HISTORIA APOLLONII REGIS TYRI
38
DIE GESCHICHTE DES KÖNIGS APOLLONIUS VON TYRUS
38
Apollonios erfährt vom angeblichen Tod seiner Tochter
38 Scelesta mulier haec eo dicente secundum pactum ferens atque reddens omnia sic ait: "Crede nobis, quia, si genesis permisisset, sicut haec omnia damus, ita et filiam tibi reddidissemus. Et ut scias nos non mentiri, habemus huius rei testimonium civium, qui memores beneficiorum tuorum ex aere collato filiae tuae monumentum fecerunt, quod potest tua pietas videre."
38. Als er solches sagte, brachte das verbrecherische Wei,b wie verabredet, alles herbei und gab es zurück. "Glaube uns", sagte sie: "hätte es das Schicksal zugelassen, hätten wir, wie wir dies alles zurückgeben, gleichermaßen auch deine Tochter zurückgegeben. Und damit du weißt, dass wir nicht lügen, haben wir hierfür das Zeugnis unserer Mitbürger, die im Gedenken deiner Wohltat, deiner Tochter aus Spendengeldern ein Denkmal errichtett haben, das du in deiner Vaterliebe schauen magst."
Apollonius vero credens eam vere esse defunctam ait ad famulos suos "Tollite haec omnia et ferte ad navem, ego enim vado ad filiae meae monumentum." At ubi pervenit, titulum legit:
Apollonius aber glaubte, dass sein Kind wirklich tot sei, und gebot seinen Dienern: "Nehmt dies alles und bringt es zum Schiff, denn ich gehe zum Grabmal meiner Tochter." Aber sobald er dorthin gekommen war, las er die Aufschrift:
D. M. CIVES THARSI TARSIAE VIRGINI APOLLONII REGIS FILIAE OB BENEFICIVM EIVS PIETATIS CAVSA EX AERE CONLATO FECERVNT.
D. G. G. DIE BÜRGER VON THORSOS ERRICHTETE DER JUNGEN TARSIA DER TOCHTER DES KÖNIGS APOLLONIUS VON YRUS WEGEN DER VERDIENSTE IHRES VATERS DIES DENKMAL AUS SPENDENGELDERN ZUM EHRENDEN ANDENKEN:
Perlecto titulo stupenti mente constitit. Et dum miratur se lacrimas non posse fundere, maledixit oculos suos dicens: "O crudeles oculi, titulum natae meae cernitis et lacrimas fundere non potestis! O me miserum! Puto, filia mea vivit." Et haec dicens rediit ad navem atque ita suos allocutus est dicens: "Proicite me in subsannio navis; cupio enim in undis efflare spiritum, quem in terris non licuit lumen videre."
Als er die Inschrift gelesen hatte, stand er gebannten Sinnes da. Und indem er sich wunderte, keine Tränen vergießen zu können, verfluchte er seine Auge und sprach: "O ihr grausamen Augen, ihr schaut die Grabschrift meines Kindes und könnt keine Tränen weinen! O, ich unglücklicher Mann! Noch lebt, glaube ich, meine Tochter." Mit diesen Worten ging er zum Schiff zurück und sprach die Seinen folgendermaßen an: "Werft nicht in den untersten Schiffsraum und lasst mich in den Wogen das Leben aushauchen, der ich auf Erden nicht mehr das Licht des Tages blickten darf!"
Text nach der Ausgabe von Gareth Schmeling, Ãœbersetzung nach R.Peters. Bearbeitet v. E.Gottwein
Lat. zu "Historia Apollonii regis Tyrii"
Die Geschichte des Königs Apollonius von Tyrus, der Lieblingsroman des Mittelalters. Eingeleitet und nach der ältesten lateinischen Textform zum erstenmal übersetzt von Richard Peters
Berlin, Leipzig (J.Hegner) o.J. (ca. 1904)
Weymann, G.
in: Rh.Mus.64,1909, S. 156-157