten, die man geradezu stündlich und minütlich hörte: „Wie! Hältst du mich etwa für den Telegonus?" oder auch das griechische „Sprich, aber fasse mich nicht an!" und anderes dergleichen mehr, was sich schon für eine Privatperson nicht schickte, erst recht nicht für einen Kaiser, der obendrein weder unberedt noch ungebildet war, vielmehr einer gehobenen Bildung eifrig ergeben war. | (40,3) sed et pro tribunali Ostiensibus quiddam publice orantibus cum excanduisset, nihil habere se vociferatus est, quare eos demereatur; si quem alium, et se liberum esse. nam illa eius cotidiana et plane omnium horarum et momentorum erant: 'quid, ego tibi Telegonus videor?' et: λάλει καὶ μὴ θίγγανε, multaque talia etiam privatis deformia, nedum principi, neque infacundo neque indocto, immo etiam pertinaciter liberalibus studiis dedito. |
Sententiae excerptae:
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