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Buntbethronte himmliche
Aphrodita,
Tochter Zeus', Trugspinnerin, zu dir fleh' ich,
Lass dem Unmut, lasse dem Gram mein Herz nicht,
Göttin,
erliegen!
Sondern komm hierher, wenn du sonst auch jemals,
Meines Anrufs Stimme vernehmend, fernher
Hörtest, und, den goldnen Palast des Vaters
Lassend,
herabkamst.
Im geschirrten Wagen; dich fuhr der schöne
Schnelle Sperlingszug um die weite Erde,
Dich die Flügel schwingend, vom Himmel mitten
Hin
in dem Aether.
Und sie kamen eilig, und du, o Sel'ge,
Lächelnd mit unsterblichem Angesichte,
Fragtest, was ich wieder erlitten, was ich
Wieder
dich rufe;
Was ich im wahnsinnigen Mutvornehmlich
Will gewährt sehn. "Wessen begehrst du wieder,
Den dir Peitho führe zur Lieben? Wer, o
Sappho, wer kränkt dich?
Siehe, wenn er flieht, wird er bald verfolgen,
Wenn er sonst Geschenke nicht nahm, sie geben,
Wenn er nicht geküsst, wird er bald dich küssen,
Wolltest du selbst nicht."
Komm auch jetzo zu mir und lös' aus schweren
Sorgen mich, nach wessen Erfüllung aber
Sich das Herz mir sehnt, das erfüll', und selber
Hilf mir im Kampfe!
H.
Fränkel DuP. (200): "Ein anderes Lied zeigt Sappho um
Liebe werbend. Nicht an das Mädchen wendet sie sich dabei, sondern
an die Liebe selbst, an Aphrodite; sie soll ihr helfen, die Neigung
des Mädchens zu gewinnen. Wie es für Bittlieder üblich
war, erinnert Sappho die Göttin daran, wie sie früher eine
gleiche Bitte gnädig erfüllt hat; und sie schildert eingehend
die vergangene Gewährung, mit der Hoffnung, dass mit der Erneuerung
im Wort auch eine Wiederholung mit der Tat heraufbeschworen werde."
Schadewaldt
I , S. 144: "Im Aphrodite-Gebet, Fragment 1, bot die rituelle
Gebetform den Topos, dass der Betende die Gottheit an schon früher
gespendete Hilfe erinnert (vgl. Hom.Il.10,284).
Dieser Teil hat sich in dem Gedicht weit geöffnet und das Bild
einer früheren Epiphanie der Kypris aufgenommen, und die Kypris
von damals spricht aus ihrem göttlichen Wissen zu Sappho von
dem, was Sappho auch jetzt in ihrem Herzen bewegt."
H.
Fränkel DuP. (200): "Die Herabkunft der Göttin
<ist> wie im Epos durchdramatisiert: der Aufbruch aus dem
goldenen Hause des Vaters, und die weite Reise; und überdies
das Lächeln auf dem unsterblichen Antlitz gegenüber der
Not der sterblichen Frau, und die Rede, die keine bloße Spiegelung
dessen ist, was sich Sappho wünscht, sondern aus Aphrodites
Person konzipiert und empfunden ist. [...] Anders als bei den Epikern,
tritt bei Sappho nirgends das physische und das metaphysische Begebnis
auseinander; es gibt nur éine Sicht auf den Vorgang, die alles erschließt.
Dies hängt mit dem flächenhaften Charakter der archaischen
Sehweise zusammen, einer Sehweise die man die der absoluten Gegenwart
nennen könnte. Und ebenso wie im Inhalt der seelische Vorgang
mit dem (imaginären) körperlichen in eins zusammenfällt,
so ist auch in der darstellerischen Form immer nur eins, und dieses
ganz, zur Stelle. In gleitender Rede tritt alles nacheinander in
denselben, einzigen Vordergrund. Es fehlt auch die Tiefendimension
der Intensität; sie ist durch massierte Quantität ersetzt."
Zur Gebetsform empfiehlt sich auch ein Vergleich mit dem Gebet,
das Chryses im Anfang der Ilias
nach der kränkenden Abweisung durch Agamemnon an Apollon richtet.
Der erhört ihn und erscheint (Epiphanie), allerdings ohne eine
verbale Antwort, um ihm den erbetenen Dienst zu leisten.
Eine lesenswerte Interpretation findet sich bei Franyó
/ Snell III S. 8. Es werden vier traditionelle Motive beleuchtet,
die Sappho verarbeitet:
Ihr Gebet, bzw. ihr Hilferuf an Aphrodite am Anfang und am Ende
des Gedichts (Ringkomposition);
die verstärkende Berufung auf die Vergangenheit: auch früher
hast du geholfen!
Epiphanie, Trost und Versprechen der Göttin.
Die Parallele ist Athenes Epiphanie am Anfang der Ilias, um Achill
von einem tätlichen Angriff auf Agamemnon zurückzuhalten
und ihn mit einem Hinweis auf die Zukunft zu trösten, die
ihm vielfache Genugtuung verschaffen werde.
Das vierte Motiv ist der Hinweis darauf, dass menschliches Geschick
dem Wechsel unterliegt.
Die Parallele ist hier Archilochos 67D, 7 (γίνωσκε
δ' οἷος ῥυσμὸς
ἀνθρώπους ἔχει.)
Besonders bei den beiden letzten Motiven wird sehr deutlich, wo das
Eigene, Persönliche bei Sappho liegt:
Zu 3: Die Epiphanie der Göttin wirkt nicht als äußere
Handlungslenkung wie in der Ilias, sondern führt lediglich
zu einer bewusstseinsmäßigen Klärung der eigenen
Innensteuerung. Göttliche Lenkung und eigenes Tun durchdringen
sich so zu einer unauflösbaren Einheit.
Zu 4: Bei Archilochos geht es um den Wechsel von Sieg und Niederlage. Auch hier also
um etwas Äußerliches im Gegensatz zu dem tröstlichen
Wechsel innerer Stimmungslagen und seelischer Bindungen, der auf
Abneigung Begehren folgen lässt, von außen gesehen
also ebenfalls Flucht und Verfolgung, Niederlage und Sieg.
Über dem Einzelnen darf man als Besonderheit Sapphos das
vielschichtige Zusammenspiel aller Motive nicht übersehen,
das dem Ganzen eine nicht auslotbare Tiefe verleiht, in der verschiedene
Kraftzentren in einer spannungsreichen Wechselbeziehung stehen.
Franyó
/ Snell III S. 9: "Wenn Sappho auf solche Weise alte Motive
miteinander verschränkt, hat sie natürlich nicht absichtsvoll
alte Stücke zusammengebastelt, um neue Effekte zu gewinnen;
der Prozess liegt tiefer: sie wird sich an den ihr überlieferten
Gedanken ihres eigenen Empfindens bewusst. Darin liegt ihre geistesgeschichtliche
Bedeutung wie auch der poetische Reiz ihrer Gedichte."
W.
Schadewaldt (S.78ff.): "Den Anfang mache das Lied,
das erst vor kurzem so gefunden wurde, wie es sich in Ägypten
ein Schüler einst mit ungelenker Hand auf einer Scherbe aufgezeichnet
hatte. Es ist ein einfacher Herbeiruf einer Gottheit [...].
Doch wie erfüllt sich dieser Herbeiruf mit einem stillen und
in seiner Stille doch vielsagendem Ausdruck des persönlichsten
Gefühls. Man ist des Nachts im heiligen Bezirk der Aphrodite
beim Mahl versammelt und Sappho ruft die Göttin: [es folgt
die Übersetzung...]. Der hier so zauberhaft heraufsteigende
Garten lädt zum Verweilen ein. [...] Ist alles ja wirklich
so hergezählt, wie der fühlende Sinn vom einen zum andern
der schönen Dinge weitergleitet: Apfelbäume, rauchende Altäre,
Wasser, [...] dann Rosenschatten, herabrinnende Ruhe, [...]
blühende Wiesenblumen, ausströmende Düfte. Es ist so zauberhaft,
denn es ist alles so sicher und rein vernommen. [...] Der
schöne Garten ist Aphrodites Hain, und kommen soll die Göttin,
um in eigner Person Nektar zu schenken. [...] Epiphanie der
Göttin, wirkende Gegenwart ihres ganzen Wesens ist das, worauf
das Gedicht hinauswill.
W.Killy (S.33): "Alles, was das Gedicht im Hörer hervorruft,
wird wiederum durch die Benennung weniger Dinge evoziert,
welche alle Sinne treffen: Kühle und Schatten, Wiesenblüte,
Rosen und Äpfel; Rauschen und Wiegen; und durchweg betörender
Duft. So viel reizvolle Gegenwart aber ist keineswegs um irgendeiner
'Stimmung' willen da, so wenig wie die Natur etwa um ihrer
selbst willen, sondern das Ganze ist Aphrodite zugeordnet.
[...] Die Welt also deren immer erneute Realisation das Gedicht
ermöglicht, ist die der Liebe. [...] Der Garten der Sappho
entsteht, indem gerade so viel an Natur genannt wird, dass
Raum für Vorstellung und Gefühl entsteht. In diesem Raum (der
sich im Nacheinander der Verse aufbaut, indem ein immer erneuter
Reiz evoziert wird) hat das Gedicht sein Leben, zu welchem
der Hörer beiträgt. Sein Wahrnehmungsvermögen hilft den lyrischen
Potenzen zu poetischer Realität."